"Messi war eine Acht"

  • Leverkusens Chefscout Norbert Ziegler hat alle Spiele der U21-EM in den Niederlanden gesehen. Wie er die Talente des europäischen Fußballs bewertet hat, verrät er im Interview. Die deutschen Nachwuchsspieler waren in der Qualifikation gescheitert, es siegten die Holländer mit 4:1 gegen Serbien.


    RUND: Herr Ziegler, haben Sie einen neuen Johan Cruyff entdeckt?
    Norbert Ziegler: Nein. Aber bei den Niederländern und Belgiern sind uns Spieler aufgefallen, die wir sicher in ein paar Jahren wiedersehen werden, vielleicht in der Bundesliga. Taktisch und technisch ist die EM in diesem Jahr auf einem sehr hohen Niveau. Da sind wirklich gute Jahrgänge dabei.


    RUND: Belgien ist schon in der Vorrunde rausgeflogen.
    Norbert Ziegler: Das stimmt, aber allein das Gruppenspiel zwischen den Niederlanden und Belgien (2:2) war für U21-Verhältnisse eine enorm hochklassige Partie. Belgien ist anschließend gegen den Finalisten Serbien ausgeschieden. Serbien spielt hier als Mannschaft sehr kompakt und defensiv. Das war erfolgreicher als der Spaßfußball der Belgier.


    RUND: Und die anderen Teams? Israel spielte das erste Mal bei einer Endrunde.
    Norbert Ziegler: Die Israelis haben gar nicht überzeugt. Italien und Portugal haben sich im Laufe des Turniers gesteigert.


    RUND: England ist im Halbfinale nach einem 12:13 im Elfmeterschießen gegen die Niederlande ausgeschieden. Strafstöße können also auch die britischen Nachwuchskicker nicht schießen?
    Norbert Ziegler: Das war wirklich unglaublich. Aber das englische wie auch das italienische Team haben wir nicht so ausführlich studiert.


    RUND: Wieso?
    Norbert Ziegler: Da haben wir meist sowieso gar keine Chance. Die Spieler sind zu teuer. Chelsea arbeitet mit insgesamt 55 Scouts. Wir sind hier mit vier Leuten unterwegs.


    RUND: Die den ganzen Tag Fußball gucken.
    Norbert Ziegler: Und alle Spieler erfassen müssen. Wir haben vorgefertigte Analysebögen für die Mannschaften und für die Spieler. Mit dem Ranking bewerten wir jedes Talent auf einer Skala von 1 bis 10. Eine Zehn ist ein Kaká, eine Eins ein mittelmäßiger Regionalligaspieler.


    RUND: Wie oft haben Sie bei der EM die Zehn vergeben?
    Norbert Ziegler: Keinmal. Hinter den Zahlen stecken ja auch Aussagen: 6,5 bis 7,5 entspricht einem Spitzenspieler der Bundesliga. Von der Qualität haben wir an die 15 Spieler gesichtet, das ist viel. Dazu bewerten wir den Spieler zweimal. Einmal ermitteln wir seine Stärken, wenn er jetzt, zur neuen Saison zu Bayer wechseln würde. Dann bestimmen wir sein Können, wenn er erst in einem Jahr kommen würde. Da berücksichtigen wir das Entwicklungspotenzial.


    RUND: Sie waren in den Siebzigern selbst Mittelfeldspieler bei Bayer, begeistert Sie der Nachwuchs?
    Norbert Ziegler: Oh ja, als ich Lionel Messi bei der Jugend-WM gesehen habe - das war eine acht. Bei solchen Typen muss ich mich disziplinieren, die begeistern einen so, dass man nachts nicht schlafen kann. Da muss man die Schwächen analysieren und mit anderen Toptalenten vergleichen. Oft sieht man die Dinge besser, als sie sind.


    RUND: Ein Messi wird Ihnen dann von den Scouts aus Spanien weggeschnappt?
    Norbert Ziegler: Nein, ich führe ja keine Verhandlungen, wir erfassen nur Daten. Und wenn man wie ich 18 Jahre lang dabei ist, kennt man die Kollegen aus Madrid, Barcelona oder Mailand. Wir sind Arbeitskollegen, da macht man mit dem einen seine Witze, mit dem anderen nicht, wie bei einem Job im Büro.


    RUND: Die Spiele der U21-EM zu schauen, ist interessanter, als im Büro zu sitzen.
    Norbert Ziegler: Es ist ja nicht nur die EM. Vor Kurzem waren wir in Toulouse bei einem U20-Turnier, die Qualifikation für die U19-EM beginnt auch bald, dann läuft die Copa Amerika und die U20-WM in Kanada - und eine Woche Urlaub muss auch noch dazwischen passen.


    Norbert Ziegler spielte von 1975 bis 1980 bei Bayer Leverkusen. Seit 1989 ist der 53-Jährige Chefscout beim Bundesligaverein.


    Interview Steffen Dobbert


    http://www.rund-magazin.de/hom…57-4c40-9304-2309eb7134cb

    "Ich bin FC-Köln-Fan, weil ich solidarisch bin mit Verlierern!"
    Jean Pütz