Künstler ohne Alibis (Barbi)

  • Sergej Barbarez zierte sich. Die Reporter erwarteten einen Ausbruch der Begeisterung nach dem 5:1 von Bayer Leverkusen gegen Galatasaray Istanbul. Doch auf die Frage, ob dies ein denkwürdiger Abend für ihn sei, antwortete der Routinier: "Ach, solche Abende machen schon Spaß, aber ich habe so viele Fußballspiele erlebt. Wir wollen in diesem Jahr weiter kommen als in der vergangenen Saison, das haben wir noch nicht geschafft." In der Vorsaison scheiterten die Leverkusener im Viertelfinale, jetzt stehen sie im Achtelfinale und treffen dort auf den Hamburger SV.


    Gegen Galatasaray führte das Ensemble um den 36-jährigen Barbarez nach 22 Minuten mit 3:0 , der Meister persönlich hatte zwei Treffer beigetragen. Es war wieder einmal eine brillante Vorstellung, die der Bosnier gegeben hatte, sein Blick war schnell wie ein Laser, sein Fuß sanft wie Weidenkätzchen, der alte Mann blüht und blüht und blüht. In 16 Bundesligaspielen hat er in der laufenden Spielzeit vier Tore erzielt, fünf hat er vorbereitet, Barbarez ist der drittbeste Scorer des Teams. Mittlerweile hat er sogar die Herzen der Fans erobert, was lange genug gedauert hat.


    Erst eine Art Aufklärungskampagne der Klubführung, die um Verständnis für die lässige Spielweise des Technikers bat, und eine Gala gegen Bielefeld im November hat die Barbarez-Feinde im Publikum verstummen lassen. Damals erzielte der Techniker zwei Treffer und bereitete zwei weitere vor, am Ende musste er das Humba-Ritual vor der Fankurve mit dem Megafon anleiten - eine Art Aufnahmeritual in den gehobenen Heldenstatus.


    Der Anhang hatte an diesem Tag erkannt, dass der Anschein von Behäbigkeit keineswegs gleichzusetzen ist mit fehlender Einsatzbereitschaft. "Anfangs gab es in allen Klubs Probleme, das kenne ich schon", sagte Barbarez einmal. "Ich laufe halt dem Ball nicht hinterher, wenn ich einschätze, dass er ins Aus geht. Ich mache nicht diese Alibigrätschen, und das gefällt einigen nicht." Außerdem spielt der Künstler gern mit Risiko. An schlechten Tagen kann das zu unangenehmen Ballverlusten führen, "aber am Ende setze ich mich durch, weil ich mit meiner Spielweise immer Erfolg hatte", sagt er.


    Einen neuen Vertrag hat die Leverkusener Klubführung Barbarez trotzdem noch nicht angeboten. Im Wintertrainingslager gab es erste Sondierungsgespräche. "Ich habe keinen Druck, ich spiele mein Spiel, und dann werden wir am Saisonende sehen", sagte Barbarez am Donnerstag, aber weitermachen möchte er schon gern.


    Wie kaum ein anderer Fußballer ist sich Barbarez darüber im Klaren, dass die schönste Zeit seines Lebens zu Ende gehen wird. "Ich genieße diese Zeit in vollen Zügen", sagte er. "Als älterer Spieler hat man natürlich auch mehr Kontakt mit Spielern, die schon aufgehört haben, und wirklich jeder sagt: Du musst diese Zeit auskosten, in der du noch spielst." Wenn keine Verletzung dazwischenkommt und nicht noch überraschend irgendein prominenter Zugang fürs offensive Mittelfeld verpflichtet wird, dürfte Sportdirektor Rudi Völler aber bald mit einem guten Angebot auf Barbarez zukommen. Denn diese Darbietungen machen Lust auf mehr.


    Nur einen Kritikpunkt hat der alte Mann noch nicht widerlegen können in Leverkusen: dass er nicht klar kommt mit Gegnern, die den Raum eng machen. Vielleicht wartet Bayer in dieser Saison noch auf den ersten Sieg gegen ein Spitzenteam, weil die Kunst des Sergej Barbarez hier nicht so zur Geltung kommt. Denn enge Räume mag er nicht. Gegen die defensivstarken Schalker bekommt er am Sonnabend eine Chance, diese These zu widerlegen.


    Berliner Zeitung, 23.02.2008