ZDF Dokumentation - "Kampfzone Fußball"

  • Kampfzone Fußball
    Gewalt im Fußball
    Die Radikalisierung der Ultras


    von Evgenij Haperskij


    Immer wieder werden Fußballstadien Schauplätze sinnloser Gewalt. Durch Polizeieinsätze und Platzverbote für gewalttätige Fans versucht der DFB die Aggression vom Fußballplatz fernzuhalten. Doch oft bewirken diese Maßnahmen gerade das Gegenteil: die Radikalisierung der Fankultur.


    Der 29. Mai 1985 ging als einer der schwärzesten Tage des europäischen Fußballs in die Geschichtsbücher ein. 39 Menschen starben im ausverkaufen Heysel-Stadion in Brüssel, 400 wurden zum Teil schwer verletzt. Verantwortlich für diese Katastrophe waren englische Hooligans: Sie stürmen vor der Begegnung zwischen dem FC Liverpool und Juventus Turin einen italienischen Fanblock und provozierten so eine Massenpanik.


    Es ist das andere Gesicht der wahrscheinlich schönsten Nebensache der Welt; es sind solche Bilder der sinnlosen Gewalt, die den Fußballsport überschatten. Als Synonym für diese Aggressionen am Spielfeld steht der "Hooliganismus".


    Auch deutsche Hooligans haben durch Gewalt den Sport in den Hintergrund und ihre Taten ins Zentrum der Öffentlichkeit gerückt. 1998 haben Hooligans aus Deutschland am Rande eines Vorrundenspiels zur Weltmeisterschaft Daniel Nivel, einen französischen Polizisten, durch Tritte auf den Kopf lebensgefährlich verletzt und die Tat sogar gefilmt.



    Kampf gegen Gewalt


    Die Polizei versucht, die Gewalt vom Spielfeld fernzuhalten. Bereits 1992 wurde die Zentrale Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS) eingerichtet. Die Beamten arbeiten eng mit ihren ausländischen Kollegen zusammen und führen eine Liste mit allen ihnen bekannten potentiell gewaltbereiten Fans, die "Gewalttäterdatei Sport". Wer in diese Liste aufgenommen wird, wird von der Polizei besonders überprüft. Vor Länderspielen können Polizisten diesen Fans Hausbesuche abstatten und mitteilen, dass sie unter Beobachtung stehen.




    Die permanente Kontrolle soll präventiv wirken. In den Stadien wurde die Polizeipräsenz erhöht und es werden hohe Stadionverbote ausgesprochen. Mit diesen Maßnahmen wurde die Gewalt in den Stadien erfolgreich bekämpft. "Dank der guten Polizeiarbeit passiert heute kaum noch etwas. Die Stadionschlägereien kommen kaum noch vor", berichtet ein Ex-Hooligan, der anonym bleiben will, im ZDF-Interview. Nur im Osten gebe es noch viele Hooligans, erzählt er, im Westen sei ihre Zahl extrem zurückgegangen.


    Eine neue Form der Gewalt


    Aber ein anderes Phänomen hat die deutschen Stadien erobert: Die Ultras. Erst seit Beginn der neunziger Jahre zu beobachten, sind Ultra-Fangruppen heute in fast allen deutschen Fußballstadien zu beobachten. Die erste und größte Gruppierung in Deutschland bildete sich in Frankfurt. Auf ihrer Internetseite stand im Jahr 2006 laut Bundeszentrale für politische Bildung (bpb): "Ultra ist für uns eine Geisteshaltung, eine grundsätzliche Einstellung zum Fan-Dasein. Wir verstehen uns nicht als bloße Masse, die bierselig im Block steht und alles, was auf dem Platz und drumherum vorgeht, kommentarlos hinnimmt." Die Leitidee der Ultras sei der Kampf gegen die Kommerzialisierung des Fußballs.


    Ihr Verhältnis zur Gewalt ist ambivalent und von Ultra-Gruppierung zu Ultra-Gruppierung unterschiedlich. "Für uns bedeutet "Ultra" auch, sich nicht nur auf die Hassgesänge während der 90 Minuten im Stadion zu beschränken, sondern dieses Leben 24 Stunden am Tag/ sieben Tage in der Woche zu leben. Wir distanzieren uns nicht grundsätzlich von Gewalt", hieß es laut bpb beispielsweise auf der Internetseite der Ultras Frankfurt.



    Kreislauf der Gewalt


    Ein großes Problem im Umgang mit der Ultraszene ist, dass sie nicht genau zu differenzieren ist. Ein Beispiel: Die Ultraszene in Hannover wurde, laut bpb, von der Polizei der Kategorie C (Gewalttäter) zugeordnet. Dabei ist es unmöglich zu sagen, ob ein Einzelner aus dieser Szene nun ein Gewalttäter ist oder nicht, kritisieren Experten. Dennoch wurden alle in die Gewalttäterdatei Sport aufgenommen und von der Polizei besonders überprüft, viele bekamen vor jedem Spiel von der Polizei einen Hausbesuch. Diese pauschale Vorgehensweise durch die Polizei finden viele Fans ungerecht. Das führe zu einer Radikalisierung der Szene.


    Jan ist ein Ultra bei Borussia Dortmund. Auch er wurde in die Gewalttäterdatei Sport eingetragen. "Es war bei einem Amateurspiel von Borussia Dortmund", erzählt Jan, "ich hatte Pyrotechnik mit, wie damals überall. Ich wurde durchsucht, und der Ordner hat die Rauchbomben eingesammelt und mir wurde Stadionverbot erteilt." Für Jan ist ein Grund, weshalb sich die Ultras radikalisieren, das repressive Verhalten der Polizei und der Ordner: "Wenn man bei einem Auswärtsspiel am Bahnhof ankommt und alles von behelmten Polizisten abgesperrt ist, die Knüppel in der Hand haben, dann führt man sich "richtig willkommen". Das erzeugt dann von Grund auf eine aggressive Stimmung, in der dann ein kleiner Funken genügt, um das Fass zum Überlaufen zu bringen."



    Sendedaten


    "Kampfzone Fußball" - Ein Film von Bernd Weisener und Tibor Meingast
    Mittwoch, 26. März 2008 um 0.00 Uhr


    Die Dokumentation zeigt Ursachen und Folgen der Gewaltspirale im Fußball, sucht aber auch nach Lösungsansätzen. Die Autoren haben den bundesdeutschen Fußballalltag von der Kreisklasse bis zur 1. Bundesliga über Wochen beobachtet.

  • Kampfzone Fußball
    Die Gewalt spielt mit


    von Bernd Weisener


    Mit dem Fußball ist es wie mit dem Karneval. Eigentlich ist er eine lustige Veranstaltung, doch in Wahrheit eine sehr ernste Sache. Als wir im Herbst vergangenen Jahres anfingen zu recherchieren, hatten wir uns nicht vorgestellt, dass es so schwierig wird.


    Unsere Aufgabe: Ein Film über Fans, über Gewalt beim Fußball. Jeder hat schon davon gehört und fast jeder auch schon Bilder darüber gesehen. Nach einem Spiel, Schlägereien zwischen Anhängern verfeindeter Clubs, auf dem Spielfeld, brutale Attacken gegen gegnerische Spieler oder am Rande eines Spiels, Zuschauer, die aufeinander einprügeln. Alles Ausnahmen?


    Stille von allen Seiten


    Etwa 4500 Strafverfahren leitet die Polizei jährlich gegen gewalttätige Fans ein. Vielleicht nicht viel, angesichts der Massen, die jedes Wochenende in die Stadien strömen. Und doch: die Gewaltbereitschaft nehme zu, das haben uns viele gesagt: Fans, Experten und auch die Polizei.


    Nur so richtig darüber reden, wollte eigentlich niemand mit uns. Besonders die Fußballanhänger - also die, um die es eigentlich geht - suchten nicht gerade die Nähe zu den Medien, um es einmal vorsichtig auszudrücken. Es hat Monate gedauert, bis wir einen sogenannten Hooligan gefunden hatten, der vor der Kamera mit uns sprechen wollte. Und auch andere Fangruppierungen gingen erst einmal auf Tauchstation. Wieder Wochen dauerte es, einen Vertreter der Ultras zu finden, der bereit war, uns ein Interview zu geben.



    Eine ernste Sache


    Warum diese Zurückhaltung? Sport ist eine ernste Sache, wer sich zum Thema Gewalt äußert, riskiert bestraft, verfolgt, geächtet zu werden. Die Polizei schaut genau hin, wer was sagt, und kein Fan möchte ins Visier der Fahnder gelangen. Und die Fans? Sie schätzen es gar nicht, wenn jemand aus dem Nähkästchen plaudert. Wer sich mit den Medien einlässt, läuft Gefahr, von den eigenen Leuten ausgegrenzt zu werden. Und wer will das schon.

    Viel haben wir gelernt, über den Fußball in Deutschland. Es ist ein Spiel, mit allen Emotionen, von Freude bis Hass. Und Fußball ist auch ein Spiegelbild unserer Gesellschaft, das stammt nicht von uns, sondern das sagen die Experten. Und sie haben Recht, Fußball ist viel mehr als nur ein Spiel, und auch viel mehr als nur eine lustige Veranstaltung. Fußball ist eine ernste Sache und deshalb ist es wert, sich damit auch einmal ausführlich zu beschäftigen. Trotz aller Hindernisse.

  • lustig finde ich auch, dass er jedes länderspiel hausbesuche bekommt :LEV14



    gestern lief aus ntv ebenfalls eine reportage über holligans .. die war wenigstens interessant.. hat die jemand gesehen?

    "Hier werden Spatzen zu Mohrhühnern"

    Einmal editiert, zuletzt von b04lev ()

  • Zitat

    Original von b04lev
    gestern lief aus ntv ebenfalls eine reportage über holligans .. die war wenigstens interessant.. hat die jemand gesehen?


    War eine WM06 Dokumentation. Müsste eigentlich die vom BBC "The Untold Story" gewesen sein, hab nur kurz durchgezappt.
    Wenn das die war, fand ich die sher überzogen. BBC hat da probiert aus sehr wenig wirklichem Material ein Horrorszenario zu inszenieren.

  • Zitat

    Original von tobstar


    War eine WM06 Dokumentation. Müsste eigentlich die vom BBC "The Untold Story" gewesen sein, hab nur kurz durchgezappt.
    Wenn das die war, fand ich die sher überzogen. BBC hat da probiert aus sehr wenig wirklichem Material ein Horrorszenario zu inszenieren.


    ja, war montag. kann man auch auf bekannten videoportalen sehen.
    kein horrorszenario. sehr kritisch gegenüber den eigenen fans.
    wurde hie rvorher nie gezeigt...
    was hier im bahnhofsviertel abging war schon krass

  • das was ich vorhin von der Sendung im ZDF gesehen habe, war wirklich viel nur gelaber und großes Getöse...


    Die Reportage auf NTV die Gestern mehrere Mal kam, war wirklich schon besser und mit interessanteren Bildern!!

  • Der Ansatz, einen Bericht über die Gewalt in der Fussballwelt zu machen, in der Polizei, Sicherheitsexperten, Betroffenen, Fans, Hooligans und Fanbeauftragte zu Wort kommen ist an sich sehr lobenswert - In der Theorie - denn eine halbe Stunde Sendezeit für so ein komplexes Thema reicht bei weitem nicht aus. Zudem wurde schlecht recherchiert, das Pillepallespiel BVB -SGE, bei dem in der Polizeibilanz von 20 Festnahmen und 17 Platzverweisen die Rede ist, wird als Beispiel für Gewaltexzesse im Fussball dargestellt. Bei 80.000 Zuschauern ist das natürlich eine erschreckende Bilanz. Ich behaupte mal das es da sogar beim Pattscheider Dorffest brisanter zugehen kann. Der Typ der Stadionverbot bekommen hat weil er Rauchpulver ins Stadion geschmugelt hat und dann irgendwas von Aufkleber kleben und Verhältnismäßigkeit faselt ist auch großartig. Da hat man die Chance auf die Unverhältnismäßigkeit bei der Vergabe von Stadionverboten hinzuweisen, und der Typ widerspricht sich 3mal in einem Satz und beendet dann sein Statement mit "Fast alle Stadionverbote sind unberechtigt"...
    Das einzig vernünftige an dem ganzen Bericht waren die Aussagen des Leipziger Fanprojektmensch, der ganz klar gesagt hat wo der Hase im Pfeffer liegt. Gestärkt noch durch das was dieser Publizist sagte, das diese präventiven Massnahmen 10 - 15 Jahre wirken müssen, bis diese Früchte tragen. Das wurde dann aber direkt wieder von dem Leipziger Superkommisar abgeschmettert mit einem lapidaren "Reden bringt nix"!
    So war es insgesamt nur eine weitere grenzenlos oberflächliche und verschwendete halbe Stunde Schlaf.

  • Zitat

    Original von SOIA
    Zudem wurde schlecht recherchiert, das Pillepallespiel BVB -SGE, bei dem in der Polizeibilanz von 20 Festnahmen und 17 Platzverweisen die Rede ist, wird als Beispiel für Gewaltexzesse im Fussball dargestellt.


    Ich denke es sollte eher ein Beispiel für ein stinknormales Fußballspiel sein und das war es auch.


    Übrigens fand ich die Frankfurter sehr amüsant, die da aus Protest einfach stehengeblieben sind, dann von der Polizei alleingelassen worden und am Ende doch weitergegangen sind.


    Ich fand das alles ganz gut zusammegefasst. So gut, wie es in 30 Minuten eben geht. Man hat von jeder Seite jemanden zu Wort kommen lassen, die Beurteilung überlässt man dem Zuschauer.

  • Zitat

    Original von BigB


    Ich denke es sollte eher ein Beispiel für ein stinknormales Fußballspiel sein und das war es auch.


    Warum sagt er dann ausdrücklich dass es nicht ein Spiel wie jedes andere sei. WEil sich die Fangruppen beider Mannschaften hassen?


    Zitat

    Original von BigB
    Übrigens fand ich die Frankfurter sehr amüsant, die da aus Protest einfach stehengeblieben sind, dann von der Polizei alleingelassen worden und am Ende doch weitergegangen sind.


    Ich fand das alles ganz gut zusammegefasst. So gut, wie es in 30 Minuten eben geht. Man hat von jeder Seite jemanden zu Wort kommen lassen, die Beurteilung überlässt man dem Zuschauer.


    War alles sehr überzogen und sehr wenig recherchiert dargestellt. Vorallem die angeblichen 10-15Jahren Fanbeobachter haben wenig vernünftige Worte gefasselt! Genau wie man was schlecht reden kann man aus wenigen Szenen aus Fußballfans Hooligans machen.
    Aber wenigstens hat der ZDF (wie nicht sonst immer in so welchen Reportagen) aktuelle Szenen genommen und keine Szenen aus den 90ern oder so!


    Da gabs auch schon ganz anders, wo es von Düsseldorf eine Reportage gab haben sie Szenen von einen anderen Club mit den gleichen Vereinsfarben (weiss net mehr wer es war) genommen und behauptet die Düsseldorfer Fans sind ja so böse...!

  • Ich fands in Ansätzen nicht schlecht, aber sehr oberflächlich angefasst. Man wollte soviele Themen wie möglich behandeln, aber das haut in ner halben Stunde nicht so optimal hin.
    Diesen Mega Dortmund Fan, der übrigens lauter Boca Juniors Sachen im Zimmer rumhängen hatte, war ja wohl voll der Blindgänger. :D