Leverkusen mit neuem Gesicht – ein Umdenken in der Personalpolitik? Skibbe verneint.
Leverkusen. Enttäuschung oder gar Trauer konnte man in keinem der Gesichter ablesen. Weder Michael Skibbe noch die Spieler von Bayer Leverkusen schien der Abgang der letzten Brasilianer im Kader des Bundesligisten nachhaltig zu beeindrucken.
Roque Junior und Athirson entschieden sich am Mittwoch dafür, den Klub zu verlassen und andernorts ihre Karriere fortzusetzen. Eigentlich ein im Profifußball völlig normaler Prozess. Doch unter dem Bayer-Kreuz endet mit dieser Entscheidung auch eine nahezu 20-jährige Tradition.
„Das war eine gute Tradition, Brasilianer zu verpflichten.“ Reiner Calmund, Ex-Manager von Bayer Leverkusen
Denn die Spieler aus dem südamerikanischen Land präg
ten in den vergangenen Jahren stets das Erscheinungsbild ihrer jeweiligen Bayer-Mannschaften. „Das war eine gute Tradition, Brasilianer zu verpflichten“, sagt Reiner Calmund. Der ehemalige Manager des Klubs legte einst den Grundstein dafür, dass so viele namhafte Spieler vom Zuckerhut den Weg an den Rhein gefunden haben.
1987 holte er mit Mílton Queiroz da Paixao, genannt Tita, den ersten brasilianischen Spieler zum Klub. „Der Junge hatte gleich einen großen Anteil daran, dass wir 1988 den Uefa Pokal gewonnen haben“, sagt Calmund. Danach folgten viele namhafte Akteure und Nationalspieler wie Jorghino, Paulo Sergio, Emerson, Lucio, Robson Ponte, Cris, Juan, Roque Junior. „Das Problem war immer, dass wir nicht alle halten konnten. Dafür haben wir meist gute Ablösesummen für sie bekommen“, sagt der Ex-Manager.
Das Ende einer Ära sehe er allerdings nicht. „Wenn die Leverkusener wieder einen vergleichbaren Spieler aus Brasilien günstig bekommen könnten, würden sie auch wieder zugreifen.“ Für Paulo Sergio haben sie damals zwei Millionen bezahlt: „Aber danach sind die Preise deutlich gestiegen.“
Und so wird Michael Skibbe künftig ohne brasilianische Einflüsse im Leverkusener Spiel auskommen müssen. Ein Mentalitätswechsel? „Das glaube ich nicht“, sagt Skibbe. „Wir wollen weiterhin offensiven und attraktiven Fußball spielen. Dafür haben wir die richtigen Spieler geholt.“ Vor allem Angreifer Theofanis Gekas, der in der abgelaufenen Saison 20 Tore für den VfL Bochum erzielte.
„Er wird seine 15 Tore schießen“, kündigte Rudi Völler an. Und auch Skibbe glaubt, „dass wir viel Freude an ihm haben werden. Wir müssen ihm nur eine angemessene Eingewöhnungszeit geben.“ Mit Integration kennen sie sich bei Bayer schließlich aus.
Verlust an Identifikation
Kommentar von Christoph Fischer
Reiner Calmund war in jeder Hinsicht ein gewichtiges Markenzeichen. Lautsprecher der Liga und streitbarer Stratege bei Bayer. Keiner holte mehr brasilianische Spielkunst nach Deutschland, kaum einer machte größere Geschäfte, kaum einer bezahlte Südamerikaner aber auch so gut wie Calmund. Das Ende der Geschichte ist bekannt.
Die aktuelle Bayer-Philosophie ist eine andere und Wolfgang Holzhäuser ein Geschäftsführer, der mit Kopf entscheidet. Nicht aus dem Bauch wie Calmund. Der Preis ist ein Verlust an Identifikation.