Lust am Gemisch der Generationen / Einzelkritik

  • VON STEPHAN KLEMM, 03.12.07, 11:23h, AKTUALISIERT 03.12.07, 17:11h


    Berlin - In Leverkusen dreht sich in dieser Saison viel um das schlichte Wort Reife. Das soll etwas sein, was vielen im Kader von Bayer 04 noch fehlt, weshalb es immer noch einige gibt, die genügend davon besitzen. Der Klub ist gerade dabei, sich zu erneuern, er setzt vornehmlich auf junge Spieler im Tor, in der Abwehr, im Mittelfeld und im Sturm, er hat in die Zukunft investiert. Doch ein bisschen Vorsicht war bei der Teamplanung im Sinne der Vernunft dann doch noch dabei, am Samstag zum Beispiel baute Trainer Michael Skibbe den lange verletzten Kapitän Carsten Ramelow (33) in seine Startelf ein, der dort vor allem Sergej Barbarez (35) bestaunen konnte. Beide spielten am Samstag bei Hertha BSC Berlin die Hauptrolle, schossen Tore, zerstörten Angriffe und glänzten im Spielaufbau. Am Ende stand es 3:0, es war der vierte Leverkusener Erfolg in Serie, das Generationengemisch ist nun Vierter der Tabelle.


    Carsten Ramelow mag ein erfahrener Spieler sein, in seiner Heimatstadt spielte er zum 337. Mal in der Bundesliga, doch über seinen wuchtigen, genau passenden Weitschuss zum 1:0 freut er sich wie ein Novize. Die Augen leuchten und die Arme gestikulieren, als er sagt: „Ich treffe den Ball genauso, wie es sein soll. Und dann das Schönste: Ich sehe die Flugkurve und spüre sofort, der geht rein. Das war so richtig geil.“ Gleich nach dem Ausflug in die Schwärmerei kehrt er in die Nachdenklichkeit zurück, er sagt: „Das war vielleicht mein letztes Spiel im Olympiastadion.“ Er weiß immer noch nicht, was aus ihm in der kommenden Saison wird, sein Vertrag läuft aus, ein neues Angebot gibt es nicht. „Ein bis zwei Jahre“ will er aber noch spielen, „zur Not eben woanders, wo auch immer“. Einstweilen ist er aber erst mal nach fast dreimonatiger Verletzungspause im Anschluss an eine Außenmeniskus-Verletzung zurückgekehrt; und zwar auf seine Stammposition im defensiven Mittelfeld, die frei wurde, weil sich sein potenzieller Nachfolger Arturo Vidal (20) einen Bänderriss im rechten Knöchel zugezogen hat. Und so macht Ramelow auch ein bisschen Werbung für sich: „Ich habe nie aufgegeben, so bin ich, das weiß der Verein auch.“


    Werbung in eigener Sache betreibt nun schon seit einigen Wochen Sergej Barbarez, und zwar mit Taten. In Berlin leitete er das 2:0 mit Paul Freier ein, dessen Pass der junge Tranquillo Barnetta (22) ins Tor lenkte. Das 3:0 erzielte Barbarez mit einem Volleyschuss kurz vor Schluss selbst. Und jetzt? Neuer Vertrag? „Keine Ahnung, mit mir hat noch niemand geredet“, antwortet Barbarez. Außerdem muss er noch abwarten, was demnächst „meine Hüfte und meine Knie sagen“. Aber klar ist: „Ich bin Vollblutfußballer und möchte das auch noch in der nächsten Saison zeigen.“ Das wird Bernd Schneider (34) demnächst gewiss wieder tun, am Samstag feierte er spät im Spiel sein Comeback nach fast zehn Wochen. Eingeführt hat er sich mit dem Pass zum 3:0.


    Skibbe soll die Verjüngung des Teams leiten, doch auch er sagt: „So einfach geht das nicht: ältere Spieler raus, jüngere rein. Solange ich aber Spieler wie Schneider, Ramelow und Barbarez habe, kann man den Umbruch einleiten. Sie alle können ein Spiel lenken, sie können Kommandos geben.“ Daraus folgt: Sie alle werden gebraucht. Immer noch. Oder jetzt erst recht.


    Und so verkam ein Fehler von Schiedsrichter Thorsten Kinhöfer zur Randnotiz. Er hatte Berlin den Anschlusstreffer zum 1:2 abgepfiffen, weil er zuvor ein Foul gesehen hatte („das war ein Riesenfehler“). Allerdings spielte Berlin zu schlecht und Leverkusen zu gut, als dass danach womöglich noch mal Spannung aufgekommen wäre.

    http://www.ksta.de/jks/artikel.jsp?id=1196663747399



    Einzelkritik


    ERSTELLT 02.12.07, 20:58h


    René Adler durchschnittlich
    Bei den wenigen Berliner Vorstößen aufmerksam.


    Gonzalo Castro durchschnittlich
    Sicher auf der rechten Defensivseite, wo er kaum gefordert wurde.


    Manuel Friedrich stark
    Souverän und überlegen, antizipierte vorbildlich und spielte immer fehlerfrei nach vorne.


    Karim Haggui durchschnittlich
    Sicher und robust, beweist seine Wichtigkeit für diese Mannschaft.


    Hans Sarpei durchschnittlich
    Fiel einmal mit einem Hackentrick an der Außenlinie auf; kann problemlos eingesetzt werden.


    C. Ramelow durchschnittlich
    Brauchte lange, um ins Spiel zu finden, nach seinem Tor mit weniger Fehlern, aber natürlich auch noch mit Steigerungspotenzial.


    Simon Rolfes stark
    Spielt auf hohem Niveau, das sich in perfekten Zuspielen per Lupfer oder aber auch mit großartigem Einsatz zeigt.


    Paul Freier stark
    Drehte in der zweiten Halbzeit auf, perfekte Vorarbeit zum 2:0.


    Sergej Barbarez überragend
    Der Bosnier ist in Top-Form, er spielt Pässe mit Grandezza, er dirigiert mit Eleganz und trifft.


    T. Barnetta durchschnittlich
    Ein Tor, ansonsten viel Leerlauf.


    Stefan Kießling durchschnittlich
    Unglaubliches Laufpensum, das auch dafür sorgt, das etwa Barbarez glänzen kann.

    http://www.ksta.de/jks/artikel.jsp?id=1195816867605