KOMMENTAR
Spaßmacher
Von Ralf Wilhelm
Fast zwei Drittel der Saison sind gespielt, und immer mehr kristallisieren sich die neuen Spaßmacher der Bundesliga heraus: Bayer Leverkusen schlüpft konsequent in die Rolle, die die Bremer an guten Tagen ansons¬ten innehaben: Die Lieblinge der Liga, kein Neutraler kann sich ihrer Spielweise wirklich entziehen. Doch unter dem Bayerkreuz braut sich ein treffliches Generikum zusammen. Es steht zwar nicht Werder drauf, hat aber die¬selben Gute-Laune-Inhaltsstoffe. Ein Ver¬dienst von Michael Skibbe, dem anfangs gar nicht geliebten Trainer in Leverkusen.
Kaum ein Verein in der ersten Liga hat eine solche Rückbesinnung auf das Wesentliche hinter sich wie die Leverkusener. Mit Manegenduft eines Dragoslav Stepanovic hatten sie es versucht, und der-„Schneezirkus" um Christoph Daum hatte den Werksklub mächtig durchgeschüttelt. Mit Skibbe auf dem Trainerstuhl und Voller als Sportdirektor ist Ruhe und Besonnenheit eingekehrt. Auch vorbei die Zeiten, als die Allmacht Reiner Calmund mit der Black-Card durch die Armengebiete Brasiliens streifte, auf der Suche nach einem üppigen Nachspeisenbüffett und Topstars ä la Lucio oder Ze Roberto.
Schmalhans Skibbe begnügt sich mit Spielern aus der Provinz, bekam mit Spürsinn einen wie Simon Rolfes für kleines Geld und vervielfacht dessen Wert in kurzer Zeit im Nationaltrikot. Die eloquente Art des sportlich Verantwortlichen, der auch kurz nach Abpfiff in der Lage ist, sachlich-fachlich zu analysieren, kommt mittlerweile auch bei den Bayer-Fans an. Dabei hat der 42-Jährige auch einen Reifeprozess durchlaufen. Dass er auf seinem ersten Profi-Trainerposten bei Borussia Dortmund einen betagten Routinier wie Thomas Häßler süffisant als „großes Talent" bezeichnete und ihn auf der Ersatzbank versauern ließ, haben ihm nicht nur BVB-Fans übel genommen.
Aber Fehler macht Skibbe nicht zweimal. In Leverkusen traf er mit Sergej Barbarez auf einen ähnlich schwierigen Charakter. Auch der Bosnier musste lange mit der Ersatzbank vorlieb nehmen. Doch kein böses Wort über den Trainer, der mittlerweile den Wert seines klugen Strategen erkannt hat und ihn ins , Zentrum des Bayer-Spiels gestellt hat. Erst recht, wo sich der Erfolg eingestellt hat und die Spieler nun ungetadelt sogar von der Champions League träumen. Im nächsten Jahr ist der Umbau der BayArena auf über 30000 Zuschauer Kapazität abgeschlossen. Inzwischen ahnt man, wofür. Alles kann, nichts muss. Ein Geheimrezept der Liga.
Quelle: WAZ Printausgabe vom 25.2.2008