Völler: "Schlimmste Magenkrämpfe"
Angriff auf Bierhoff
Ein unterschiedliches Echo löste die von Bundestrainer Joachim Löw (47) geäußerte Idee eines runden Tisches aus. Viel Pro, aber auch Kritik - an Manager Oliver Bierhoff und dem Zehn-Punkte-Plan.
Ich möchte Oliver Bierhoff zu etwas mehr Demut raten", sagt Rudi Völler, "zu größerer Zurückhaltung." Der Ex-Bundestrainer zählt zu den Liga-Repräsentanten, bei denen der von den Verantwortlichen für die Nationalelf gestartete Vorstoß, einen runden Tisch mit den Klubtrainern nach dem Europapokal-Debakel anzuregen, für Unverständnis und Verdruss gesorgt hat.
Vor allem das dauernde Gerede von einer einheitlichen Spielphilosophie geht dem Sportdirektor aus Leverkusen auf die Nerven. Bei allem Lob für die Arbeit beim DFB ("Löw und seine Mannschaft haben das fortgesetzt, was Jürgen Klinsmann begonnen hat") wettert Völler: "Ich habe den Eindruck, dass da nur noch von Philosophien geredet wird. Die Spielphilosophie von heute ist zuallererst ein Produkt der hervorragenden Jugendarbeit in den Vereinen." Und Völler, unter dem Nationalelf-Manager Oliver Bierhoff (39) 2002 eine durchwachsene WM gespielt hat, formuliert gegenüber dem kicker weiter: "Mit Spielern, die Klubs wie Köln, Bayern München, Stuttgart, Bremen oder Bayer Leverkusen ausgebildet haben, kannst du diese Philosophie umsetzen. Die Philosophie für den Spieler Oliver Bierhoff, die musste noch erfunden werden. Brasilianische Spielweise einfordern mit Füßen aus Malta, das geht eben nicht."
Wie im September 2003 nach dem 0:0 auf Island, bei seinem legendären Wutausbruch im Interview mit Waldemar Hartmann, redet sich Publikumsliebling Völler in Rage: "Oliver Bierhoff sollte sich in den nächsten Tagen bei Dr. Müller-Wohlfahrt untersuchen lassen. Das permanente Sich-selbst-auf-die-Schulter-Klopfen muss doch schmerzhafte Schädigungen nach sich ziehen." Ihm, so sagt Rudi, verschaffe dieses Verhalten jedenfalls "schlimmste Magenkrämpfe."
Völler ist kein Einzelfall. Auch andere Liga-Vertreter äußern sich kritisch zu Bierhoffs Initiative sowie der Kritik an mangelnder Ursachenforschung und weitgehender Konzeptlosigkeit der Klubs, von Bundestrainer Löw in einem kicker-Interview (15.11.2007) artikuliert. "Jogi soll sich um die Nationalelf kümmern. Wir kümmern uns um die Vereine," rät brüsk Frankfurts Friedhelm Funkel.
Auf erheblichen Widerstand stößt das Vorgehen auch in Bremen, von einem Verbandsfunktionär als Negativ-Beispiel für oberflächliche Analyse gebrandmarkt. "Wenn jemand mit uns reden möchte, der sich für kompetent hält", sagt Trainer Thomas Schaaf, "unsere Nummer steht im Telefonbuch, er soll anrufen." Unterstützung erhält er von Manager Klaus Allofs. "Wir müssen uns keinen Vorwurf gefallen lassen, dass wir uns keine Gedanken machen und den Anforderungen nicht gerecht werden."
Die Bremer stört vor allem der Weg über die Öffentlichkeit. "Eine sinnlose Diskussion", meint Allofs. Einem runden Tisch steht er skeptisch gegenüber, "wenn nur Dinge nochmals thematisiert werden, die schon besprochen worden sind."
Ob der angesprochene, vor elf Monaten verabschiedete Zehn-Punkte-Plan, mit dem das Kompetenzteam um Bierhoff den DFB reformieren möchte, auf die Klub-arbeit zu übertragen ist, wird von einigen Klubvertretern angezweifelt, zu denen auch Duisburgs Rudi Bommer ("Ich sehe keine Notwendigkeit für einen runden Tisch.") zählt. Selbst Hannovers Dieter Hecking, ein Befürworter der Löw-Ideen, verweist ebenso wie Allofs auf die unterschiedlichen Rahmenbedingungen: "Nicht jeder hat die gleichen Ansätze wie Jogi Löw, nicht jeder hat in seinem Klub die Möglichkeiten wie der Bundestrainer."
Doch Löw erntete auch Beifall für seinen Vorschlag. Bei einer kicker-Umfrage sprachen sich einige Bundesliga-Trainer dafür aus. Für Ottmar Hitzfeld ist dies "der richtige Ansatz". Und Thomas Doll meint: "Jeder Austausch bringt uns weiter." Hans Meyer will es nur machen, "wenn es konkrete Ergebnisse gibt".
Frank Lussem, Hans-Günter Klemm
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