Sanfte Hinrichtung in München
VON FRANK NÄGELE, 22.03.08, 19:52h, AKTUALISIERT 22.03.08, 20:16h
FC Bayern München - Bayer 04 Leverkusen
München - Zwischen dem Traum und der Realität liegt im Fußball oft nur ein Spiel. Dies musste das zuletzt über alle Maßen gelobte Team von Bayer 04 Leverkusen am Ostersamstag in München erfahren. Der Traum handelte vom ersten Sieg in München seit 19 Jahren und einem auf drei Punkte geschrumpften Rückstand auf den Spitzenreiter. Die Realität war eine 1:2-Niederlage, die Bayer 04 um alle Saisonziele bangen lässt.
Nur drei Punkte trennt das Team von Michael Skibbe vom VfB Stuttgart auf Platz sechs, der am Ende der Saison zu nichts berechtigt außer der Teilnahme am gefürchteten UI-Cup. Die Bayern dagegen sind die Ewigkeit von neun Zählern entfernt.
1:2 klingt nach Spannung und engem Kampf, aber das täuscht. Leverkusen wurde in München Opfer einer sanften Hinrichtung. Luca Toni erzielte zwei Tore, seine Kollegen ließen drei bis vier weitere aus. Es war schlimm. Der FC Bayern stellte mit dieser Demonstration die Weichen auf Deutsche Meisterschaft. Sieben Punkte vor Hamburg sind mehr als ein Wort. „Wir haben heute eine überragende Teamleistung gezeigt“, sagte Trainer Ottmar Hitzfeld, „allerdings sind wir leichtsinnig mit größten Chancen umgegangen, das darf uns nicht mehr passieren.“ Die Leverkusener wären froh gewesen, wenn sie solche Chancen überhaupt gehabt hätten zum verschwenden. „Ich weiß nicht was los war“, stöhnte Stefan Kießling, „die ersten 20 Minuten haben wir verschlafen, und nach dem 0:2 war es kein Fußball mehr.“
Aufstellung Schneiders überraschte
Michael Skibbe erklärte: „Das Ergebnis ist schmeichelhaft, wir hätten den Bayern nur spielerisch Paroli bieten können, aber genau das ist uns nicht gelungen.“ Der Bayer-Trainer überraschte zunächst einmal mit damit, dass er seinen Kapitän Bernd Schneider in die Startformation stellte und dann ins defensive Mittelfeld. Aber von den Plänen und Absichten der Leverkusener war zunächst einmal nicht viel zu sehen, denn es spielte vor allem der FC Bayern. Bereits nach vier Minuten lag der Ball im Tor von René Adler, doch noch blieb das folgenlos, weil Schütze Luca Toni beim Freistoß von Mark van Bommel im Abseits stand. Nach 13 Minuten musste Adler einen abgefälschten Schuss von Zé Roberto halten, aber diese Aktion war nichts gegen die Einlage von Oliver Kahn, im Gegenzug wäre Bayer 04 fast in Rückstand geraten, weil Lucio einen Schuss von Kießling abfälschte, fast ins eigene Tor.
Den FC Bayern scherte das alles aber nicht sehr. Die Gastgeber hatten im Mittelfeld eindeutig das Sagen, und nicht etwa so sehr über Franck Ribéry, der oft ein wenig zu viel selbst versuchte, sondern auch über die starke rechte Seite mit Philipp Lahm und Hamit Altintop. Dort entstand auch das 1:0, allerdings unter Mithilfe des Franzosen. Lahm passte auf Ribéry, der Klose freispielte, der Nationalspieler passte von der Grundlinie großartig auf Luca Toni, der frei am Fünfmeterraum stand und den Ball zu seinem 15. Saisontor einschoss. Ein wunderschöner Treffer, der die Bayer-Hintermannschaft allerdings in ihre Einzelteile zerfallen ließ.
Es war die Defensive, die dem Tabellendritten große Sorge bereitete. Nur Sarpei und Castro auf den Außenpositionen erledigten ihre Jobs annähernd fehlerfrei. Und es war schon glücklichen Umständen zu verdanken, dass der Gast ohne zweites Gegentor in die Kabine ging. Allerdings musste auch die überlegenen Münchner einmal die Luft anhalten. Nach knapp einer halben Stunde schoss Schneider aus 25 Metern in Richtung Tor, Barbarez fälschte den Ball aus fünf Metern ab, und Oliver Kahn, der bereits in die rechte Torwartecke flog, wehrte ihn mit einer spektakulären Fußparade ab. Nicht weniger eindrucksvoll war eine Rettungstat seines jungen Kollegen René Adler, der vier Minuten vor der Halbzeit einen Kopfballaufsetzer von Miroslav Klose übers Tor lenkte.
Doppelwechsel zur Halbzeit
Michael Skibbe reagierte prompt und brachte zur zweiten Halbzeit Vidal und Freier für Barbarez und Gekas. Nach 50 Minuten war Bayer 04 schon wieder mit dem Glück im Bund. Nach einem Freistoß von Ribéry köpfte Demichelis den Ball in den Fünfmeterraum, wo Klose heranflog und tatsächlich auch per Kopf den Ball übers Tor hieb. Als der Umgang mit Großchancen schon Bayern-untypisch anzumuten begann, brachte das Ensemble der Stars seinen Torgarant ins Spiel. Nach einem Pass von Zé Roberto drang Philipp Lahm in den Starfraum ein und fand mit einer Flanke den Kopf von Luca Toni, der mühelos sein 17. Tor der Saison erzielte.
Bayer entschloss sich jetzt dazu, alle Schleusen zu öffnen. Nach 66 Minutn liefen plötzlich Toni und Ribéry zu zweit alleine aufs Tor zu, aber der drang des Italieners, einen Hattrick zu fabrizieren, war so groß, dass er fröhlich übers Tor schoss. Bayer versank minütlich mehr in HiIflosigkeit und hatte es alleine Münchner Milde zu verdanken, dass das Resultat noch nicht in der Nähe des Debakels war. Trainer Ottmar Hitzfeld erlaubte sich nach 77 Minuten sogar zwei therapeutische Maßnahmen, als er Podolski und Schweinsteiger für Ribéry und Klose brachte. Und der ehemalige Kölner stand in den ersten zwei Minuten nach seiner Einwechslung schon zweimal alleine vor René Adler, der weitere Gegentreffer mit tollem Stellungsspiel verhinderte.
Alles sah nach Debakel und Hinrichtung aus, München vergab Chance auf Chance. Da zog plötzlich wieder Spannung ein in die Münchner Allianz-Arena. Freier spielt mit einem Geistesblitz Bulykin an, der für Kießling gekommen war, und der Russe überwand Oliver Kahn mit einem trockenen Flachschuss. Aber es war nur Scheinspannung, denn in den restlichen Minuten kam Bayer 04 zu keiner Chance mehr, und den Münchnern war es schließlich ziemlich egal, was sie da alles versemmelt hatten. Der Konkurrent war auf neun Punkte distanziert, und trotz des knappen Ergebnis sogar irgendwie gedemütigt.