Bayer-Hochhaus
Bei Bayer ist alles nur noch Fassade
Von Thomas Käding, 25.06.09, 10:05h
Der Bayer-Konzern spendiert sich und seiner Heimatstadt mit viel Aufwand ein neues Wahrzeichen: Aus dem Verwaltungshochhaus am Rhein wird die wohl größte Medienwand der Welt.
Leverkusen Schon mehrfach hat Bayer den Zeitplan umgeworfen. Jetzt ist der kommende Herbst avisiert - „voraussichtlich“. Seit Mittwoch ist indes sicher, dass der Umbau der früheren Konzernzentrale in eine riesige, Bayer spricht von der „wohl weltgrößten“ Medienfassade auf der Zielgeraden ist: Die erste von 550 bis 600 mit Millionen von Leuchtdioden bestückten Edelstahlmatten wurde an der Südseite des Baus in 122 Metern Höhe aufgehängt. Bis zum Herbst sollen 30 Spezialisten aus Südtirol das gesamte Gebäude ummantelt haben.
Später sollen auf den breiten, zum Rhein und Richtung Innenstadt zeigenden Seiten bewegte Bilder projiziert werden können. Und zwar auch bei Tageslicht. Das mit rund 5,6 Millionen LED bestückte Gewebe ist somit Kernstück der Konstruktion, bei deren Umsetzung die Bauabteilung des Leverkusener Konzerns immer wieder Antworten auf unerwartete Fragen finden musste. Als vor zwei Jahren mit der Umgestaltung des Hochhauses begonnen wurde, war noch von eineinhalb Jahren Bauzeit die Rede. Der lange vorige Winter, der das Arbeiten auf der extrem zugigen Baustelle mindestens zur Qual, manchmal auch unmöglich machte, war nur eines der vielen Hindernisse, die das gigantische Projekt bis heute begleiten. Die Windverhältnisse am Hochhaus verbieten es, die Arbeit jenseits von Stärke 6 fortzusetzen.
Wegen des inzwischen engen Zeitplans müssen die Matten-Monteure sechs Tage die Woche in Zwölf-Stunden-Schichten arbeiten. Schließlich müssen 18 000 Quadratmeter Fläche verkleidet werden. Je nach Ausführung wiegt jede Matte zwischen 192 und 234 Kilogramm. Um sie fest an der Fassade zu verankern, müssen auf vier Meter Breite jeweils 17 Schrauben des Kalibers 22 Millimeter angezogen werden. Bei der Premiere am Mittwoch um 12.10 Uhr dauerte das noch ein paar Minuten. Doch Erwin Trojer, Technischer Leiter der Südtiroler Spezialfirma Lanz, zeigte sich optimistisch: „Das wird mit der Zeit schneller gehen.“
Die Umbau-Genese des Leverkusener Wahrzeichens gibt Anlass zu solcher Zuversicht: Als im Januar damit begonnen wurde, die alte Vorhang-Fassade mit ihren großen Scheiben zu demontieren, ging es auch zunächst viel langsamer voran. Nach 46 Jahren in Wind und Wetter waren viele Bauteile nicht mehr besonders gängig und der Plan, einzelne Fassadenteile im Ganzen abzunehmen und mit den Außenaufzügen abzutransportieren, erwies sich in vielen Fällen als undurchführbar. Stattdessen ging auf der großen Bayer-Baustelle im Werk allerlei in Scherben. Allerdings entwickelten die Bauarbeiter, die 320 Tonnen Glas, 650 Tonnen Stahl und 330 Tonnen Aluminium zu entfernen hatten, immer mehr Routine. Und dann ging das Skelettieren des Hochhauses doch noch einigermaßen fix.
Verzögerungen resultierten aber auch daraus, dass dieses beispiellose Projekt Raum für immer neue Ideen bot. So reifte der Plan, dem Bau zusätzlich einen Kern aus Makrolon zu spendieren, erst in der Bauphase. Die Platten sollen mit Hilfe von Sonnen- oder Kunstlicht dafür sorgen, dass das zu erwartende Farbspektakel noch brillanter erscheint. Weiter verstärkt wird der Eindruck durch einen Farbanstrich an den Decken aller 31 Stockwerke.
Welche Inhalte Bayer auf seine gigantische Litfaßsäule projiziert, ist derzeit noch geheim. Während dieses Geheimnis bald gelüftet wird, ist nicht mit Angaben über den Umbaupreis zu rechnen. Klar ist hingegen, dass für die Steuerung der Anlage erhebliche Rechenpower im Erdgeschoss des Hochhauses installiert werden muss. Andere Ertüchtigungen betreffen zum Beispiel die Löschwasserleitung. Dass derartige Sicherheitsvorkehrungen auch in einem unbewohnten Gebäude nötig sind, erwies sich vor vier Wochen, als auf der Baustelle ein - wenn auch kleiner - Brand ausbrach. In der Bauabteilung hat das Ereignis trotzdem Eindruck hinterlassen. Wer sich am Mittwoch auf Leverkusens höchster Raucherterrasse eine Zigarette anzünden wollte, wurde mit Hinweis auf die viele Dachpappe in die Schranken gewiesen. Der schon x-mal umgeschriebene Zeitplan sollte nicht durch ein Feuer an höchster Stelle gefährdet werden.
http://www.ksta.de/jks/artikel.jsp?id=1245228259061
Medienfassade
Rekordverdächtiges Projekt
Erstellt 25.06.09, 10:05h
Etwa 5,6 Millionen Leuchtdioden, die in Edelstahlmatten der Größe 7,20 mal 4 Meter verwoben sind, bilden die neue Außenhaut der früheren Konzernzentrale. Sie hat eine Fläche von 18 000 Quadratmetern und soll auch bewegte Bilder zeigen können. Bayer spricht von der „größten Medienfassade der Welt“.
Erfunden wurde die Gewebekonstruktion, die jeweils fünf Leuchtdioden in den Farben Rot, Gelb, Blau optisch zu einem Pixel verschmelzen lässt, bei der Medienfirma AG 4 in Köln-Ehrenfeld. Das Gesamtgewicht der Matten beträgt 125 Tonnen, sie werden an Stahlträgern aufgehängt. Dazu sind 11 500 spezielle Halterungen aus einer Edelstahllegierung in den Stockwerken verschraubt worden. Das Material soll Korrosion verhindern. Jede Matte verträgt nach Angaben von Bayer eine Zugkraft von 1,8 Tonnen. Damit soll ausgeschlossen werden, dass sie bei Sturm gegen das Haus schlägt.
Ein blauer Anstrich an den Geschossdecken soll die Brillanz der Farbwiedergabe zusätzlich erhöhen. Dem selben Zweck dient ein Kern aus 12 000 Quadratmeter Kunststoffplatten, die im Dunkeln hinterleuchtet werden.
Bayers zweites ehemaliges Hauptquartier wurde 1963 bezogen und war seinerzeit mit 122 Metern das höchste Bürohochhaus Nordrhein-Westfalens. Die Längsseiten des 31 Stockwerke hohen Baus sind 69 Meter breit, die Schmalseiten messen 19 Meter.
Schon einmal machte der Bau als gigantische Werbesäule Furore: Im März 1999 erschien die ehemalige Konzernzentrale als riesige Aspirinschachtel - 100 Jahre nach Erfindung des Präparats. (tk)