Wie ich es sehe, HEUTE: Christoph Daum
Training ohne Fans hat viele Vorteile
Aber maximal drei Tage die Woche
Öffentliches oder geheimes Training – plötzlich scheint das eine der wichtigsten Fragen im deutschen Fußball zu sein. Um es gleich vorwegzunehmen: Der Fan muss und soll auch in Zukunft die Nähe zum Spieler und zum Verein haben. Diese Tür muss offen bleiben. Aber eben nicht mehr so häufig wie jetzt noch.
Der Trend des zeitweiligen Abschottens wird sich auch in Deutschland durchsetzen. Und das ist auch gut so, denn es ist nachgewiesen, dass mit Training unter Ausschluss der Öffentlichkeit die Konzentration und Effektivität der Spieler erhöht wird.
Es ist doch so: Um Standardsituationen einzuüben oder Spielzüge zu trainieren, musst du gewisse Faktoren ausblenden. Ich kenne das aus eigener Erfahrung als Trainer: Da rufen Fans oder Zaungäste was rein, kommentieren bestimmte Aktionen, es klingeln Handys lautstark – der Lärmpegel ist enorm hoch beim öffentlichen Training. Hinzu kommen Wünsche für ein schnelles Autogramm, ein Foto und andere Ablenkungen.
Ohne Zuschauer kann ich als Trainer aber die Spieler viel härter kritisieren. Oder kann monotone Übungen wiederholen lassen, weil ich weiß: Ohne Fans sind die Spieler aufnahmefähiger.
Es ist selbstverständlich, dass in den meisten Arbeitsbereichen die Öffentlichkeit nicht zugelassen ist. Sogar in publikumsabhängigen Bereichen wie der Theater-, Musik- oder Medienbranche. Und stellen Sie sich mal vor, in einem OP-Saal, bei der Polizei oder in einer Großküche würde man über die Arbeitsabläufe öffentlich diskutieren. Das wäre undenkbar.
Deshalb müssen wir im Fußball eine gesunde Mischung zwischen Fannähe und gezielter Leistungssteigerung der Mannschaft finden. Den Ausspruch von Arsenal-Trainer Arsène Wenger, dass der Trainingsplatz für die Spieler und das Stadion für den Fan sei, halte ich aber bei uns nicht für praktikabel. Es muss weiter möglich sein, dass sich Spieler und Fans nahe stehen. Dass es zu Berührungen kommt.
Trotzdem müssen wir Trainer unpopuläre Entscheidungen im Sinne der Leistungssteigerung treffen dürfen. Und es ist klar, dass die Vorreiter zuerst heftig kritisiert und attackiert werden, bis sich die Vorteile als Erfolgsrezept durchgesetzt haben.
Deshalb mein Appell an die Fans: Seid offen für neue Ideen, erkennt die Chancen und seht nicht immer nur die Nachteile.
Ich will nicht, dass die Vereine alles zumachen für die Fans. Aber es müssen in der Woche – ich denke an bis zu drei Tage – Trainingseinheiten in absoluter Professionalität durchgeführt werden. Und dazu zählt, dass man die ohne Zuschauer abhält.
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