Nach zehn Wochen Pause steht Leverkusens Mittelfeldspieler Bernd Schneider in Berlin nun vor seinem Comeback
Bernd Schneider war auf Entzug. Es gibt nämlich kaum einen anderen Akteur in der Bundesliga, der so abhängig ist von seiner täglichen Dosis Ball wie der Mittelfeldspieler von Bayer Leverkusen. Als ballverliebt bezeichnet er sich selbst, und einmal, als ihm die Winterpause zu lange wurde, da kickte er im Urlaub täglich unerkannt mit verblüfften englischen Hotelgästen, die sich verwundert die Augen rieben, angesichts der Künste des fremden Deutschen.
Für so einen sind Verletzungen besonders schlimm. Schneider hat wegen einer Außenbanddehnung im Knie gerade die längste Zwangspause seiner Karriere hinter sich. Zehn Wochen fehlte er Leverkusen und der Nationalelf. Zwar hätte er auch schon früher wieder spielen können, "aber ich wollte nichts riskieren", sagt er im Hinblick auf die EM 2008. Schnix, wie ihn die Kollegen nennen, träumt davon, in der Schweiz und Österreich endlich seinen ersten Titel zu gewinnen.
Es wäre ja ein kleines Drama, wenn dieser fantastische Fußballer seine Karriere ohne bedeutende Trophäe beenden müsste, viel Zeit bleibt dem 34-Jährigen aber nicht mehr. Im Sommer 2009 läuft sein Vertrag aus, und dann möchte er gerne in seine Heimatstadt Jena zurückkehren. Auch nach vielen Jahren leben dort seine besten Freunde und die engsten Familienangehörigen. Außerdem befindet sich in Jena der Klub seines Herzens. "Ich habe Carl-Zeiss viel zu verdanken, und vielleicht kann ich mithelfen, dass die irgendwann noch mal an der ersten Liga schnuppern", sagt er. Entweder als Spieler, oder in irgendeiner anderen Funktion im Klub.
Jetzt geht es aber zunächst um Leverkusen. Am Sonnabend im Duell mit Hertha BSC wird Schneider wahrscheinlich sein Comeback geben. "Ich konnte die ganze Woche ohne Beschwerden durchtrainieren", sagt er, ob es aber für die Startelf reicht, ist ungewiss. Trainer Michael Skibbe mochte diese Frage vorerst nicht beantworten, wohl auch, weil sie einen sensiblen Punkt im Leverkusener Gefüge berührt.
Sergej Barbarez hat Schneider nämlich bestens vertreten, Skibbe bezeichnete den Bosnier jüngst gar als "Kopf der Mannschaft". Zuletzt avancierte der lange umstrittene Altmeister zum Publikumsliebling. Jetzt droht ihm wieder die Bank. Denn eine Grundformation mit Barbarez und Schneider gehört nicht zu den von Skibbe favorisierten Varianten. Erst recht nicht in einem Auswärtsspiel. "Das ist schon oft schief gegangen", sagt Skibbe, im laufenden Spieljahr musste daher stets einer der beiden zusehen.
Das Gegenargument ist, dass die Mannschaft in den vergangenen Wochen "ihren nächsten Schritt gemacht" habe, wie Manager Michael Reschke erläutert. Sie ist gereift und wäre wohl weniger anfällig, für das fehlerhafte Defensivverhalten, das sich bisweilen einschlich, wenn Barbarez und Schneider gemeinsam spielten. Leute wie Stefan Kießling, Gonzalo Castro oder Karim Haggui haben Konstanz hinzugewonnen und Zugänge wie Manuel Friedrich sorgen für Stabilität. "Letzte Saison musste der Bernd viele Spiele alleine retten", meint Simon Rolfes, jetzt sei das ganze Team in der Lage richtig anzupacken.
Es ist eine Entwicklung, die genau so geplant war. Mittelfristig wollen sie mehr erreichen als die Uefa-Cup-Teilnahme. "Unser Weg muss nach oben führen", sagt Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser, "das heißt, den Punkteabstand zur Spitze weiter verringern und im internationalen Geschäft Dauergast sein." Schneider soll diesen Prozess noch möglichst lange begleiten. Vor allem, um den Leuten in den Arenen dieser Welt seine große Spielkunst darbieten zu können.
Berliner Zeitung, 01.12.2007