28.01.2008
Nur noch fünf Tage, dann hat das Warten ein Ende. Die Bundesliga geht wieder los. Deshalb biegt auch der Bundesliga-Check von sportal.de auf die Zielgerade ein. Bei Bayer Leverkusen ist nach der starken Vorrunde schon Euphorie ausgebrochen, doch die Vorbereitung offenbarte noch viele Baustellen.
Was bisher geschah
Bayer hatte im Sommer nach Jahren der Konsolidierung mal wieder richtig auf dem Transfermarkt zugeschlagen. Trainer Michael Skibbe und Sportdirektor Rudi Völler hatten insbesondere die Abwehr als Achillesferse ausgemacht und ordentlich in die Defensive investiert.
Mit Manuel Friedrich und Lukas Sinkiewicz kamen zwei Innenverteidiger, die auch in der Nationalmannschaft aktiv sind oder zumindest waren. Doch auch auf den Außen musste etwas getan werden, mit Hans Sarpei und Vratislav Gresko kamen zwei Alternativen hinzu. Zudem verpflichtete der Werksclub mit Arturo Vidal einen Allrounder für Mittelfeld und Abwehr, aus Bochum kam Torschützenkönig Theofanis Gekas.
Die Experten waren sich vor der Saison aber trotzdem einig, dass die Verstärkungen sinnvoll zwar waren, es für die Spitzengruppe der Bundesliga aber nicht reichen wird. Doch nach holprigem Start mit nur fünf Punkten aus den ersten vier Spielen fand sich das Team erstaunlich schnell und verkraftete auch den langen Ausfall von Bernd Schneider. Der Nationalspieler verletzte sich nach dem fünften Spieltag und kam insgesamt nur auf sechs Spiele.
Skibbe behielt aber die Ruhe und zog weiter sein bevorzugtes 4-2-3-1-System durch. Dabei schwang sich mit Sergej Barbarez ein fast schon Abgeschriebener zum großen Dirigenten auf. Der Bosnier erzielte vier Tore, gab drei Vorlagen und glänzte hinter der einzigen Spitze, die meist Gekas hieß.
An dem Griechen schieden sich allerdings häufig die Geister. Mit acht Treffern hat er einmal mehr getroffen als zum selben Zeitpunkt beim VfL Bochum in der vergangenen Saison, trotzdem musste sich Gekas viel Kritik gefallen lassen. Zum einen ließ er noch viele Großchancen liegen und hätte eine wesentlich bessere Bilanz haben können, zudem tauchte er den Bayer-Verantwortlichen zu oft ab, das Spiel lief an dem 27-Jährigen häufig vorbei.
Den Hebel endgültig umgelegt hatten die Leverkusener dann im November, nach fünf Siegen in Serie war sogar der Sprung auf die Champions-League-Plätze möglich, doch am 17. Spieltag erwischte es die Werkself erstmals wieder und dann auch gleich richtig: Das 2:5 bei Werder Bremen war ein herber Rückschlag, somit überwinterte Bayer auf Platz vier.
Insgesamt zeigte die Skibbe-Elf aber eine sehr gelungene Hinserie, Bayer stellte mit 32 Toren den zweitbesten Sturm und mit nur 16 Gegentreffern die drittbeste Abwehr der Liga. Auch im UEFA-Cup wusste Leverkusen zu überzeugen, mit dem Gruppensieg ging es in die nächste Runde, dort wartet mit Galatasary Istanbul allerdings ein schwerer Brocken. Im DFB-Pokal kam dagegen bereits in der ersten beim FC St. Pauli das Aus.
Einen Vorwurf müssen sich die Leverkusener im Alltagsgeschäft der Bundesliga in jedem Fall gefallen lassen. In den Spitzenspielen versagten regelmäßig die Nerven, gegen die Bayern, Werder, den HSV und Schalke wurde nur ein Punkt geholt.
Winteraktivitäten
Auf dem Transfermarkt hielt sich Bayer vornehm zurück, man entschied sich, nur zwei Talente auszuleihen, um für die nötige Spielpraxis zu sorgen. Michal Papadopulos, im Sturm nur sieben Mal kurz eingesetzt, versucht sein Glück nun für ein halbes Jahr in Cottbus. Mittelfeldspieler Ricardo Faty kam noch seltener zum Einsatz, der Franzose geht zum FC Nantes.
Dabei wäre ein weiterer Transfer für die Abwehr sicherlich sinnvoll gewesen. Am ersten Spieltag in Cottbus droht eine Viererkette, die in dieser Form in der Bundesliga noch nicht zusammen gespielt hat. Friedrich war lange verletzt und kämpft sich gerade zurück, Karim Haggui weilt wie Sarpei beim Afrika Cup, Sinkiewicz fällt verletzt aus und so könnte mit Jan-Ingwer Callsen-Bracker nur ein Innenverteidiger übrig bleiben.
Carsten Ramelow oder Vidal gelten als Alternativen für den Manndecker-Posten, auf Außen ist nur Gonzalo Castro gesetzt. Der defensiv zu schwache Gresko steht dort auf der Kippe, möglicherweise rücken der wieder genesene Pirmin Schwegler oder einer der Yougster Jens Hegeler oder Stefan Reinartz auf die rechte Seite.
Die derzeitigen Lücken in der Defensive wurden vor allem beim Wintercup in Düsseldorf deutlich, gegen Borussia Dortmund gab es in 45 Minuten fünf Gegentore, gegen Werder Bremen (1:2) sah es im zweiten Spiel nicht viel besser aus.
Die positivste Nachricht der Vorbereitung war die Rückkehr von Bernd Schneider. Der kreative Mittelfeldspieler hat seine Knieverletzung endgültig auskuriert und konnte in den letzten Testspielen bereits wieder auflaufen. Seine Leistungsfähigkeit bezifferte er im kicker scherzhaft bei 72,8 Prozent, körperlich fehlt nach der langen Pause in jedem Fall noch einiges.
Aber die Sorgenfalten wurden auch am letzten Wochenende vor dem Bundesliga-Start nicht kleiner. Gegen den rheinischen Rivalen vom 1. FC Köln gab es eine 1:3-Niederlage, somit konnte in fünf Tests nur gegen Greuther Fürth (4:2) gewonnen werden. Der Coach bemühte sich aber sofort, keine Panik aufkommen zu lassen. "Ich bin zufrieden mit der Vorbereitung", sagte er dem Express.
Trotzdem gibt es für Skibbe noch eine Menge zu tun, um den Werksclub wieder in Bestform zu bringen: Die Probleme in der Abwehr sind hausgemacht, Rückkehrer Friedrich braucht noch einige Wochen und auch Keeper René Adler fehlte in Teilen der Vorbereitung verletzt - die ersten Wochen werden defensiv holprig. Doch auch offensiv gibt es noch das eine oder andere Fragezeichen: Können Sergej Barbarez und Bernd Schneider auf Dauer harmonieren? Was wird aus Theofanis Gekas, wenn er mal ein paar Spiele lang nicht trifft?
Wunschtraum
Bei sechs Punkten Rückstand auf Bayern und Werder von der Meisterschaft zu träumen, wäre sicherlich etwas vermessen. Doch der HSV auf Platz drei ist schnell erreicht. Mit einem ähnlich guten Lauf wie in der Hinrunde ist die Königsklasse machbar. Schade nur, dass der Ausbau des Stadions nicht so schnell vonstatten geht, erst zur Saison 2009/10 wird die BayArena auf 31.500 Zuschauer aufgestockt. Nächstes Jahr werden deshalb die Spiele in der Rückrunde in der Düsseldorfer LTU-Arena ausgetragen. Das würde dann auch für die Champions League gelten: Leverkusen stürmt Europa, und zwar in Düsseldorf - das gehört für die eingefleischten Bayer-Fans wohl eher in die Kategorie...
Albtraum
Sämtliche Baustellen im Bayer-Kader werden zu spät geschlossen. Es hagelt wie in der Vorbereitung Gegentor um Gegentor, Barbarez und Schneider stehen sich auf den Füßen und im Sturm gibt es keinen Vollstrecker. Von hinten drängen Schalke, Hannover und Stuttgart und die Leverkusener fallen komplett aus den internationalen Rängen. Sparfuchs Wolfgang Holzhäuser macht die Schatulle wieder zu und die Zeit der Investitionen ist nach einer Saison schon wieder vorbei.
Prognose
Die Leverkusener haben in der Vorrunde bewiesen, dass sie zu den spielstärksten Teams gehören. Doch sowohl die Schwäche in den Spitzenspielen als auch die derzeit marode Hintermannschaft lassen Bayer nicht in die Top Drei vorstoßen. Der Start könnte dementsprechend wie schon in der Hinrunde etwas holprig verlaufen, doch dann fängt sich das Werksteam und festigt Platz vier. Der UEFA-Cup ist sicher drin, für die Königsklasse reicht es in diesem Jahr noch nicht.
Marcus Krämer