Fankurve
In Leverkusen läuft es. Vier Siege in Folge in der Bundesliga haben Bayer auf den vierten Platz in der Bundesliga-Tabelle gebracht. Am Donnerstag empfängt die Elf von Trainer Michael Skibbe Sparta Prag (hier live). WELT ONLINE hat sich vor dem Uefa-Cup-Spiel in der Fankurve umgehört.
Dirk Burkhardt entdeckte während des Studiums seine Leidenschaft für Bayer Leverkusen. Der 35-Jährige wurde von Freunden, die schon vorher Leverkusen-Fans waren, in die BayArena mitgenommen. Der letzte Auslöser, um das Feuer für die Werkself zu entfachen, war für Burkhardt das 1:1-Unentschieden gegen Kaiserslautern am letzten Spieltag der Saison 1995/96, mit dem der Abstieg vermieden wurde. Seit dem hat der 35-Jährige eine Dauerkarte und gehört dem Fanklub "Die Unbelehrbaren" an.
WELT ONLINE: Zu Saisonbeginn lief es nicht nach Wunsch in Leverkusen, aber langsam hat sich die Mannschaft gefunden. Zuletzt gab es in der Bundesliga vier Siege in Folge. Woran liegt es, dass es jetzt läuft?
Dirk Burkhardt: Ich glaube, dass es die Kontinuität ist. Es ist das gleiche Personal wie zu Beginn. Am Anfang war es aber wie immer: Bayer spielte ganz nett, trafen aber das Tor nicht. Da wurde dann aber gesagt, Geduld, Geduld. Und die hat sich gelohnt. Jetzt greift ein Rädchen ins andere. Bayer hat den drittbesten Sturm und die zweitbeste Abwehr. Es ist eine richtig gute Mannschaft, die zusammen funktioniert. Das zeigte sich in den letzten Spielen. Es klappt in der Defensive, und vorn treffen sie. Der entscheidende Unterschied ist: Sie treffen wieder.
WELT ONLINE: Fallen die Tore auch am Donnerstag gegen Sparta Prag?
Burkhardt: Internationale Spiele sind natürlich immer etwas Anderes. In der BayArena ist man es mittlerweile gewohnt, dass sich die Gäste immer tief hinten reinstellen. Da reicht dann schon manchmal ein Konter, um doof auszusehen. Aber ich denke schon das sie es gegen Sparta packen. Der Lauf ist gut genug, dass es für ein 3:1 reichen kann.
WELT ONLINE: Einer der mittlerweile auch einen Lauf hat, aber am Anfang gar nicht von den Fans geliebt wurde, ist Sergej Barbarez. Da hat sich die Meinung der Fans gewandelt.
Burkhardt: Absolut! Es war so, dass er der Buhmann für schlechte Spiele war. Er macht jetzt eigentlich nicht viel anders, aber es läuft, und er trifft. Schwierig zu sagen, woran es liegt, aber er ist zurzeit ganz klar die prägende Figur. Vielleicht hat er auch davon profitiert, dass Bernd Schneider nicht dabei war und er ein bisschen mehr machen konnte, was er wollte. Das tut ihm sichtlich gut, wenn er alle Freiheiten hat, schöne Pässchen spielen kann und nicht nur dem Ball im Sturm hinterher rennen muss. Das mag er eben nicht so gern.
WELT ONLINE: Vom Hassspieler zur Identifikationsfigur?
Burkhardt: Für die aktuelle Phase auf jeden Fall. Ich denke, wenn er das so durchzieht, bekommt er auch noch einen neuen Vertrag, und es ist sicherlich auch so, dass er dann im Fangedächtnis einen besonderen Platz einnehmen wird, gerade auch wenn diese Saison so erfolgreich weiter läuft.
WELT ONLINE: Jetzt kommt Bernd Schneider zurück, kann sich das dann wieder drehen?
Burkhardt: Im letzten Spiel hat er schon ein paar Minuten gespielt und gleich wieder für ein Barbarez-Tor aufgelegt. Da haben sie sich noch nicht so viel auf den Füßen gestanden. Die Frage ist nun, wie viel Routine die Mannschaft verträgt. Eine der Bayer-Stärken ist, dass sich Routine und jugendlicher Elan gegeneinander aufwiegen. Jetzt sind Schneider und Carsten Ramelow wieder da und dazu noch Barbarez. Ich bin mir nicht sicher, ob das dem Mittelfeld und dem Spiel nach vorne auf Dauer zuträglich ist, oder ob es wieder Verschleißerscheinungen gibt.
WELT ONLINE: Die Alten kommen zurück und verdrängen die Jungen. Bringt das Unzufriedenheit?
Burkhardt: Das ist in Leverkusen nicht der Fall. Das ist eigentlich nie einer dabei, der aufmuckt. Es ist zurzeit so, dass die Jüngeren das Bayer-Spiel mitprägen und die Alten ab und zu die entscheidende Impulse geben. In den nächsten ein, zwei Wochen und bei so einem Spiel wie zum Hinrundenabschluss in Bremen wird sich zeigen, wie viele Routniers das Team verträgt.
WELT ONLINE: Da ist auch der Trainer Michael Skibbe gefragt.
Burkhardt: Klar. Aber auch bei ihm scheint sich zu zeigen, dass er Zeit brauchte, um mit Nachwuchskräften zu arbeiten. Und er scheint das Ganze geschickt zu lenken. Er ist wohl jemand, der die richtigen Worte für die Alten und die jungen Hüpfer findet.
WELT ONLINE: Und wie denken die Fans über Skibbe, der ja nicht gerade zu den charismatischen Trainer zählt?
Burkhardt: Das ist richtig. Er ist ein moderner Trainer, der absolut medienerfahren ist, immer freundlich, zuvorkommend, rastet nie aus und trifft meist die richtige Tonlage. Er wird natürlich nie so ins Herz geschlossen wie ein Klaus Toppmöller oder ein Christoph Daum, die aber auch Hochzeiten mit Bayer erlebt haben. Aber er ist akzeptiert, weil man sieht, was er tut, kann zu einem guten Ergebnis führen.
WELT ONLINE: Das Charisma bringt dafür der Sportdirektor mit.
Burkhardt: Ja, der greift dann immer ein, wenn es wichtig ist, wenn gepoltert werden muss oder einer in der Mannschaft einen Tritt in den Hintern braucht. Dann ist Rudi Völler da und gibt die richtigen Impulse. Die beiden waren ja auch schon als Teamchef und Bundestrainer ein gut funktionierendes Gespann. Und in Leverkusen haben sie wohl ihr optimales Betätigungsfeld gefunden. Mit dem Duo kann es noch gut und weit nach vorne gehen für Bayer.
WELT ONLINE: Weit gekommen sind auch die Youngster Rene Adler und Stefan Kießling. Schaffen die beiden auch den Sprung in die Nationalmannschaft und zur EM?
Burkhardt: Vom Potenzial her ganz eindeutig. Wenn nach der EM der Schnitt bei der Torwartposition gemacht wird, und ich würde ihn radikal machen, dann müssten Manuel Neuer, Rene Adler und Michael Rensing kommen. Und da sehe ich Adler Kopf an Kopf mit Neuer im Kampf um die Nummer eins. Und bei Kießling glaube ich, dass er sich noch in den EM-Kader spielen wird. Man braucht immer einen Spieler, der mannschaftsdienlich ist, viel rackert. Das könnte eine Nominierung sein, die vielleicht überrascht, aber für die EM Sinn machen würde. Für Adler kommt die EM noch zu früh.
WELT ONLINE: Repräsentiert diese neue, junge Garde auch das frische Image bei Bayer Leverkusen?
Burkhardt: Früher war es so, da hat Bayer die besten Talente der Welt wie Emerson oder auch Jorginho gekauft, die auch teuer waren. Nun scheint das mehr mit Auge gemacht zu werden. Es wird mehr geguckt, wie die Neuen ins Team passen, ob sie ihre Aufgaben erfüllen. Was dabei rauskommt, ist zwar nicht mehr der begeisterten Hurra-Fußball wie in der Toppmöller- oder Daum-Ära ...
WELT ONLINE: ... aber in dieser Saison spielt Bayer attraktiven Fußball.
Burkhardt: Ja, aber ich finde früher war noch ein bisschen mehr Feuer drin. Das ist jetzt mehr Skibbes Handschrift. Es ist mehr Kalkül dabei. Es ist guter, technisch versierter Fußball, es sieht fantastisch aus, wenn der Ball läuft, aber es wirkt nicht so als würde das Fußballerherz brennen. Das Image ist ein anderes – jung und dynamisch. Ich glaube, es kann noch ganz weit noch oben führen.
WELT ONLINE: Der Wandel ist da. Der frühere Werksklub und Vizekusen gehören der Vergangenheit an. Sehen das die Fans auch so?
Burkhardt: Das ist so. Die Identifikation mit dem Klub ist größer geworden. Mittlerweile kokettiert der Verein auch mit Werkself und Pillendreher, wie die Kampagne am Saisonbeginn zeigte. Man hat erkannt, dass dies Potenzial beinhaltet und kein Makel ist. Und das kommt auch super an – vor allem bei den jüngeren Fans. Und wenn Leverkusen so weiter spielt, wird es auch kein Problem sein, ab 2009 die ausgebaute BayArena mit 30.000 Zuschauern zu füllen.
WELT ONLINE: Und wo geht es diese Saison noch hin?
Burkhardt: Ich glaube, Bayer Leverkusen kann in dieser Saison so sein wie der VfB Stuttgart in der vergangenen. Gegen Bayern, Stuttgart und Hamburg, die Teams die man oben erwartet, haben wir verloren. Jetzt müssen wir mal sehen, was in Bremen passiert. Aber wenn der Lauf beibehalten wird, ist Bayer für eine Überraschung gut. Wir wären schon glücklich, wenn es mal wieder zur Champions League reichen würde. Platz drei wäre super.