Warum Bayern wirklich siegt - und Bayer immer hinten liegt

  • BUNDESLIGA-KOMMENTAR von Peter Ahrens


    Ob Schalke, Werder oder Bayer: Ein Unentschieden gegen Bayern wird als Triumph gefeiert - ein einziges Tor gegen den ewigen Kahn als Meisterstück. Spannende Liga? Wenn es ernst wird, kuschen die Verfolger wie Höflinge, obwohl sie Potential hätten. Zum Beispiel die Leverkusener.


    Ich muss gestehen: Michael Skibbe habe ich nun reinweg gar nichts zugetraut. Als Völler-Assistent in der Nationalmannschaft rapportierte er mit Hundeblick dereinst in der Halbzeitpause die kommenden Wechsel ins TV-Mikrofon. Von der Boulevardpresse wurde er als "Fehlerflüsterer" verspottet, ein Mann ohne alle sportlichen Meriten, der als Trainer nichts vorweisen konnte außer einem äußerst mäßig erfolgreichen Ausflug in die Bundesliga als BVB-Coach. Und der dann nach dem Desaster mit der Nationalelf (Vorrundenaus bei der EM 2004) ausgerechnet bei Leverkusen anheuerte – in der alten hierarchischen Kette als Trainer unter einem Sportdirektor Rudi Völler.


    Aber man muss ja auch mal das Recht haben, sich in einem Menschen zu irren. Leverkusen ist trotz der Klatsche bei den Bayern nach wie vor Dritter in der Liga und steht im Viertelfinale des Uefa-Cup - mit realistischer Option auf das Halbfinale. Der vermeintliche Fehlerflüsterer hat aktuell einiges vorzuweisen.


    Tatsächlich haben Völler und Skibbe in den vergangenen zwei Jahren vor allem eine bemerkenswerte Personalpolitik betrieben, die in der Liga ihresgleichen sucht: Neben fertigen Spielern wie dem noch amtierenden Torschützenkönig Teofanis Gekas oder dem Eins-mit-Sternchen-Verteidiger Manuel Friedrich haben die beiden Spieler wie Simon Rolfes und Gonzalo Castro zu Nationalspielern gemacht.


    Sie haben den Mut aufgebracht, dem alternden Torwartheld Hans-Jörg Butt zu einem Platz auf der Ersatzbank von Benfica Lissabon zu verhelfen und ihn durch den hochtalentierten René Adler zu ersetzen. Sie haben in Europa unbekannte wie den Tunesier Karim Haggui oder den Chilenen Arturo Vidal in die Stammelf geholt. Sie haben dem Stehgeiger Sergej Barbarez Beine gemacht.


    Dazu kommen Tranquillo Barnetta, Stefan Kießling, Pirmin Schwegler – allesamt Spieler, die bei Bayer ihre Reifeprüfung ablegen. Gerade bastelt Skibbe an der heiklen Aufgabe, in einer Art Softlaunch Nationalspieler Bernd Schneider auf das Altenteil vorzubereiten. Auch hier bewies der Trainer bisher Fingerspitzengefühl. Die alte Seilschaft Völler und Skibbe – sie lebt vor, wie es sein kann, wenn Manager und sportlicher Leiter an einem Strang ziehen. Das Bremer Modell Schaaf/Allofs am Niederrhein.


    Wenn das Bild in Zusammenhang mit Bayer nicht so abgegriffen wäre, würde hier jetzt möglicherweise geschrieben stehen: Die Chemie stimmt. So viel Lob – so kann das nicht weitergehen. Stimmt.


    In München zeigte Bayer, was der Mannschaft zu einem echten Spitzenteam noch fehlt.


    Wer wirklich in Deutschland Ansprüche erhebt, der muss auch den Mut haben, in München gewinnen zu wollen. Und so auftreten. Diesen Mut, diese Arroganz, dieses Ego hat außer dem HSV in der Bundesliga bedauernswerter Weise niemand.


    Egal ob Schalke, Werder oder Bayer – ein Unentschieden in der Allianz Arena wird schon als Triumph gefeiert, ein einziges Tor gegen den ewigen Kahn gilt schon als Meisterstück, mehr ist nicht drin. Und all das Gerede von der spannenden Liga erledigt sich damit. Wenn es ernst wird, kuschen die Verfolger wie die Höflinge im Versailles des französischen Sonnenkönigs.


    Und Bayern-Coach Hitzfeld demütigt die Gäste geradezu, indem er seine Stars Klose und Ribéry fast eine Viertelstunde vor Schluss vom Feld nimmt. Man mag den Bayern noch so viele Krisen per Saison andichten, die Münchener wissen, wann sie sich ihre Auszeiten nehmen dürfen.


    Niederlage in Cottbus? (mehr...) Na und, geben wir der Journaille eben ein paar Tage Futter für ihre geländegängige Bayern-Pleiten-Berichterstattung, dann sind die Reporter auch wieder zufrieden und von der Straße. Und anschließend hauen wir in aller Seelenruhe Wolfsburg im Pokal und Leverkusen in der Meisterschaft in die Pfanne.


    Und Ruhe ist. Bayer Leverkusen hat, wenn alles rund läuft, im heimischen Stadion die Mittel, die Münchener zu schlagen. Das ist auch schon das eine oder andere Mal gelungen. Aber in der Ferne – und was liegt für einen Rheinländer ferner als Bayern – schlägt das Hasenherz. Zum 20. Mal hintereinander nach München gefahren – und zum 20. Mal in Folge nicht gewonnen. Das ist die Bilanz eines typischen Uefa-Cup-Teilnehmers, nicht eines Titelaspiranten.


    Leverkusen wird es auch in diesem Jahr nicht zu mehr bringen. Ligavierter – dein gefühlter Name ist Bayer Leverkusen. Der FC Bayern ist unangefochten in dieser Spielzeit.


    Das ist so, und das bleibt so. Wer den Münchnern Misserfolg gönnt, muss auf den Uefa-Cup und den FC Getafe hoffen. Aber nicht auf Leverkusen, Schalke oder Bremen. Und schon gar nicht auf Borussia Dortmund im Pokalendspiel.


    Zwei Titel sind vergeben. Leider.


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