"Eine Mischung aus Spielfreude und Erfolg"

  • München - Für Tranquillo Barnetta hat ein ganz wichtiges Jahr begonnen.


    Mit Bayer Leverkusen steht Barnetta in der Bundesliga seit dem Wochenende auf einem Champions-League-Platz - nur sechs Punkte von Tabellenführer Bayern München entfernt.


    Für die Schweizer Nationalmannschaft wird der 22-Jährige bei der Europameisterschaft im eigenen Land und am Mittwoch gegen England auflaufen.


    An den Erfolgen von Bayer 04 hat Barnetta großen Anteil, in der Nationalmannschaft spielt der Mittelfeldspieler ebenfalls eine wichtige Rolle.
    Im ersten Teil des Sport1.de-Interviews spricht Tranquillo Barnetta über die Situation in Leverkusen, die anstehende Aufgabe im Uefa-Cup gegen Galatasaray, die "alten Hasen" in der Werkself und gemeinsames Pokern.


    Sport1: Das Spiel von Bayer Leverkusen besticht durch hohes Tempo und kurze Pässe. Stichwort "Moderner Fußball". Ist das etwas, was jeden Tag im Training einstudiert wird oder ergibt sich das System aus der Natur der Spieler, die im Kader stehen?


    Tranquillo Barnetta: Ich glaube, es ist eine Mischung aus beidem. Natürlich braucht man die Spieler dazu, aber wir trainieren das auch fast jeden Tag. Das versucht man auch im Spiel umzusetzen. Mir persönlich gefällt dieser Fußball sehr gut.


    Sport1: Der aber nicht immer effektiv war, bzw. nicht konstant effektiv.


    Barnetta: Wir hatten eine Phase, in der wir vielleicht etwas zu verspielt waren. Im Moment ist die Spielfreude da und wir sind erfolgreich. Eine gute Mischung.


    Sport1: Bayer 04 war in der Hinserie relativ konstant und hat nicht, wie früher öfters, gegen die so genannten Kleinen Punkte liegen lassen. Was fehlt noch, um den ganz Großen Paroli bieten zu können?


    Barnetta: In Bremen waren wir eine halbe Stunde lang klar besser und hatten die Chance zum 2:0, aber wir haben den Sack nicht zugemacht und am Ende 2:5 verloren. Das genau ist das Problem: Uns fehlt in solchen Spielen noch die Kaltschnäuzigkeit, im entscheidenden Moment zuzuschlagen. Wir haben uns zum Teil über Schiedsrichterentscheidungen aufgeregt und uns dadurch selbst aus dem Konzept gebracht. Das sind Kleinigkeiten, an denen wir in jedem Spiel arbeiten müssen, um weiter nach vorne zu kommen.


    Sport1: Das Spiel in Bremen hat all diese Schwächen komprimiert gezeigt. Was war dort auf einmal los? Ein Blackout?


    Barnetta: Genau. Wir haben uns noch mit Glück in die Pause gerettet. Und nachher waren wir total von der Rolle. Von Werder kam eine Welle nach der anderen, und wir haben die Ordnung und die Ruhe verloren. Da war es klar, dass es irgendwann scheppern würde.


    Sport1: Was nimmt man aus solch einem Debakel mit?


    Barnetta: Wir müssen aus den angesprochenen Fehlern lernen.


    Sport1: Sie haben am Wochenende den HSV überholt, die Mannschaft steht momentan auf einem Champions-League-Platz. Von hinten kommen Schalke, der KSC, Hannover und Stuttgart. Wie sieht Ihr Ausblick in die Rückrunde aus?


    Barnetta: Klar ist, dass wir alles versuchen müssen, um unseren Platz zu verteidigen. Es bringt nichts zu sagen, dass wir nach vorne gucken wollen. Die Mannschaften hinter uns sind genauso heiß darauf, ihre vielleicht eher schlechtere Vorrunde wettzumachen.


    Sport1: Im Uefa-Cup wartet mit Galatasaray Istanbul ein schwerer Gegner. Wie sind die Erwartungen?


    Barnetta: Wir haben einen kleinen Vorteil, dass wir zuerst ein Auswärtsspiel haben. Wir müssen uns gut auf die hitzige Stimmung in Istanbul einstimmen. Ich kenne die ja schon aus den Länderspielen mit der Schweiz. Es wird schwer, aber ich bin davon überzeugt, dass wir eine Runde weiterkommen.


    Sport1: Die Bayer-Mannschaft besteht aus "alten Hasen" wie Sergej Barbarez und Bernd Schneider, Spielern im "besten Alter" wie Simon Rolfes oder Theofanis Gekas und sehr starken jungen Spielern wie Ihnen, Stefan Kießling, Arturo Vidal oder Rene Adler. In Leverkusen entsteht etwas.


    Barnetta: Das stimmt. Der Klub hat es geschafft, hier ein solides Gerüst aufzubauen. Von der Vereinsführung über den Trainerstab bis zu den Spielern: Es ist eine sehr gute Mischung. Auch wenn zwei oder drei Leute irgendwann den Verein wechseln sollten, entsteht ein sehr gutes und auch auf lange Sicht sehr erfolgreiches Team, das in kommenden oder übernächsten Jahr ein heißer Kandidat für die Champions League ist und vielleicht sogar ganz vorne in der Bundesliga mitmischt.


    Sport1: Ist Sergej Barbarez so etwas wie eine Vaterfigur in der Mannschaft?


    Barnetta: Er ist eine ganz wichtige Person, auch auf dem Feld. Er brüllt auch mal herum. Er hat sehr viel Erfahrung und kann diese auch gut an die Spieler weitergeben. Wir sind alle froh, dass er bei uns ist.


    Sport1: Ihr Vertrag läuft bis 2010. Was würde passieren, wenn Sie plötzlich ein Angebot eines internationalen Spitzenvereins bekämen?


    Barnetta: Ich habe im letzten Jahr verlängert, weil es mir in Leverkusen sehr gut gefällt. Leverkusen ist ein sehr guter Verein. Aber trotzdem habe ich immer gesagt: Falls die Chance kommen sollte, zu einem richtig großen Klub zu wechseln, muss man sich das natürlich angucken. Ich führe mit Bayer immer sehr offene Gespräche, und die Verantwortlichen in Leverkusen wollen auch keinem Spieler irgendwas verbauen.


    Sport1: Haben Sie einen Lieblingsverein?


    Barnetta: Mein Kindheitstraum war immer, es in die Bundesliga zu schaffen. Das habe ich erreicht. Das nächste Ziel wäre eine Top-Liga, wie England oder Spanien. Früher habe ich für St. Gallen geschwärmt, habe dort auch gespielt. Und da will ich irgendwann einmal wieder hin - als Spieler.


    Sport1: Im Trainingslager soll viel gepokert worden sein. Hat das altmodische Kartenspiel die sonst übliche Playstation abgelöst?


    Barnetta: Pokern mit sechs, sieben Mann ist einfach besser als alleine vor dem Computer zu sitzen. Das stärkt das Mannschaftsgefüge.


    Das Gespräch führte Thorsten Mesch


    http://www.sport1.de/de/sport/artikel_2158962.html