LEVERKUSENER STRESS Zwei Endspiele in 48 Stunden

  • Von Tobias Käufer


    Es geht auch ohne Stars: Trainer Michael Skibbe setzt in Leverkusen auf junge Talente - mit Erfolg. Doch sein Team steht in den kommenden Tagen vor der bislang härtesten Bewährungsprobe. Heute spielt Bayer um den Einzug ins Achtelfinale des Uefa-Cups.


    Am vergangenen Wochenende wollte Michael Skibbe doch mal "ein bisschen jammern". Was dem sonst eher stillen Trainer von Bayer Leverkusen nicht passte: "Wir spielen donnerstags gegen Istanbul und samstags gegen Schalke. Das ist Wettbewerbsverzerrung in allerhöchster Form. Es darf keine Strafe sein, international zu spielen." Skibbes Ärger ist verständlich - doch andererseits weiß der 42-Jährige genau, dass sich sein Club über solche Terminprobleme eigentlich nur freuen kann.


    Denn heute um 17 Uhr (Liveticker SPIEGEL ONLINE) geht es nach dem 0:0 in der Türkei (mehr...) im Uefa-Cup-Rückspiel gegen Galatasaray Istanbul um den Einzug ins Achtelfinale, in dem es ein deutsch-deutsches Duell gegen den Hamburger SV (3:1-Sieg im Hinspiel beim FC Zürich) geben könnte. In der Bundesliga wartet am Samstag um 15.30 Uhr (Liveticker SPIEGEL ONLINE) bereits das nächste entscheidende Spiel. Dann geht es im "Sechs-Punkte-Match" gegen den direkten Konkurrenten Schalke 04 darum, die Chance auf Platz drei und damit die Qualifikation für die Champions League zu wahren. Viel könnten die Leverkusener in diesen rund 48 Stunden gewinnen.


    Dass die Mannschaft sich überhaupt in die Lage gebracht hat, in Europa wie in Deutschland vorn mitzuspielen, ist erstaunlich: Denn die Leverkusener Stars 2008 heißen nicht mehr Ballack, Lucio oder Zé Roberto, die es in der Saison 2001/2002 noch bis ins Finale der Champions League gegen Real Madrid (1:2) schafften und europäische Großkaliber wie den FC Liverpool oder Manchester United ausschalteten. Eigentlich gibt es gar keine Stars mehr.


    Der FC Bayern kaufte seinerzeit die halbe Mannschaft weg, Bayer dagegen fehlen seit dem verschärften Sparkurs des Chemiewerks und dank der Altlasten aus der Ära des Managers Reiner Calmund die Millionen, um mehr und größere Stars anzulocken als etwa Theofanis Gekas vom VfL Bochum, der als Bundesliga-Torschützenkönig vor dieser Saison nach Leverkusen wechselte. Für den kommenden Sommer wurde Patrick Helmes vom Nachbarn und Erzrivalen 1.FC Köln verpflichtet. Das war es dann aber auch mit der (B-)Prominenz.


    "Wir müssen junge hochtalentierte Spieler aufspüren und verpflichten. Das wird der Weg sein, mit dem wir uns in den nächsten zwei Jahren einen Platz in den Top 5 in Deutschland erkämpfen wollen", sagt Trainer Michael Skibbe im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE: "Internationale Kaufoptionen passen nicht mehr in unser Gehaltsgefüge."


    Dieser Kurs birgt Risiken, doch der gern unterschätzte Skibbe hat die Leistungsschwankungen zu Beginn dieser Saison gut in den Griff bekommen. Bayer-Sportdirektor Rudi Völler lobt auf im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE die taktische Ausrichtung des Teams: "Michael Skibbe hat aufgrund seiner offensiv ausgerichteten Spielweise einen wirklich sehr großen Anteil an dem attraktiven Fußball, den unsere Mannschaft im Moment zeigt."


    Überrascht ist Völler von Skibbes Erfolg aber kaum. Er kennt die Vorzüge des Mannes, der ihm früher als Bundestrainer jahrelang assistierte: "Eine Stärke von Michael Skibbe sehe ich auf jeden Fall darin, dass er gut mit jungen Spielern arbeiten kann. Sicherlich auch durch seine Vergangenheit als Jugendtrainer, versteht er es, gerade junge Spieler auszubilden - so, wie er es ja auch bei uns im Verein gerade erfolgreich umsetzt."


    Die neue Generation der Callsen-Brackers, Rolfes oder Adlers steht noch vor ihrem Leistungszenit - und den sollen sie möglichst in Leverkusen erreichen. Umso wichtiger sind da die Einnahmen aus dem internationalen Geschäft, um die es im bevorstehenden Doppelpack geht. Braucht das Bayer-Experiment zu lange, um Rendite abzuwerfen, werden die mühsam aufgezogenen Talente schnell in alle Windrichtungen verschwinden, auch wenn Skibbe betont: "Wir haben mit vielen unserer jungen Spieler langfristige Verträge gemacht." Das Konzept Leverkusen wirkt so unspektakulär und hausbacken wie der Trainer, der es umsetzt. Vorbei sind die Zeiten, als Christoph Daum im himmelblauen Anzug mit den Millionen ebenso um sich warf wie mit den Trainerstühlen an der Seitenlinie.


    Skibbe hat sich längst dafür entschieden, auf der Bundesliga-Bühne der Selbstdarsteller ganz hinten zu stehen. Die öffentliche Wahrnehmung seiner Person interessiert ihn nicht - sagt er jedenfalls: "Ich kümmere mich nicht um mein Image. Ich lese auch kaum Zeitungen und weiß deshalb nicht, was über mich berichtet wird. Viel wichtiger ist für mich die reibungslose Zusammenarbeit mit den Verantwortungsträgern im Verein und ein vertrauensvolles Verhältnis zu den Spielern."


    Der Trubel um das zuletzt überragende Torwart-Talent René Adler nervt Skibbe dementsprechend gewaltig, seine sportlichen Analysen fallen alles andere als leidenschaftlich aus: "Wir haben bislang eine recht gute Saison gespielt, aber es kann auch sportliche und tabellarische Rückschläge geben. Davon werden wir uns aber nicht beirren lassen."


    Gegen Istanbul wollen sich seine Leverkusener das nächste Stück der europäischen Reputation zurückholen, die in den vergangenen Jahren nach dem Finale von 2002 verloren gegangen ist. Der Trainer ist optimistisch. "Unsere Ausgangssituation ist nicht so schlecht", sagt Skibbe. Ein Sieg gegen Istanbul wäre die ideale Motivation, um gegen Schalke 04 am Samstag nachzulegen. Skibbe muss dabei heute auf seinen Torhüter René Adler verzichten, der an einer einer Muskelverletzung im Adduktorenbereich laboriert. Ob der 23-Jährige gegen Schalke auflaufen kann, ist fraglich.


    Michael Skibbe wird dann wieder im Blickfeld der Medien sein. Das behagt ihm wenig. Doch wenn es schon sein muss, dann wenigstens als Gewinner.


    http://www.spiegel.de/sport/fussball/0,1518,536480,00.html