Vorzüge
VON KARLHEINZ WAGNER
Sein fußballerisches Meisterstück hat - nur damit das nicht vergessen wird - Carsten Ramelow am 30. Juni 2002 abgelegt. Teamchef Völler und Bundestrainer Skibbe hatten sich für das WM-Finale gegen Brasilien einen gefühlt halbwegs offensiven Spielplan zurechtgelegt, der darauf basierte, dass die Verteidiger Ramelow und Linke die Überfall-Angriffe der gegnerischen Stürmer - Rivaldo, Ronaldo und Ronaldinho immerhin - auch ohne weitere Hilfe stoppen würden. „Duellen, die jeweils auf einer Rasierklinge stattzufinden schienen,“ schrieb diese Zeitung damals, „und die von den Deutschen auf wundersame Weise beinahe ausnahmslos gewonnen wurden.“ Ramelow hat toll gespielt damals.
Das wird zurzeit gerne vergessen, als auf den blassblonden Defensivmann mit einer Wucht eingehackt wurde, die etwas erstaunt: Ja, Ramelow war schlecht beim 1:5 der Nationalmannschaft in Rumänien. So wie alle anderen auch. Ramelow hat auf einer Position gespielt, die er auf höchstem Niveau nicht spielen kann: Für einen Manndecker in einer Defensivkette ist er nicht schnell genug, technisch nicht versiert genug und vor allem - nicht ausgebildet. Seine Vorzüge sind sein Stellungsspiel, mit dem er seine Temposchwächen kompensiert und seine Fähigkeit zur unbedingten Disziplin.
Wer kann, möge bitte einen Besseren auf dieser Position zwischen Verteidigung und Mittelfeld nennen. Kehl? Jeremies? Ach komm. Und Hamann wird woanders gebraucht.
Ramelow spielt nicht seine stärkste Saison. Und die Ablehnung, die ihm medial entgegen wütet, dürfte seine Unlust verstärkt haben, sich dem Stahlbad eines weiteren großen Turniers zu stellen. Man kann das akzeptieren, ohne in Tränen auszubrechen. Aber nein, eine gute Nachricht ist das nicht.
quelle: KSTA