Immer nur Zweiter

  • Carsten Ramelow hat nie einen Titel gewonnen
    Am Ende hat dann die Vernunft gesiegt. Er hat es ja gemerkt, das verdammte Knie. Kaum eine Bewegung hat es noch gegeben, bei der sich das Knie nicht gemeldet hätte. Vier Operationen binnen eines Jahres steckt ein bald 34-Jähriger nicht mehr so leicht weg. Noch dazu einer, der sich Zeit seiner aktiven Karriere nie geschont hat, nie schonen durfte. Sonst hätte er nicht gespielt.


    Carsten Ramelow hat es eingesehen, "es war ja ein schleichender Prozess." In dieser Saison hat er gerade vier Spiele für Bayer Leverkusen bestritten, in der vergangenen nur 13. Es ging nicht mehr, der Körper machte nicht mehr mit. In der vergangenen Woche hat er sich mit Trainer Michael Skibbe zusammengesetzt, er werde nur noch einspringen, wenn Not am Mann sei. "Als Nummer 16 oder 17 im Kader mit zu den Spielen zu fahren, bringt mir nichts", sagt der Semmelblonde. "Da soll der Trainer lieber junge Spieler mitnehmen" und ihnen die Chance geben, mal reinzuschnuppern ins Bundesligageschäft.


    Und das kennt Carsten Ramelow, der gebürtige Berliner, zur Genüge. 333 Bundesligaspiele (22 Tore) hat er bestritten, alle für die Werkself von Bayer Leverkusen, für die er seit 1996 die Stiefel schnürte. Er hat sie erlebt, die goldenen Zeiten bei Bayer, als Manager Reiner Calmund noch locker mit dem Scheckbuch wedeln konnte; er war dabei, als Bayer wunderschönen Fußball spielte und bis ins Champions-League-Finale 2002 kam. Ramelow hat aber auch wenige schöne Zeiten miterlebt, etwa die im letzten Spiel verpasste Meisterschaft im Jahr 2000 oder den Beinahe-Abstieg 2003.


    Arbeiter unter Schönspielern


    Ramelow hat in seiner ganzen, 13 Jahre währenden Karriere keinen einzigen Titel gewonnen: Er wurde viermal deutscher Vizemeister, zweimal Vize-Pokalsieger (darunter einmal mit den Amateuren von Hertha BSC Berlin), er wurde Zweiter in der Königsklasse. Keiner verkörperte seinerzeit Bayer "Vizekusen" besser als er. 2002 in Japan und Südkorea wurde er Vize-Weltmeister. Er ist, irgendwie passend, aktuell Vize-Präsident der Spielergewerkschaft VdV.


    Carsten Ramelow war immer einer, der Fußball gearbeitet hat, ob bei Bayer oder in den 46 Spielen für die DFB-Auswahl. Er war kein Stratege und der Ball gehorchte ihm nicht blindlings. Er war jener im immer (zu?) offensiv ausgerichteten Bayer-Mittelfeld, der die Drecksarbeit verrichten musste. Er tat das, ohne zu murren. Auch wenn er im Ensemble der Schönspieler oft genug arg staksig aussah.


    Aus. vorbei. Ende der Dienstreise. Ramelow wird Bayer erhalten bleiben, er hat den Anschlussvertrag schon in der Tasche.


    VON THOMAS KILCHENSTEIN


    Frankfurter Rundschau