Verdorbener Abend

  • Moskau - Es war schon tiefe Nacht, draußen schneite es leicht, und auf dem Vorfeld des Moskauer Flughafens Wnukowo I wartete surrend ein Jet darauf, nach Westen abheben zu dürfen. Im Innern des von Bayer 04 Leverkusen gecharterten Flugzeugs saß eine allenfalls halbzufriedene Reisegesellschaft, nach dem Leverkusener 1:2 gegen Spartak Moskau war die Stimmung nicht gerade ausgelassen. Allerdings hatte die Niederlage auch ihr Gutes: Nach mehr als einer Stunde Wartezeit auf dem zu dieser späten Stunde ebenso menschenleeren wie verkehrsfreien Flughafen durfte die Maschine tatsächlich nach Köln abheben. Bei einem Sieg über Spartak hätten sich die russischen Behörden wohl noch mehr Zeit gelassen mit ihrem Okay.


    Es gab also auch so etwas wie Beruhigung darüber, gleich nach dem Spiel in die Heimat abfliegen zu dürfen, „es war schon ziemlich kalt. Wir sind froh, dass wir jetzt nach Hause können“, sagte Stefan Kießling. Der Offensivspieler hatte seine ganz persönlichen Schwierigkeiten, Frieden zu schließen mit diesem Fußballabend. Bei den vorausgegangenen drei Uefa-Cup-Auftritten der Leverkusener in dieser Saison hatte Kießling vier Tore erzielt, darunter so wichtige wie das 2:2 in Leiria oder den 1:0-Siegtreffer daheim gegen Toulouse. Am Donnerstagabend aber hatte der 23-Jährige alles verdorben.


    Dass Offensivspieler nichts im eigenen Strafraum verloren haben, ist eine Weisheit aus den frühen Tagen des Fußballs. Natürlich musste Kießling seinem Gegenspieler in der 63. Minute bis tief in die eigene Hälfte folgen, allerdings attackierte er Torbinski derart ungestüm, dass Schiedsrichter Jakobsson aus Island nicht umhin kam, auf Strafstoß zu entscheiden - exakt in jener Drangphase der Moskauer, die Bayer 04 hätte überstehen müssen, um tatsächlich einen Punkt mit nach Hause nehmen zu können. Weil aber Pawljutschenko den Foulelfmeter verwandelte und Leverkusen insgesamt „die Durchschlagskraft in der Offensive fehlte“, wie Trainer Michael Skibbe später anmerkte, war nach Mozarts 0:2 durch einen weiteren Foulelfmeter nichts Weiteres möglich als Freiers Anschlusstreffer in der Nachspielzeit. „Es tut mir leid für die Mannschaft“, entschuldigte sich Kießling hinterher, „da bin ich zu ungestüm hingegangen.“


    Dabei hatten die Leverkusener einen unerwartet guten Zugang in die Partie gefunden. Im bitterkalten Luschniki-Stadion fand sich Bayer mit Wetter, Kunstrasen und Gegner hervorragend zurecht, eine Halbzeit lang ließ die Mannschaft von Michael Skibbe den Ball zirkulieren, nahm das Tempo aus dem Spiel, ließ die Uhr herunterlaufen. „Wir haben das Spiel in der zweiten Halbzeit verloren“, sagte Kießling hinterher. Darin lag die eigentliche Enttäuschung: Eine Partie zu verlieren, in der man von Beginn an keine Chance hat, ist keine große Sache. Aber der Leverkusener Auftritt in Moskau hatte eine andere Qualität. Von einer „vertanen Chance“ sprach Skibbe hinterher - zu Recht, denn nach der Pause hatte sein Team aus dem Nichts die Präzision im Passspiel verloren, das Führen von Zweikämpfen aufgegeben, das Spiel damit hergeschenkt. „Es war absolut unnötig, so unter Druck zu geraten“, befand Skibbe.


    In der Leverkusener Gruppe E ist damit wieder alles offen. „Wir stehen jetzt gegen Prag unter großem Druck“, sagte Skibbe. Ein Sieg gegen Sparta Prag sei nun Pflicht, wobei sich gegen den Tschechischen Meister nicht alles entscheiden wird. „Denn wenn es darauf ankommt, dann können wir auch am letzten Spieltag beim FC Zürich noch etwas holen.“


    Bereits am Sonntag steht für Bayer 04 das nächste Spiel in der Bundesliga an, beim VfL Wolfsburg wollen sich die Leverkusener nach dem 4:0 über Bielefeld vom vergangenen Samstag weiter im oberen Drittel der Tabelle etablieren. In der Spitze wird wohl auch wieder der in Moskau auf ganzer Linie enttäuschende Theofanis Gekas in der Startaufstellung stehen. „Er weiß selbst, dass er derzeit nicht gut spielt“, sagte Sportchef Rudi Völler Donnerstagnacht in Moskau. „Ich bin aber überzeugt, dass er noch einige Tore für uns erzielen wird.“


    Wolfsburg: Jentzsch - Riether, Simunek, Costa, Schäfer - Josué, Gentner - Dejagah, Marcelinho, Krzynowek - Grafite. - Bay er04 : Adler - Castro, Friedrich, Haggui, Sarpei - Vidal, Rolfes - Kießling, Barbarez, Barnetta - Gekas. - Schiedsrichter : Fandel (Kyllburg).



    Quelle:ksta.de