"Ein Titel ist unser größter Wunsch"

  • Der Saisonstart der im Sommer erneut deutlich verjüngten Mannschaft von Bayer 04 Leverkusen ist mit dem Aus in der ersten DFB-Pokalrunde und einem 0:0-Unentschieden im ersten Heimspiel gegen den FC Energie Cottbus misslungen. Trotzdem sind die Erwartungen in Leverkusen groß. uefa.com-Korrespondent Matthias Rötters sprach mit Leverkusens Sportdirektor Rudi Völler über den Umbruch in der Bayer-Elf, die neuen Spieler und die Saisonziele.


    uefa.com: Herr Völler, Sie haben der Bayer-Elf gemeinsam mit Trainer Michael Skibbe ein neues, verjüngtes Gesicht gegeben. Früher kamen Stars wie Zé Roberto, Lucio oder Emerson – jetzt wurden junge Talente wie Faty, Sinkiewicz oder Vidal geholt. Was sind die Gründe für den Umbruch?


    Rudi Völler: Zunächst einmal muss man sehen, dass dieser Umbruch bei uns schon seit einigen Jahren im Gange ist. Damals hatte die Umstellung der Transfer-Politik finanzielle Gründe und trotzdem haben wir seitdem mit einem deutlich kleineren Budget immer wieder unser Ziel, in einem internationalen Wettbewerb zu spielen, erreicht. Vor dieser Saison bot sich dann ein weiterer Schritt auf diesem Weg an. Einige erfahrene Spieler wollten den Klub verlassen und besonders für unsere Defensive haben wir als Ersatz junge erfolgshungrige Talente verpflichtet. Wir haben also aus einer Not eine Tugend gemacht.


    uefa.com: Können Sie uns etwas zu den Talenten sagen, die Sie nach Leverkusen geholt haben. Was zeichnet die einzelnen Spieler aus
    Völler: Ob Faty, Sinkiewicz oder Vidal - die Jungs verbindet alle Ehrgeiz, Erfolgshunger und der Wille sich verbessern zu wollen, zudem verfügen sie schon über Erfahrung im Profibereich. Sinkiewicz ist eine Spielerpersönlichkeit mit großer Ausstrahlung, sehr passsicher und stark im Spielaufbau. Faty haben wir schon seit Jahren beobachtet. In seiner Altersklasse war er in den letzten Jahren überragend und erinnert mich an seinen Landsmann Patrick Vieira, wenn dieser auch noch etwas robuster ist. Vidal ist hingegen so etwas wie unser Juwel und ein typischer Südamerikaner. Er ist kopfballstark, beidfüssig und ein hervorragender Freistoßschütze. Dazu kommt, dass er eigentlich auf allen Positionen spielen kann.


    uefa.com: Mit Gekas, Ramelow und unter anderem Schneider haben Sie auch einige erfahrene Spieler im Team. Welche Rolle spielen die?


    Völler: Sie sind natürlich ganz wichtig, denn nur mit jungen Leuten geht es nicht. Das sieht man immer wieder. Es bedarf einer guten Mischung aus jungen Talenten und erfahrenen Akteuren, die zeigen wo es lang geht. Ich denke, dass wir mit Spielern wie Carsten Ramelow, Sergej Barbarez, Bernd Schneider oder Simon Rolfes genügend Erfahrung im Kader haben. Aber auch Neuzugänge wie Lukas Sinkiewicz, der letzte Saison schon Kapitän beim 1. FC Köln war oder Manuel Friedrich besitzen Führungsqualitäten.


    uefa.com: Gibt es mit den neuen Spielern eigentlich auch eine neue Spielphilosophie? Was will Leverkusen den Zuschauern für einen Fußball präsentieren?


    Völler: Unsere Philosophie behalten wir auch mit den neuen Spielern bei. In den letzten Jahren sind wir immer wieder für unsere gute Offensive gelobt worden, haben da besonders mit Bernd Schneider, unserem “weißen Brasilianer“, einige sehr kreative Akteure. Nur in der Abwehr hat es die letzten Jahre nicht so funktioniert. In der vorigen Saison haben wir sogar mehr Gegentore bekommen als der Tabellenletzte Borussia Mönchengladbach. Das muss mit unseren neuen Verteidigern natürlich besser werden.


    uefa.com: Welche Rolle trauen Sie der neuen Mannschaft in der Bundesliga zu?


    Völler: Trotz des Umbruchs gehen wir ganz klar wieder mit dem Anspruch in die Saison einen UEFA-Pokal-Platz erreichen zu wollen. Natürlich kann es dabei Rückschläge geben, aber wichtig ist, dass sich die Mannschaft während der Saison weiterentwickelt und attraktiven Fußball zeigt.


    uefa.com: Sie sprachen gerade von Rückschlägen. Besonders jüngere Spieler unterliegen ja bekanntlich Leistungsschwankungen. Kalkulieren Sie dieses Risiko ein?


    Völler: Natürlich müssen wir damit rechnen auch mal ein paar Spiele am Stück nicht zu gewinnen. Aber solche Leistungsschwankungen sind normal, die haben wir auch in den letzten Jahren erlebt. Immerhin bedeutet eine Saison mit Spielen in der Bundesliga und im UEFA-Pokal einen immensen Kraftaufwand. Deshalb wird unser Trainer Michael Skibbe im Laufe der Saison rotieren müssen und wenn es trotzdem eine Negativ-Serie geben sollte, dann gilt es für uns Ruhe zu bewahren und nicht hektisch zu werden. Das gehört halt bei Mannschaften dazu, die auch international vertreten sind.


    uefa.com: Welche Ziele haben Sie denn diese Saison im UEFA-Pokal?


    Völler: Zunächst wollen wir die Gruppenphase erreichen und dort unter die ersten Drei kommen. Dazu gehören natürlich konstante Leistungen und ein wenig Losglück. Es wäre auf jeden Fall gut, wenn wir an Weihnachten noch im UEFA-Pokal dabei wären.


    uefa.com: Wer sind für Sie die Favoriten im UEFA-Pokal?


    Völler: Der ganz große Favorit ist in diesem Jahr der FC Bayern München. Sie haben sich hervorragend verstärkt und würden mit dem Kader wohl auch in der UEFA Champions League ganz vorne mitspielen. Dazu kommen dann starke Mannschaften wie zum Beispiel Tottenham und natürlich die Dritten der ersten UEFA Champions League-Gruppenphase, die immer auch zu den Favoriten zu zählen sind. Ich erwarte einen ganz harten und sehr spannenden Wettbewerb.


    uefa.com: Leverkusen hat ja auch über Jahre in der Champions League für Furore gesorgt. Reicht es Ihnen und den Verantwortlichen im Klub, wie in den letzten Jahren, nur im UEFA-Pokal zu spielen?


    Völler: Die Ansprüche haben immer auch etwas mit den finanziellen Möglichkeiten zu tun. In der Zeit, in der wir in der Champions League gespielt haben, hatten wir fast den doppelten Etat zur Verfügung. Heute bewegen wir uns auf Augenhöhe mit dem Hamburger SV, Borussia Dortmund oder Hertha BSC Berlin. Da ist kurzfristig der UEFA-Pokal ein realistisches Ziel. Langfristig würden wir natürlich gerne wieder Champions League spielen


    uefa.com: Dabei könnte auch der geplante Stadionausbau helfen. Können Sie uns erklären, was in diesem Bereich genau verbessert wird?


    Völler: Unser Stadion galt in Deutschland immer als kleines “Schmuckkästchen“, in dem man sehr gut Fußball sehen konnte. Doch durch die WM haben viele Konkurrenten ihre Stadien aufgerüstet und die Infrastruktur deutlich verbessert - da hinken wir noch etwas hinterher. Unser Plan sieht jedoch vor, das Stadion auf 31.000 Plätze auszubauen und die gesamte Infrastruktur mit Parkplätzen, Tiefgaragen und Logen zu modernisieren. Das ist uns sehr wichtig.


    uefa.com: Bayer verfügt dann über eine exzellente Infrastruktur und eine hoffnungsvolle Mannschaft – was in Leverkusen seit Jahren vermisst wird, ist ein Titelgewinn. Wie sehr fehlt dem Klub genau dieser Erfolg und wie sehr wünschen Sie sich das?


    Völler: Ein Titel ist natürlich unser größter Wunsch, aber dazu muss halt alles stimmen. Wir waren mehrmals nah dran und haben die Titel dann knapp verpasst. Am ärgerlichsten bleibt für mich die Saison 2001/02, in der wir die stärkste Mannschaft der Bundesliga waren und sogar das Finale in der UEFA Champions League erreicht haben. Am Ende fehlte uns aber wohl genau wegen dieser Doppel-Belastung die Kraft die Meisterschaft für uns zu entscheiden, denn wir hatten nur 15 Top-Spieler, die am Ende alle total ausgebrannt waren. Wir wären wohl damals Meister geworden, wenn wir im Viertelfinale der UEFA Champions League ausgeschieden wären, aber das Finale gegen Real Madrid war natürlich auch ein phänomenales Erlebnis.


    http://de.uefa.com/magazine/ne…554432/newsid=572364.html


    :LEV5 :bayerapplaus :LEV6 :LEV2 :LEV3