„Schnell den Schalter umlegen“

  • Nach dem bitteren Deja-vu-Erlebnis auf internationaler Bühne im Spielgeht bei Bayer Leverkusen die Angst vor dem freien Fall um. "Das war eine fürchterliche Niederlage. Die Gefahr droht, nun auch in der Bundesliga abzurutschen. Wir müssen ganz schnell den Schalter umlegen", redete Sportchef Rudi Völler nach der 1:4 (1:1)-Heimpleite gegen Zenit St. Petersburg im Viertelfinal-Hinspiel des UEFA-Cups Klartext und forderte volle Konzentration auf den Liga-Endspurt.


    Die Europacup-Träume sind indes nach einem "der schlechtesten Spiele der Saison" (Bernd Schneider) ad acta gelegt. Im Rückspiel am 10. April in der Zarenstadt geht es nur noch um Schadensbegrenzung. "Wir haben die Pflicht, uns dort gut zu verkaufen. Wenn wir schon ausscheiden, dann aber mit erhobenem Kopf", meinte Völler.


    An ein "Wunder von St. Petersburg" glaubt nach der katastrophalen Vorstellung am Donnerstagabend keiner mehr. Die Leverkusener wurden vom russischen Meister im eigenen Stadion regelrecht vorgeführt, genauso wie vor Jahresfrist beim Viertelfinal-K.o. gegen CA Osasuna, als ebenfalls im Hinspiel (0:3) schon alles verspielt wurde. "Wir haben ziemlichen Bockmist verzapft und sind in der Endphase des Wettbewerbs eingeknickt. Das war letztes Jahr so und dieses Jahr auch", räumte Bayer-Coach Michael Skibbe ein.


    Die Rheinländer, die zuletzt auch in der Bundesliga zweimal in Folge verloren, stecken ausgerechnet in der heißen Saisonphase in einer tiefen Krise. "Viel zu viele Spieler sind bei uns neben der Spur. In der Form sind wir nicht in der Lage, auf internationalem Niveau zu bestehen", sagte Skibbe weiter und sieht die Negativ-Entwicklung schon seit fünf bis sechs Wochen. Im Spiel bei Borussia Dortmund am Sonntag müsse man ganz schnell die Kurve kriegen, um das Ziel UEFA-Cup-Qualifikation noch zu erreichen.


    Ratloses Krisenmanagement


    Beim Krisenmanagement hinterlässt aber auch der Coach einen ratlosen Eindruck. Seit Wochen rotiert Skibbe die Mannschaft durcheinander - alles ohne Erfolg. Gegen Frankfurt drückte beispielsweise Nationalspieler Schneider 90 Minuten die Bank, gegen St. Petersburg traf es dann Sergej Barbarez - unter dem Strich kam das gleiche Resultat, sprich null Punkte, heraus.


    Erschreckend ist vor allem die Form von Schneider, auch im Hinblick auf die EM-Endrunde in knapp zwei Monaten. Dem "weißen Brasilianer" will nichts mehr gelingen. "Er hat viele Probleme, aber das betrifft nicht nur ihn", sagt Skibbe und Simon Rolfes ergänzt: "Uns fehlt die Frische, die Leichtigkeit und das Selbstvertrauen."


    Die Konsequenz war auf dem Platz unübersehbar. Innerhalb von zwölf Minuten schossen Pawel Pogebnjak (52.), Alexander Anjukow (61. ) und Igor Denisow (63.) den Bundesliga-Vierten vor 19.500 Zuschauern aus der BayArena. Im ersten Durchgang hatte Stefan Kießling mit seinem siebten Europacup-Tor (33.) nach dem Gegentreffer von Andrej Arschawin (20.) noch Hoffnung aufkeimen lassen.


    Was Völler störte, war weniger der fehlende spielerische Glanz als vielmehr die mangelnde Kampfbereitschaft. "Hacke, Spitze, eins, zwei, drei reicht nicht. Fußball ist ein Kampfsport. Da muss man auch mal dazwischenhauen. Die Russen müssen merken, dass Fußball auch wehtun kann", meinte der frühere DFB-Teamchef.


    So hatte Zenit-Coach Dick Advocaat auf der Tribüne - der frühere Gladbach-Coach brummte noch eine Sperre ab - einen vergnüglichen Abend. "Wir haben exzellent gespielt. Selbst das billige Gegentor zum 1:1 hat uns nicht aus dem Tritt gebracht. Wenn eine Mannschaft wie ZSKA Moskau ins UEFA-Cup-Finale eingezogen ist, dann können wir das auch", meinte der "kleine General" und nahm zufrieden in dem von Schalke 04 zur Verfügung gestellten Mannschaftsbus Platz. Die deutsch-russische Kooperation und dem Dach des Energie-Riesen Gazprom scheint bereits Früchte zu tragen. (sid)





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