Bundesliga-Teamcheck 2007/08 - Bayer 04 Leverkusen

  • Vereinsgeschichte
    Der TSV Bayer 04 Leverkusen wurde am 15. Juni 1904 als Betriebssportverein gegründet. Neben dem Fußball deckt der Verein auch ein weites Spektrum an Breitensportarten ab, so zum Beispiel Handball, Judo, Turnen oder Leichtathletik. 1907 wurde eine separate Fußballabteilung gegründet. Nach dem Aufstieg aus der dritten Liga pendelte der Werksclub zwischen 2. Liga und Oberliga, der damals höchsten Spielklasse. Bei der Bundesliga-Gründung 1963 wurden aus der Oberliga West Köln, Dortmund, Münster, Schalke sowie der Meidericher SV (Vorläufer des MSV Duisburg) zur Teilnahme ausgewählt, Leverkusen blieb nur der Gang in die Regionalliga West, zu diesem Zweitpunkt die zweithöchste Liga. Nach dem Abstieg 1973 stieg man 1976 wieder in die Regionalliga auf, die inzwischen unter dem Namen 2. Bundesliga firmierte. 1979 folgte der langersehnte Aufstieg in die Bundesliga, wo es aber zunächst meist gegen den Abstieg ging. Erst Mitte der 80er etablierte sich Bayer in der oberen Tabellenhälfte, 1988 folgte der bis heute größte Triumph der Vereinsgeschichte. Unter Erich Ribbeck wurde die Mannschaft UEFA-Cup-Sieger, und das auf höchst dramatische Art und Weise. Ein 0:3 im Final-Hinspiel gegen Espanyol Barcelona schien die Titelträume bereits beendet zu haben, doch im Rückspiel schlugen die Werkskicker zurück, gewannen mit 3:0 und entschieden das Finale im Elfmeterschießen für sich. Im selben Jahr wurde Reiner Calmund Manager des Vereins. "Calli" sollte in den folgenden Jahren entscheidend zum Aufstieg beitragen, beim Fast-Abstieg 1996 galt es aber zunächst, eine handfeste Krise zu meistern. Als Reaktion auf diese wurde Christoph Daum verpflichtet, der Leverkusen endgültig in die Spitze führte. Die Rheinländer boten sehenswerten Offensivfußball und brachten mit Emerson, Lucio, Ballack oder Ze Roberto eine Reihe von Stars hervor. Zum ganz großen Wurf reichte es aber nie, "Vizekusen" wurde zum gängigen Spitznamen für die Elf. Nach der Ära Daum, der des Kokainmissbrauchs überführt worden war, konnte Leverkusen nicht mehr an die alten Zeiten anknüpfen. Zwar gelang mit Klaus Toppmöller auf der Bank 2002 der Einzug ins Finale der Champions League und ein weiterer zweiter Platz in der Bundesliga, ein steter Abwärtstrend, der 2003 beinahe mit dem Abstieg endete, war aber nicht zu übersehen.


    Letzte Saison
    Leverkusens größte Schwäche im Jahr 2006/07 war unbestritten die Inkonstanz. Teilweise begeisterte die Elf von Michael Skibbe mit Spielfreude und Offensivfußball, ging dann aber sang- und klanglos unter. Dennoch reichte es in der Endabrechnung zu Rang fünf und der direkten Qualifikation für den UEFA-Pokal.
    Der Start hätte für die Rheinländer nicht besser laufen können. Nach einem 3:0 über die Alemannia aus Aachen grüßte Bayer als erster Tabellenführer. Doch die Ernüchterung folgte bald: nach einer Krise fand sich Leverkusen auf Platz 14 am 8. Spieltag wieder. Wie auch in der gesamten Saison erlebten die Anhänger ein Wechselbad der Gefühle. Bis zur Winterpause dümpelte die Elf im Mittelfeld der Tabelle und schaffte erst am 26. Spieltag die Rückkehr auf den sicheren UEFA-Cup-Platz fünf.
    Angetrieben von einem überragenden Bernd Schneider gelang es der Werkself, diese Platzierung bis zum Ende zu verteidigen. Dennoch waren unter dem Bayer-Kreuz nicht nur zufriedene Töne zu vernehmen. Hätte es Spiele wie das blamable 1:4 gegen den VfL Bochum nicht immer wieder gegeben, wäre unter Umständen noch mehr möglich gewesen.
    Im UEFA-Cup scheiterte Bayer Leverkusen deutlich am spanischen Vertreter CA Osasuna – jedoch erst im Viertelfinale. Ihr anderes Gesicht zeigte die Mannschaft im DFB-Pokal. Schon in Runde zwei machte Zweitligist MSV Duisburg den Leverkusenern den Garaus.


    Aktuelle Lage
    Von Titeln träumt man bei Bayer 04 längst nicht mehr. Für die neue Saison gilt die erneute direkte Qualifikation für das internationale Geschäft, auch wenn der Kampf darum in der Bundesliga immer gnadenloser wird, als oberstes Gebot. Dafür soll die Launenhaftigkeit der Mannschaft abgestellt werden. Mit den neuen Spielern stehen die Chancen darauf gut. Weitere Ziele bei Bayer: attraktiver Fußball und ein auch weiterhin solides Finanzgebaren.


    Neuzugänge
    Der Trend ist nicht zu übersehen: Bayer setzt auf junges, deutsches Blut. Die Transfers von Manuel Friedrich (FSV Mainz 05) und Lukas Sinkiewicz (1. FC Köln) ließen sich Rudi Völler und Wolfgang Holzhäuser mehr als vier Mio. Euro kosten. Beide sollen helfen, die teils brüchige Abwehr zu stabilisieren. Sascha Dum hat seine Lehrjahre bei Alemannia Aachen absolviert und will den etablierten Mittelfeldlern ihre Stammplätze streitig machen. Große Erwartungen werden an Theofanis Gekas gestellt, der mit der Empfehlung der Torjägerkanone aus Bochum kommt. Außerdem wechselten Vratislav Gresko vom Club sowie Hans Sarpei vom VfL Wolfsburg. Der Transfer von Patrick Helmes (1.FC Köln) kam auch nach wochenlangen Streitereien mit den Verantwortlichen jenseits des Rheins nicht zustande.
    Aber auch im Ausland ging Bayer auf Einkaufstour. Arturo Vidal, mit 5,2 Mio. teuerster Neuling, kann in der Defensive nahezu jede Position bekleiden. Große Stücke hält Trainer Skibbe auf Ricardo Faty. So groß, dass er sogar den Vergleich mit Weltstar Vieira nicht scheute. Atanas Kurdov dagegen ist mit 18 Jahren eher eine Investition in die Zukunft.
    Insgesamt lässt sich also von einer überaus gezielten und sinnvollen Transferpolitik sprechen, an der Fans und sportliche Leitung noch viel Vergnügen haben werden.


    Schlüsselspieler
    Die Liste der Schlüsselspieler zieht sich durch alle Positionen. Im Tor wird es auf Rene Adler ankommen, der vor seiner ersten Saison als Nummer eins steht. Auffällig jung ist die Hintermannschaft, wo Manuel Friedrich mit 27 Jahren schon der Senior ist. Seit Jahren schon führen Bernd Schneider und Carsten Ramelow die Mannschaft und sollen es auch weiterhin tun. Den beiden Oldies kommt, wie auch Sergej Barbarez, auf und neben dem Platz eine ganz besondere Rolle zu. Vor allem sportlich ist dagegen der Wert von Theofanis Gekas zu beziffern. Nachdem Patrick Helmes erst im nächsten Jahr kommen wird, wird von dem Griechen nur eines erwartet: Tore, Tore, Tore...


    Taktik
    Es dürfte keine großen Neuerungen im System von Michael Skibbe geben. Im Tor geht René Adler in seine erste Bundesliga-Saison als Nummer eins. Vor dem jungen Keeper verteidigt eine Viererkette, deren Herzstück aus den Innenverteidigern Manuel Friedrich und Lukas Sinkiewicz bestehen soll. Beide sind neu in Leverkusen, sollen aber sofort in der Abwehr das Kommando führen. Auf den Außenpositionen wird von Arturo Vidal und Gonzalo Castro ebenso eine gute Zweikampfquote wie auch offensive Akzente erwartet. So soll der Abgang des Abwehrhünen Juan kompensiert werden.
    Im Mittelfeld decken mit Ramelow und zwei Sechser den Raum vor der Abwehr ab und machen dort die Schotten dicht, eröffnen aber auch das Spiel. Barnetta und Schneider, wohl der wichtigste Mann im System, agieren über außen und ziehen oft in die Mitte. Insbesondere Schneider sollte auch den einen oder anderen Treffer erzielen. Paul Freier dagegen wandert auf die Reservebank.
    Im Sturm ergänzt Stefan Kießling, in seiner ersten Bayer-Saison meist glücklos, den neuen Torjäger vom VfL Bochum, Theofanis Gekas. Hier bleibt Sergej Barbarez wohl ebenfalls nur zweite Wahl. Während Gekas als klassischer Mittelstürmer agiert, soll Kießling eher den Part der hängenden Spitze übernehmen und den „Ballschlepper“ für Gekas spielen.


    Stärken & Schwächen
    Zu den Stärken zählt sicherlich die neu gewonnene Dynamik der Skibbe-Elf. Sämtliche Neuzugänge stehen für schnelles Spiel und eröffnen dem Trainer viele taktische Möglichkeiten. Schwierig könnte es allerdings werden, die richtige Mischung aus jungen Talenten und erfahrenen Haudegen zu finden. Doch dies gelang Skibbe, übrigens ein ausgesprochener Fußballfachmann, bereits in der Vorsaison recht gut. Ein weiterer Vorteil ist die geringe Erwartungshaltung in Leverkusen, so dass Bayer 04 quasi aus dem Nichts eine grandiose Saison hinlegen könnte.
    Kritisch könnte die Situation innerhalb des Teams werden. Durch die jungen Spieler finden sich Führungskräfte wie Barbarez oder vielleicht auch Ramelow auf der Bank wieder. Fraglich, ob sie dies hinnehmen. Zudem wirkt die Abwehr noch sehr unerfahren und könnte leicht zur Schwachstelle avancieren. Ob sich das Team diesmal konstanter in seinen Leistungen über das ganze Jahr präsentiert, steht ebenfalls noch in den Sternen.


    Prognose
    So gut wie selten haben Rudi Völler und Michael Skibbe für die neue Saison eingekauft. Dieser Kader ist in jedem Fall europapokalreif, wenn nicht auch die Hälfte der anderen Bundesligisten dieses Ziel verfolgen würde. So wird Bayer 04 definitiv um einen der begehrten UEFA-Pokal-Plätze mitspielen, ob es am Ende tatsächlich reicht, hängt von Kleinigkeiten ab. Wichtig wird aber sein, die Neuen schnellstmöglich zu integrieren und sich keine größere Krise zu erlauben.


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