"Die Stimmung wird unglaublich werden"
Für Tranquillo Barnetta ging es in den vergangenen Monaten steil nach oben. Mit seinem Verein Bayer 04 Leverkusen hat der 22-jährige Mittelfeldspieler das UEFA-Pokal-Viertelfinale erreicht und auch in der Nationalmannschaft von EURO-Co-Gastgeber Schweiz zählt er inzwischen zu den Stützen des Teams. Vor dem für ihn ganz besonderen Länderspiel gegen Deutschland spricht Barnetta im exklusiven uefa.com-Interview über seine Vorfreude auf die UEFA EURO 2008™ und die Aussichten mit der Schweiz.
uefa.com: Das Testspiel der Schweiz gegen Deutschland steht unmittelbar bevor – wenn es im Verein so gut läuft, geht man dann gleich doppelt motiviert in so ein Länderspiel?
Tranquillo Barnetta: Wenn es für einen persönlich gut läuft, versucht man natürlich, das in die Nationalmannschaft mitzunehmen. Trotzdem ist es ein ganz anderes Umfeld, man trifft jede Menge Spieler aus anderen Mannschaften, bei denen es vielleicht nicht so gut läuft. Aber ich nehme zurzeit sicherlich viel Selbstvertrauen mit in so ein Spiel.
uefa.com: Sie spielen bei einem deutschen Klub, ist die Begegnung mit Deutschland daher etwas ganz Besonderes?
Tranquillo Barnetta: Auf jeden Fall. Man kennt alle Spieler, viele spielen ja auch mit mir in Leverkusen…
uefa.com: …Bernd Schneider, Manuel Friedrich, Simon Rolfes und Stefan Kießling. Kann man denn den Hebel so einfach umlegen, gerade wenn man im Verein so erfolgreich miteinander ist?
Tranquillo Barnetta: Auf dem Spielfeld selbst merkt man das gar nicht mehr. Da denkt man überhaupt nicht mehr daran, wer einem da gegenüber steht. Man spielt und man will gewinnen. Sicher ist aber, dass es auf keinen Fall ein unfaires Spiel wird, wenn man so viele Leute kennt.
uefa.com: Deutschland wird eine schwere Aufgabe für die Schweiz. Haben Sie mit ihren Vereinskollegen über das Spiel gesprochen?
Tranquillo Barnetta: Wir flachsen ein bisschen in der Kabine miteinander, aber das ganz große Thema war es bis jetzt nicht. Wir haben auch keine Wetten abgeschlossen oder Ähnliches.
uefa.com: Die Schweiz konnte in letzter Zeit keine guten Ergebnisse erzielen. Was braucht das Team um die Wende herbeizuführen?
Tranquillo Barnetta: Wir haben sicher das Problem, dass wir nun seit zwei Jahren nur Testspiele bestreiten. Die Leistungen waren gut, die Resultate nicht immer. Zum Beispiel gegen England haben wir eine sehr gute Leistung gezeigt, aber 2:1 verloren. Ich mache mir keine Gedanken, ich bin überzeugt, dass wir auf dem richtigen Weg sind.
uefa.com: Wie viel zählt so ein Testspiel gegen die deutsche Nationalmannschaft?
Tranquillo Barnetta: Es ist sicherlich ein ganz wichtiges Spiel. Wir haben vor der EURO ja nur noch drei Spiele. Für uns ist trotzdem klar, dass es noch ein Testspiel ist, auch wenn wir wissen, dass es wahrscheinlich der beste Gegner vor der EM ist.
uefa.com: Ist die Tatsache, dass Nationalmannschaftstrainer Jakob Kuhn nach dem Turnier aufhört, eine Extra-Motivation?
Tranquillo Barnetta: Wir haben mit Köbi Kuhn schon viel erreicht und natürlich möchten wir ihm den bestmöglichen Abschied bereiten.
uefa.com: Ist der Eindruck richtig, dass sich unter ihm ein neues Selbstvertrauen im Schweizer Fußball entwickelt hat, wenn man es vielleicht einmal mit der Nationalmannschaft von vor zehn Jahren vergleicht?
Tranquillo Barnetta: Die Einstellung der Spieler hat sich geändert. Heute spielen viele Spieler im Ausland, wir haben ein größeres Selbstvertrauen als früher. Egal gegen wen es geht, wir wollen attraktiven Fußball spielen und gewinnen. Früher ging es gegen die Großen oft mehr um Schadensbegrenzung. Heute ist es egal, ob wir gegen die Niederlande oder Deutschland spielen, wir wollen gewinnen. Ja, wir haben ein neues Selbstvertrauen.
uefa.com: Bei Überstehen der Gruppenphase könnte es im Viertel- oder Halbfinale zur Begegnung Schweiz gegen Deutschland kommen. Wäre dies für Sie eine Art Highlight oder ist Deutschland ein Gegner, den Sie sich im Turnier eher nicht wünschen würden?
Tranquillo Barnetta: Unser Ziel ist es, die Gruppenphase zu überstehen, das wird schwer genug. Und dann kann gerne auch Deutschland kommen.
uefa.com: Bei der WM 2006 in Deutschland spielten sie – und trafen – in dem tollen Spiel gegen Togo in Dortmund, als unglaublich viele Schweizer Fans gekommen waren, um Sie anzufeuern. Wie war diese Erfahrung für Sie?
Tranquillo Barnetta: So etwas habe ich noch nie erlebt: 50.000, 60.000 Schweizer standen hinter uns. So viele Zuschauer werden uns nie wieder anfeuern, da wir so große Stadien ja gar nicht haben. Ich denke immer wieder gerne daran zurück. Trotzdem wird es bei der EM im eigenen Land eine unglaubliche Stimmung werden. Natürlich mit kleineren Massen an Menschen, aber die Stimmung wird unglaublich werden.