ARD/Tour de France
Nicht übertragen, aber bezahlen
Von Rainer Braun, 03.11.08, 18:01h
Der Beschluss der Intendanten, 2009 aus der Live-Berichterstattung der Frankreich-Rundfahrt auszusteigen, könnte den Senderverbund - und damit auch den Gebührenzahler - teuer zu stehen kommmen.
Als die ARD-Intendanten sich vor drei Wochen auf das Ende der Live-Übertragungen von der Tour de France verständigten, war ihnen auch der Beifall von Teilen der Politik gewiss. Schließlich hatten Politiker von SPD, Linkspartei und Grünen schon nach der Skandal-Tour im letzten Jahr, als ARD und ZDF nach Doping-Fällen ihre live-Berichte einstellten und Sat 1 einsprang, für eine Pause plädiert. Inzwischen wachsen allerdings auch im Senderverbund die Zweifel daran, ob diese Entscheidung nicht am Ende die Gebührenzahler teuer zu stehen kommt - weil bezahlt werden muss, auch wenn nicht live übertragen wird. Hintergrund der Kontroversen ist dabei die Frage, wie der Tour-Ausstieg juristisch zu bewerten ist. „Die Situation ist kompliziert“, räumt der ARD-Vorsitzende Fritz Raff auf Nachfrage ein. Er will sich zeitnah mit dem ZDF und der EBU (European Broadcasting Union), dem Zusammenschluss von 78 öffentlich-rechtlichen Sendern in Europa, auf eine Lösung verständigen. Ein erster Termin mit dem ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender Ende letzter Woche blieb ergebnislos.
Im Kern geht es auch darum, wie rechtsverbindlich jene Mail mit der Unterschrift von vier Mitarbeitern von ARD und ZDF ist, in der beide Sender bereits im Januar grundsätzlich ‚grünes Licht’ für eine Verlängerung des Vertrages mit dem Tour-de France-Veranstalter ASO bis 2011 gaben. Das Gebot per Mail an die EBU veranschlagte dem Vernehmen für den Rechteerwerb jeweils drei Millionen Euro pro Sender und sah verschärfte Doping-Klauseln vor. Dass die Mitarbeiter der ARD-Sportkoordination dabei eigenmächtig handelten, gilt als ausgeschlossen. Zwar hatte der ARD-Vorsitzende Raff in einem Schreiben am 4. Juni an den EBU-Direktor Stefan Kürten noch einmal ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sich die ARD und ihre Gremien nicht vor September endgültig entscheiden würden. „Der EBU war spätestens damit bekannt, dass es in der ARD einen ergebnisoffenen Diskussionsprozess zur Tour-de-France-Berichterstattung gibt“, erläutert ARD-Sprecher Peter Meyer. Fakt ist jedoch, dass die EBU auf der Basis der Gebote von ARD und ZDF den Vertrag mit der ASO zwei Wochen später verlängerte, was Raff –im Gegensatz zum ZDF- inzwischen kritisiert. Aus seiner Sicht könne es nicht sein, dass die EBU ohne Genehmigung der Sender-Verantwortlichen Verträge abschließe. Fraglich ist ARD-intern allerdings auch, ob der Hinweis auf den gesunkenen sportlichen und programmlichen Wert infolge der jüngsten Doping-Fälle, den die ARD-Senderchefs für ihren Ausstieg geltend machten, juristisch Bestand hat.
Kompromiss verzweifelft gesucht
Zu befürchten ist, dass die ASO nun die EBU verklagt, was unangenehme Konsequenzen für ARD und ZDF haben dürfte. An Stress mit der EBU hat freilich Raff kein Interesse, schließlich verhandelt die gerade -auch für ARD und ZDF- die Rechte-Vergabe für die Olympischen Spiele 2014 und 2016. Fragwürdig bleibt im Rückblick, warum die ARD ihren Mitarbeitern überhaupt im Januar grünes Licht gab, um nach der Skandal-Tour 2007 für die Vertragsverlängerung mitzubieten. „Wer nicht aufgepasst hat, ist die ARD“, lautet das nüchterne Fazit des scheidenden EBU-Präsidenten und Ex-WDR-Intendanten Fritz Pleitgen. „Die ARD ist ein vitales, aber auch kompliziertes Wesen. Im Oktober festzustellen, dass seit Januar eine Bindewirkung besteht, ist rekordverdächtig“, erklärte er im Interview mit der SZ am Montag.
Nun wird fieberhaft an möglichen Kompromissen gearbeitet, schließlich will die ARD ja ohnehin über die Tour de France 2009 berichten – wenn auch nicht mehr live. Ob sich diese Position aufrechterhalten lässt, muss sich zeigen. Dabei geht es für alle Beteiligten nicht nur um die Wahrung des Gesichts, sondern auch um einiges Geld. Denn bei Tages-Zusammenfassungen oder Magazin-Beiträgen über die Tour ließen sich auch die Produktionskosten (zuletzt über zwei Millionen Euro) deutlich reduzieren. Derzeit wird ARD-intern dem Vernehmen nach geprüft, ob notfalls doch live übertragen wird – in den Digitalkanälen oder einigen Dritten Programmen.