Schmerzhafte Dosis Realismus für Bayer 04

  • VON FRANK NÄGELE, 24.03.08, 20:58h


    München / Leverkusen - Auch der malerische Schnee vom Montag machte das, was 48 Stunden zuvor geschehen war, nicht erträglicher. „Die Erinnerung ist schon noch da“, sagte Trainer Michael Skibbe, „aber es ist immer noch keine gute.“ Ein ungleicheres Spitzenspiel hat im europäischen Fußball über Ostern nur in Österreich stattgefunden, wo der Tabellenführer Red Bull Salzburg vom Zweiten Rapid Wien 7:0 geschlagen wurde. Bayer 04 ist in München auf eine Weise dominiert worden, die im Ergebnis von 2:1 einen lächerlich geringen Niederschlag fand. Aber das machte die Sache nicht besser.


    Auch der dritte Platz, auf dem die Werkself verweilen darf, kann nichts anrichten gegen die schmerzhafte Dosis Realismus, die Leverkusen vor dem komplizierten Saison-Finale verpasst bekam. Zwischen ihnen (44 Punkte) und Frankfurt auf Platz sieben (39) liegen zwei Zähler weniger als zwischen dem FC Bayern und dem Tabellenzweiten Hamburg. „Abgesehen von Platz eins ist jetzt alles möglich“, sagt Michael Skibbe, „und alle um uns herum haben eine gute Mannschaft, so wie wir, und alle haben dieselben Ziele.“


    Die einzige Frage, die neun Spieltage vor Saisonschluss entschieden scheint, ist die nach dem Meister. „Wenn wir so weiterspielen, tut uns keiner mehr weh“, verkündete Uli Hoeneß. Bayer-Sportchef Rudi Völler erklärte noch am Ort der Niederlage sehr profan, warum es keinen Grund gibt, dem Bayern-Manager zu widersprechen: „Es ist ganz einfach: Geld schießt halt doch Tore. Schauen Sie doch mal, wen die Bayern vor der Saison geholt haben und wen wir.“ Da stehen dann Luca Toni, Franck Ribéry, Miroslav Klose und Marcell Janßen gegen Manuel Friedrich, Hans Sarpei, Arturo Vidal und Vratislav Gresko. Bei allem Respekt für das Können der neuen Bayer-Profis, die alle ihren Teil dazu beigetragen haben, dass Leverkusen immer noch auf Platz drei steht: Genau so sah das auch aus.


    Den spektakulär inszenierten Toren des Weltmeisters Toni (17. / 59. Minute) und einem halben Dutzend ausgelassener Superchancen standen bis zur 83. Minute nur zwei abgefälschte Schüsse des Gastes gegenüber. Der erste (Kießling / Lucio) verfehlte beim Stand von 0:0 knapp das Tor. Den zweiten (Schneider / Barbarez) wehrte Oliver Kahn bei 1:0 für München mit einem selbst in Zeitlupe kaum nachvollziehbaren Fußreflex ab. Als sich die Münchner im Gefühl einer turmhohen Überlegenheit ihrem Spieltrieb hingaben und sogar die Einwechselspieler Chancen im Minutentakt vernichteten, fiel praktisch aus dem Nichts das 1:2 durch Dmitry Bulykin. „Wir haben gesündigt und wären fast noch bestraft worden“, kritisierte Bayern-Trainer Ottmar Hitzfeld milde, „so etwas darf uns nicht noch einmal passieren.“


    In Leverkusen überlegen sie sich jetzt, was aus dieser Saison, die noch vor kurzem fast makellos anmutete, alles werden kann. Im schlechtesten Fall nichts. So wird der nächste Gegner Eintracht Frankfurt plötzlich zur großen Bedrohung. „Das ist eine richtig gute Mannschaft“, warnt Bayer-Manager Michael Reschke, „aber wir haben immer gewusst, wo wir stehen, keinem von uns hat die Niederlage von München den Boden unter den Füßen weggezogen.“ Allerdings hat Bayer gegenüber Teams wie Hamburg, Bremen, Stuttgart und der Eintracht vorerst einen Nachteil: die Doppelbelastung durch den Uefa-Pokal. Darüber darf sich jedoch niemand beklagen. „Dafür haben wir eine Saison lang gekämpft, also werden wir jetzt nicht anfangen, deshalb zu jammern“, sagt Trainer Skibbe.


    Sollten sie durchkommen in die Runde der letzten vier, wartet wieder ein großer Gegner. Der FC Bayern München. „Wir freuen uns auf ein Wiedersehen“, meinte Pressechef Markus Hörwick stellvertretend für alle beim Rekordmeister. Man glaubt ihnen das gerne.


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