VON FRANK NÄGELE, 07.04.08, 20:01h, AKTUALISIERT 07.04.08, 20:03h
Dortmund / Leverkusen - Der Fall war lange nicht mehr da in Leverkusen. Vier Spiele in Serie sind verloren gegangen. Aus schlechten Ergebnissen ist eine Krise geworden. Da schwoll dem Mann, dessen Job es ist, vorneweg zu gehen bei Bayer 04, in der Vergangenheit schon mal die Zornesader. „Ich hab ja die eine oder andere Brandrede gehalten“, erinnert sich Sportchef Rudi Völler am Tag nach dem 1:2 in Dortmund, „aber im Moment sehe ich keinen Ansatz dafür. Denn bei allem habe ich nie das Gefühl, dass es an mangelnder Einstellung liegt.“ Die Mannschaft hat sich offensichtlich einfach kaputt gespielt. „Wir wollen nichts beschönigen, das ist eine ernste Angelegenheit“, sagt Völler, „aber wir haben hier nie den Sinn für die Realität verloren. Ich habe immer gesagt, dass wir zwischen Platz drei und Platz sieben hingehören. Und da stehen wir ja immer noch.“
Das Problem an Platz sieben ist in der Fußball-Bundesliga allerdings, dass er sich vom sportlichen Wert nicht von Platz 15 unterscheidet. Es gibt nur die Gewissheit des Verbleibs in der Klasse, jedoch keinen Lohn in Form einer internationalen Qualifikation. Die aber braucht Bayer 04 für den eigenen Anspruch und den Nachweis, ein Jahr lang gute Arbeit geleistet zu haben. Deshalb steht für alle außer Zweifel, was das nächste wichtige Spiel sein wird: die Bundesliga-Partie am Sonntag gegen den VfB Stuttgart. Den Uefa-Pokal haben sie nach dem 1:4 gegen St. Petersburg abgehakt. Ziel beim Rückspiel am Donnerstag ist ein Abschied mit Anstand, der die ohnehin schon strapazierten Stammkräfte nicht noch mehr Kraft kostet. „Wir wollen uns noch einmal in Europa gut präsentieren und vieles besser machen als im Hinspiel“, sagt Trainer Michael Skibbe, „aber wir wissen, dass wir minimale Chancen haben, uns für das Halbfinale zu qualifizieren. Deshalb werden wir alles tun, um uns top auf das Spiel gegen den VfB Stuttgart vorzubereiten.“ Skibbes Bewertung des letzten Uefa-Pokal-Spieles ist identisch mit der von Völler. „Das kann man ja gar nicht anders sehen“, sagt der Sportchef, „außer wenn man dem Trainer Böses will. Stuttgart ist unser Hauptkonkurrent im Kampf um Platz fünf.“
Stammspieler wie Simon Rolfes, Stefan Kießling, Gonzalo Castro und der ohnehin angeschlagene Tranquillo Barnetta werden in Russland also eher nicht zum Einsatz kommen, dafür haben Reservisten wie Paul Freier, Sascha Dum, Dmitry Bulykin (Vertrag wurde per Option um ein Jahr verlängert) und auch Bernd Schneider die Chance, sich für die letzten sieben Spiele der Saison aufzudrängen. Immerhin hat Leverkusen bis zum Saisonfinale am 17. Mai alles in eigenen Händen. Stuttgart, Wolfsburg, Berlin und Bremen erscheinen noch in der BayArena, die Auswärtsspiele finden bei Klubs statt, die allesamt gegen den Abstieg kämpfen (Bielefeld, Duisburg, Rostock).
Allerdings sollte Bayer 04 ganz schnell wieder besseren Fußball zeigen, sonst ist die Saison nicht mehr zu retten. „Es ist gar keine Frage, dass wir nicht gut spielen“, meint Rudi Völler, „wir konnten eben einige Profis nicht schonen, und da zahlen wir jetzt den Preis der vielen Spiele.“ Noch vor drei, vier Wochen, behauptet Völler, hätte man einen Gegner wie Dortmund „bei allem Respekt einfach abgeschossen“. Trainer Michael Skibbe sagt es so: „Jeder hat mal so eine Phase während der Saison. Wir haben sie jetzt gehabt. Aber nun muss es gut sein.“
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Teure Fantasien
VON FRANK NÄGELE, 07.04.08, 20:05h
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Zwischen Erfolg und Misserfolg ist im Fußball nicht viel Platz. Entweder man hat das eine - oder das andere. Etwas dazwischen ist so selten wie die Münze, die beim Kopf-oder-Zahl-Wurf hochkant stehen bleibt. Und wenn ein Verein wie Bayer 04 Leverkusen innerhalb von zwei Wochen vom Vorzeigeklub zum Krisenfall wird, sind Kritik und Ursachenforschung nicht nur berechtigt, sondern nötig.
Die Werkself hat mit schönem, erfolgreichem Fußball monatelang Fantasien geweckt. Das war eine Leistung für sich. Dafür zahlen die Spieler und die Verantwortlichen jetzt einen hohen Preis. Zwei Wettbewerbe am Ende einer langen Saison waren für den kleinen Kader mit vorwiegend jungen Profis zu viel. Erst recht, weil der wichtigste Mann, Bernd Schneider, erst monatelang verletzt war und danach nicht mehr derselbe Fußballer wie zuvor. Ohne die nötige Physis und das entsprechende Personal ist das anspruchsvolle Spielkonzept nicht mit Leben zu erfüllen. Über einen Plan-B-Notfußball kann Bayer 04 nicht verfügen, weil dazu die Erfahrung und die Spielertypen fehlen.
Die Konzentration auf den Rest der Ligasaison schon vor dem statistischen Aus im Uefa-Pokal ist legitim. Das einzige Ziel dieser Saison, und sei es über den UI-Cup, ist der internationale Wettbewerb, den man jetzt so schwer geschlagen verlässt. Gelingt die Rückkehr nicht, ist ein Jahr, in dem lange gut gearbeitet wurde, verloren.