Wo bleibt der zwölfte Mann?

  • Vor dem Spitzenspiel gegen die Bayern spekuliert Leverkusens Trainer Michael Skibbe auf ungewohnte Überzahl


    Als Tabellenzweiter hat man noch Träume oder Visionen. Sogar in Leverkusen, dort also, wo einst unter dem Bayer-Kreuz eine Traumfabrik des Fußballs stand. Deren Besonderheit lag darin, dass die Vision vom Gewinn er deutschen Fußballmeisterschaft früher oder später von der Wirklichkeit ad absurdum geführt wurde. Von diesem Titel spricht in Leverkusen schon lange niemand mehr. Aber Träume haben sie noch immer. Michael Skibbe, der Cheftrainer, etwa wünscht sich, im Heim-spiel an diesem Samstag gegen Bayern München, „in leichter Überzahl spielen zu können“.


    Mancher mag sich fragen, welche gute Fee imstande sein soll, diesen abenteuerlichen Wunsch zu erfüllen. Oder sollen die Bayern aus alter Verbundenheit zu Zehnt antreten? Natürlich nicht. Skibbe ist ein zu sachlicher Mann, als dass er seine Hoffnungen auf Wesen mit überirdischen Kräften setzte – ausgenommen Bernd Schneider, den notorisch genialen Bayer-Brasilianer, der nach seiner Verletzung vielleicht wieder mitwirken kann. Nein, Skibbe baut auf die naturgegebene (Stimm-)Kraft des so genannten zwölften Mannes auf den Tribünen. Ist das nicht selbstverständlich, wenn eine Mannschaft daheim gegen die Münchner antritt? An allen möglichen anderen Orten vielleicht, sogar in Bielefeld oder Bochum, nicht aber in Leverkusen. Dort vermittelt die Atmosphäre bei Fußballspielen oftmals das Fluidum einer Betriebsversammlung der Konzernbelegschaft.


    Dieses Mal aber will Skibbe mehr Begeisterung entfachen und erleben. Er ist nicht gerade ein Trainer vom Typ Volkstribun, aber nun versucht er alle Stadionsbesucher zu motivieren, fast so, als wäre er einer dieser Fußball-Verkäufer wie Daum oder Toppmöller, die zur Zeit der großen Geldverbrennung in Leverkusen gewirkt hatten. „Zwölf gegen elf bis zur letzten Sekunde, bitte“, fleht er, „dann haben wir eine gute Chance.“ Dieses Überzahlspiel habe sich die Mannschaft als Bundesliga-Zweiter verdient, sagt Skibbe und fügt fast beiläufig hinzu, er wolle sich selbst und Sergej Barbarez „mit einschließen.“


    Der Trainer und der alternde Mittelfeldstratege, der zuletzt Schneider passabel vertrat, können das Publikum durchaus in Wallung bringen – wenn es schlecht läuft. So wie noch am Anfang der Saison, als Bayer sich vom FC St. Pauli aus dem DFB-Pokal werfen ließ und in den ersten beiden Ligaspielen ohne Torerfolg blieb.


    Die Mannschaft wusste sich zu steigern, vor allem in der Defensive hat sich ein gediegenes Maß an Widerstandskraft entwickelt, wie man es von Spitzenmannschaften kennt. In sieben Bundesligapartien ließ Bayer erst drei Treffer zu: ein Freistoßtor und zwei Elfmeter. Wenn ein Sicherheitssystem erst einmal funktioniert, entwickelt sich auch noch eine Eigendynamik im positiven Sinn, und es lassen sich sogar Angriffe abwehren, die vor einer Weile alles lahmgelegt hätten. Beim 2:1 vorgestern in Nürnberg schlug Innenverteidiger Haggui den Ball gerade in letzter Sekunde von der Torlinie. „Der wäre letzte Saison hundertprozentig ins Tor gesprungen“, sagt Skibbe. Weiter vorne beginnt Nationalstürmer Stefan Kießling zu halten, was der Klub sich schon vor einem Jahr von ihm versprochen hatte. Theofanis Gekas der Schützenkönig der vergangenen Saison, braucht nach seinem Wechsel aus Bochum zwar noch Zeit sich einzuleben, hat aber immerhin drei Tore erzielt.


    Der Umbruch, in diesem Sommer eingeleitet, ist gut angelaufen. Aber die Bayern, nicht nur beim 5:0 am Mittwoch gegen Cottbus der reale Bundesligatraum, sind noch nicht das Maß, an dem Skibbe sich messen lassen will. Das sei mittelfristig zwar das Ziel, „aber die erste Halbzeit in Nürnberg hat gezeigt, dass wir noch kein Spitzenteam sind“. Die Bayern indes hätten „eine Klassemannschaft mit lauter hervorragenden Einzelspielern“. Deshalb brauche Leverkusen so dringend den zwölften Mann.


    Und was geschieht, wenn es doch zum konventionellen Vergleich elf gegen elf kommt? Spätestens diese Frage hat Skibbes kleine Träumerei beendet. „Elf gegen elf“, sagt er, „wird verdammt schwer.“


    M. RECHENMACHER | LEVERKUSEN


    Handelsblatt

    Im Übrigen bin ich der Meinung, daß wir Meister werden !!! -Irgendwann