Viele Vereine haben aufgerüstet und wollen hoch hinaus, das hat unser Bundesliga-Test bewiesen. Dazu gehört auch Bayer Leverkusen, die Rheinländer haben 14 Millionen Euro ins Team investiert. Reicht das für Platz fünf?
Diesen Rang hatte Bayer in den letzten beiden Jahren inne und konnte sich so jeweils für den UEFA-Pokal qualifizieren. Durch die zahlreichen Verstärkungen zählen manche Experten Leverkusen zu den erweiterten Titelkandidaten. Bei einer genaueren Analyse wird klar, dass dies zu hoch gegriffen ist.
Der Kader
Wenn man die vergangene Saison statistisch auswertet, wird schnell klar, wo der Bayer-Schuh gedrückt hat: Mit 49 Gegentoren war die Werkself das eindeutig abwehrschwächste Team aller Spitzenclubs.
Deshalb beschlossen Trainer Michael Skibbe und Sportdirektor Rudi Völler eine Runderneuerung der Defensive. Blöd nur, dass mit Juan der einzige Stabilisator der Abwehr den Verein verlassen hat - der Brasilianer wechselte für 6,3 Millionen Euro zum AS Rom.
Neu sind stattdessen die Nationalspieler Manuel Friedrich (Mainz 05), Lukas Sinkiewicz (1. FC Köln) und Arturo Vidal (Colo Colo). Alle drei sind auch als Stammspieler für die Viererkette eingeplant, Friedrich und Sinkiewicz in der Innenverteidigung und der Chilene als Linksverteidiger. Komplettiert werden soll der Defensivverbund durch Gonzalo Castro auf der rechten Seite und Torhüter René Adler.
Am ersten Spieltag wird die Abwehr allerdings anders aussehen: Vidal war vor einigen Tagen noch bei der U-20-WM in Kanada und weilt noch im Urlaub. Sinkiewicz wiederum musste zuletzt angeschlagen passen und wurde von Jan-Ingwer Callsen-Bracker hervorragend vertreten, das Eigengewächs könnte so auch zur Dauerlösung werden. Insgesamt wurde für die Defensive zwar ambitioniert eingekauft, die Viererkette muss sich allerdings erstmal finden.
Im von Skibbe bevorzugten 4-2-3-1-System sind die fünf Plätze im Mittelfeld ebenfalls bereits fest vergeben. Im defensiven Bereich sollen Kapitän Carsten Ramelow und Simon Rolfes die Fäden ziehen, als erste Alternative gilt der Schweizer Pirmin Schwegler.
In der Offensive gilt Bernd Schneider als Dreh- und Angelpunkt. Der Nationalspieler hat die vielleicht beste Bundesliga-Saison seiner Karriere hinter sich und zeigte auch in der Vorbereitung wieder bemerkenswerte Frühform. Neben dem 33-Jährigen sollen die jungen Tranquillo Barnetta und Stefan Kießling über außen kommen.
Hier könnte auch der erste Problemfall für Skibbe lauern. Sergej Barbarez gilt, auch unabhängig von seiner derzeitigen Bänderverletzung, nicht mehr als Stammspieler. Doch der Bosnier ("Wenn ich fit bin und gut trainiere, wird mich der Trainer auch spielen lassen") wird sich nicht grußlos auf die Ersatzbank setzen und könnte für Unruhe sorgen.
Im Sturm hat Rudi Völler den größten Coup gelandet. Für 4,7 der insgesamt investierten 14 Millionen Euro kam Torschützenkönig Theofanis Gekas in die BayArena. Der 27-Jährige wird in seiner zweiten Bundesliga-Saison sicherlich vermehrte Aufmerksamkeit bekommen, sein Sportdirektor rechnet trotzdem mit 15 Treffern des Griechen.
Der Trainer
Michael Skibbe ist mittlerweile seit fast zwei Jahren in Leverkusen und hat sich nach anfänglichen Schwierigkeiten durchgesetzt. Vor der Rückrunde 2005/06 galt er noch als großer Favorit auf einen vorzeitigen Rausschmiss, mittlerweile hat der 41-Jährige die Werkself zweimal in Folge in den UEFA-Cup geführt und sich somit einen Bonus erarbeitet.
Trotzdem wird sich Skibbe an der erhöhten Erwartungshaltung in Leverkusen messen lassen müssen. 14 Millionen Euro sind für den Werksclub, der seit der Vize-Saison 2001/2002 den Gürtel finanziell enger schnallen musste, eine große Hausnummer. Damit ist eigentlich klar, dass die Reise eher nach oben - sprich besser als Platz fünf - gehen soll.
Bei den ersten 13, 14 Leuten im Kader hat Skibbe teilweise herausragendes Material zur Verfügung, doch auf bestimmten Positionen darf nichts passieren. So stehen hinter Stammkeeper René Adler mit Eric Domaschke und Benedikt Fernandez zwei sehr unerfahrene - wenn auch gleichaltrige - Keeper zur Verfügung.
Ein ähnliches Problem herrscht im Sturm, Theofanis Gekas sollte nicht ausfallen. Die Namen Stefan Kießling und Sergej Barbarez klingen zwar stürmisch und gut, doch beide sind eher spielende Angreifer, die ihre Stärken eher im Vorbereiten und nicht im Knipsen haben und deshalb auch im offensiven Mittelfeld eingesetzt werden. Der Bulgare Atanas Kurdov soll zwar perspektivisch an die Leistungen seines Landsmanns Dimitar Berbatov anknüpfen, doch in seiner ersten Saison wird dem 18-Jährigen dies kaum gelingen.
Das Umfeld
Früher wurde Leverkusen auf Grund seines Daseins als Werksclub wenig Sympathie entgegen gebracht, seit Rudi Völler die Geschicke des Vereins mit leitet, hat sich dies etwas gewandelt. Der ehemalige Nationalcoach agierte schon als Spieler, Trainer und nun Manager unter dem Bayer-Kreuz.
Während Ex-Manager Rainer Calmund gerne mit dem Geldkoffer unterwegs war, muss Völler in Zusammenarbeit mit Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser mit geringerem Etat und weniger Unterstützung des Sponsors und Geldgebers Bayer leben. Trotzdem gelingt es Jahr für Jahr junge und ambitionierte Spieler an den Rhein zu holen.
Holzhäuser wiederum, der seine Funktionärskarriere in der DFL mittlerweile niedergelegt hat und sich voll und ganz auf Leverkusen konzentrieren kann, schob in den vergangenen Monaten den Stadionausbau voran und erhofft sich so langfristig bessere finanzielle Möglichkeiten. Ende 2007 beginnt der Ausbau von derzeit 22.500 auf über 30.000 Zuschauer.
Wunschtraum
Alle Neuzugänge schlagen voll ein und die Bayer-Elf schafft es, die Probleme in der Abwehr abzustellen. Wenn sie es schafft hinten dicht zu machen und Griechen-Bomber Gekas genauso knipst wie in Bochum, sollte eine Wiederholung von Platz fünf nicht das Ziel sein. Leverkusen zieht wieder in die Champions League ein und knüpft an das Jahr 2002 an, als drei Titel nur knapp verpasst wurden.
Albtraum
Die neue Mannschaft findet sich überhaupt nicht. Der Weggang von Juan wiegt zu schwer und Friedrich, Sinkiewicz und Callsen-Bracker können die Lücke nicht schließen. Michael Skibbe, dem wie in seiner Zeit in Dortmund in Fankreisen nicht gerade die Sympathiewelle entgegenschlägt, gerät schnell unter Druck und wird im Laufe der Saison entlassen. Da so schnell kein adäquater Ersatz zu finden ist, springt Ruuudi Völler mal wieder ein und macht den Trainer - ach nee, so schnell kann aus einem Alb- ein Wunschtraum der Bayer-Anhänger werden.
Prognose
Bayer hat sich gut verstärkt und wird wieder eine gute Rolle in der Liga spielen, doch am Ende werden fünf Teams stärker sein und es bleibt nur der ungeliebte sechste Platz.
Marcus Krämer
Quelle: sportal.de