So deutsch wie schon lange nicht mehr

  • Nach dem FC Bayern investierte Bayer Leverkusen am meisten Geld in den Umbau der Mannschaft, insgesamt 15 Millionen Euro gab der Klub für sieben neue Spieler aus, darunter zwei deutsche Nationalspieler. Mit acht Kandidaten für die EM 2008 könnte Bundestrainer Joachim Löw demnächst Stammgast in der BayArena werden.


    In der Kabine von Bayer Leverkusen musste gestern erst mal einiges neu sortiert werden. Sieben Spinde waren in der Sommerpause ausgeräumt worden, unter anderem die von Juan, Hans-Jörg Butt, Andrej Woronin und Marko Babic. Es gab also einiges neu einzurichten. Und es gab beim offiziellen Trainingsauftakt für viele Spieler die erste Gelegenheit, einige ihrer künftigen Mannschaftskollegen kennen zu lernen. Simon Rolfes verspürte bei all den neuen Gesichtern fast so etwas wie Aufbruchstimmung, auch wenn gerade mal 300 Fans den ersten Auftritt des Kaders sehen wollten: „Wir haben das Zeug zum Überraschungsteam“, sagte der Nationalspieler. Dafür müsste allerdings der große personelle Umbruch gelingen. Bayer Leverkusen hat nach Bayern München in diesem Sommer mit über 15 Millionen Euro die höchsten Investitionen in neue Spieler getätigt. Der prominenteste Zugang ist Bundesliga-Torschützenkönig Theofanis Gekas (für knapp fünf Millionen Euro vom VfL Bochum). Daneben kamen die Verteidiger Lukas Sinkiewicz (für 1,6 Millionen Euro vom 1. FC Köln) sowie Manuel Friedrich (für zwei Millionen Euro vom 1. FSV Mainz 05) und Chiles Toptalent Arturo Vidal für sieben Millionen Euro von Colo Colo), der erst nach der U20-WM Ende Juli zum Kader stößt.


    Darüber hinaus hat Leverkusen mit Vratislav Gresko (zuletzt Nürnberg) sowie Hans Sarpei (Wolfsburg) zwei ablösefreie Spieler unter Vertrag genommen und den zuletzt nach Aachen ausgeliehenen Sascha Dum zurückbeordert. „Jeder kann sehen, dass hinter unserer Kaderplanung Strategie und Logik steckt“, sagt Sportchef Rudi Völler.


    Jung und sehr deutsch


    Bayer Leverkusen ist jung (im Schnitt 24 Jahre), und Bayer Leverkusen ist sehr deutsch. Neben dem früheren Nationalspieler Carsten Ramelow sind gleich acht Leverkusener aktuelle oder potenzielle Auswahlspieler. „Aber in erster Linie waren Qualität und Verfügbarkeit der Spieler entscheidend. Wir haben nicht besonders darauf geachtet, einen ausgeprägt deutschen Kader zusammenzustellen“, relativiert Skibbe. Dennoch wird Bayer mit Rene Adler im Tor, Gonzalo Castro, Sinkiewicz und Friedrich in der Abwehr, Rolfes, Ramelow und Bernd Schneider im Mittefeld sowie Paul Freier und Stefan Kießling im Angriff für Bundestrainer Joachim Löw so interessant wie lange nicht mehr. „Die meisten haben das Zeug dazu, den Sprung in die Nationalelf zu schaffen“, sagt Völler über die Qualität seiner Mannschaft. „Eine Dauerkarte hat ‚Jogi’ Löw bei mir aber noch nicht bestellt“, scherzt Skibbe.


    Internationale Geschäft ist das Ziel


    Bayer hat sich viel vorgenommen, auch wenn die Saisonziele nicht eindeutig formuliert werden. Während die Spieler wie Rolfes eine positive Überraschung für denkbar halten, sind Skibbe und Völler viel vorsichtiger mit ihren Prognosen. „Unser Ziel ist es wieder, das internationale Geschäft zu erreichen“, sagt der Trainer. Völler hat eher einen Zwei- bis Dreijahresplan im Kopf. Wenn 2009 das dann auf 30.000 Zuschauer erweiterte und modernisierte Stadion fertig ist (Baubeginn in diesem Herbst), will er mit Bayer wieder um die Champions-League-Plätze und vielleicht sogar mal wieder um die Meisterschaft mitspielen. Kurzfristig glaubt Völler aber, mit diesem sehr jungen Team noch nicht ganz vorn angreifen zu können. „Hin und wieder wird es Rückschläge geben. Aber dann werden wir wie immer hier nicht die Nerven verlieren“, versichert der Sportchef.


    Skibbe bei Bayer unumstritten


    Das bezieht sich vor allem auf den Trainer. Der ist trotz immer wieder von außen aufkommender Kritik intern unumstritten. „Michael kommt ja aus dem Jugendbereich. Er ist genau der richtige Trainer für diese Mannschaft“, sagt Völler, der trotzdem den Druck erhöht. „Der Abstand zu den ersten vier Mannschaften der Liga muss verkürzt werden“, fordert er. „Aber Mannschaften wie Hamburg oder Dortmund haben ähnliche Mittel wie wir, die schlafen auch nicht und versuchen an uns vorbeizuziehen. So könnte es passieren, dass man den Punkteabstand zu den ersten Vier verkürzt aber dennoch nur Achter oder Neunter wird.“


    Sollte sich die komplett neu formierte Abwehr schnell finden, Mittelfeldroutinier Bernd Schneider, der noch eine Woche verlängerten Nationalmannschaftsurlaub genießen darf, wieder so eine überragende Saison wie die zurückliegende spielen und Theofanis Gekas ähnlich häufig treffen wie beim VfL Bochum (20 Tore), kann sich Leverkusen auf eine erfolgreiche Saison freuen. Gehen die Planspiele nicht auf, werden Völler und Skibbe allerdings ganz schnell an den 15 Millionen Euro für die neuen Spieler gemessen werden.


    Quelle: welt.de