Harmlos zurück ins Mittelmaß

  • Harmlos zurück ins Mittelmaß
    VON STEPHAN KLEMM, 08.10.07, 20:06h


    Frankfurt - Schon seit Wochen erreicht Albert Streit immer dieselbe Ansage von demselben Spieler vor einem Freistoß. „Immer brüllt der Kyrgiakos dann: »Zu mir«. Der geht mir damit manchmal ganz schön auf den Sack“, sagt Streit und meint damit den ballgierigen griechischen Innenverteidiger Sortirios Kyrgiakos, der bei jeder Standardsituation im gegnerischen Strafraum auftaucht. Streit und Kyrgiakos spielen für Eintracht Frankfurt, am Sonntag hat der Flankengeber seinen Adressaten zweimal verwöhnt, die Folge: zwei Gegentore für Bayer 04 Leverkusen, das selbst nur ein Tor erzielt hat und deshalb zum zweiten Mal in Folge in der Bundesliga verloren hat. Die vor zehn Tagen noch sehr gute Ausgangsposition - Leverkusen rangierte damals auf Rang zwei - ist nun fürs Erste dahin, Bayer 04 ist zurück im Mittelfeld der Tabelle.


    Nach dem Spiel haben die Bayer-Verantwortlichen sich zu einer sehr emotionalen Diskussion hinreißen lassen. Sie fühlten sich verschaukelt, weil sie der Meinung waren, dass der Freistoß, der dem 1:2 vorausging, niemals hätte gegeben werden dürfen. Streit und sein Leverkusener Gegenspieler Vratislav Gresko lieferten sich ein harmloses Duell in Höhe der Eckfahne, Gresko zupfte allerdings am Trikot des Frankfurters, und das bewirkt nun einmal einen Impuls zum Pfeifen. Und unabhängig von der Tatsache, dass Kyrgiakos vor seinem zweiten Treffer seinen Gegenspieler Karim Haggui auch noch weggeschubst hat - solche Gegentore fallen immer mal wieder, sich aufregen ist darauf keine professionelle Antwort. Das sieht mit dem Abstand einer Nacht auch Manager Michael Reschke so, er sagt: „Wir hätten ja auch noch ein zweites Tor machen können. Aber wir sind bisher einfach zu harmlos.“ Reschke untermauert seine Meinung mit statistischem Material.


    Auf Rang zwei der aktuellen Torchancen-Tabelle rangiert Bayer 04 mit 78 Möglichkeiten, Erster ist Bayern München mit 86. Doch während der Rekordmeister diesen Wert zu 25 Treffern genutzt hat, schaffte Leverkusen gerade mal zwölf Tore. „Uns fehlt die Kaltschnäuzigkeit vor dem Tor, die Ruhe“, sagt Reschke. In Frankfurt fehlte zudem der am Knie verletzte Torjäger Theofanis Gekas. Stefan Kießling, zuletzt regelmäßiger Torschütze, wirkte in Frankfurt nach den vielen Spielen zuletzt zum Ende hin kraftlos.


    Nach wie vor jedoch besitzt Leverkusen die zweitbeste Abwehr der Liga, trotz der beiden Gegentreffer in Frankfurt musste man erst sechs Tore hinnehmen. Am Sonntag debütierte dabei erstmals der Ex-Kölner Lukas Sinkiewicz in der Startelf und hinterließ dabei im Abwehrzentrum einen starken Eindruck. Im Spiel selbst überzeugte er, und es war Sinkiewicz, der sich kurz vor Schluss die allergrößte Chance zum Ausgleich mit einem Kraftakt erkämpft hat - allerdings traf er nicht zum 2:2. Zuvor hatte er auch schon den zwischenzeitlichen Ausgleich bewirkt, als er den Frankfurter Marco Russ im Anschluss an eine Ecke so geschickt behinderte, dass der ein Eigentor erzielte. Sinkiewicz war nach dem Spiel niedergeschlagen: „Ich verliere nicht gerne.“ Zu hören war seine Stimme kaum noch, er hat sich heiser geschrien. Die Niederlage empfand er als „absolut unnötig, und sie ist sehr ärgerlich“.


    Wie es nun konkret mit ihm weitergeht, weiß er noch nicht. Sinkiewicz war einer der Verlierer der Vorbereitung. Eigentlich war er an der Seite von Haggui fest in der Innenverteidigung gesetzt, dann aber verletzte er sich und wurde von Manuel Friedrich überzeugend vertreten. Friedrich jedoch wirkt derzeit überspielt. Und genau so stellt sich Reschke das ja auch vor: „Unser Kader ist nun auch in der Tiefe sehr stark besetzt. Jetzt können wir endlich mal rochieren.“ Zum Beispiel in der Innenverteidigung.


    ksta