Ersttäter bekommen eine zweite Chance

  • VON STEFAN ANDRES, 23.04.08, 18:27h, AKTUALISIERT 23.04.08, 18:32h


    „Es drohen bei uns keine italienischen Verhältnisse!“ Stefan Thomé wird energisch, als er diesen Satz formuliert. Dem Leiter des Fanprojekts Leverkusen fehlt jegliches Verständnis für Vorstöße aus der Politik oder vonseiten der Polizeigewerkschaft, die nach jüngsten Vorfällen in Fußball-Bundesliga-Stadien härtere Strafen für gewalttätige Fans fordern.


    Die „italienischen Verhältnisse“ beschreiben in der aktuellen Diskussion die schlimmste anzunehmende Sorte von Fan-Ausschreitungen beim professionellen Fußballsport. Thomé: „Die Gewalt rund um den Fußball hat in Italien eine ganz andere Dimension als hier.“ Nachdem sich in den vergangenen Wochen in Frankfurt Nürnberger Fans auffällig benommen haben und in Liga zwei auch Fans aus Köln und Mönchengladbach, fordern einige Funktionäre, namentlich der Brandenburgische Innenminister Jörg Schönbohm und der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Konrad Freiberg, weitergehende Maßnahmen wie lebenslängliche Stadionverbote. Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Fanprojekte (BAG) zeigt sich in einer Pressemitteilung „entsetzt über repressive Forderungen einiger Innenminister und Polizeivertreter“. Demnach werde derzeit der Eindruck erweckt, eine Welle der Gewalt rolle durch deutsche Stadien. Das aber sei nicht der Fall. Die BAG, der das vom Sozialpädagogen Thomé geleitete Fanprojekt Leverkusen zugehört, fürchtet nun, dass ihre erfolgreiche Arbeit mit überzogenen Maßnahmen nachhaltig behindert werde. Denn tatsächlich habe die Anzahl von „Problemfans“ in den vergangenen 20 Jahren in Deutschland stetig abgenommen, berichtet Thomé. Die gesamte Klientel auf den Stadionrängen habe sich in den vergangenen Jahren erheblich verändert, erklärt auch Fanprojekt-Mitarbeiter Frank Linde: Früher sei es immer noch anrüchig gewesen, zu Fußballspielen zu gehen, „heute besuchen ganze Familien die Spiele“. Erst im März hatte der Deutsche Fußball-Bund (DFB) neue „Richtlinien zur einheitlichen Behandlung von Stadionverboten“ herausgegeben. Darin ist unter anderem die Reduzierung der Maximaldauer eines bundesweiten Stadionverbots von fünf auf nun drei Jahre vorgesehen.


    Bewährungskonzept


    Die BAG lobt diese Maßnahme als „beispielhaft und vorbildlich“, während populistische Forderungen nach Repression eher zur Eskalation beitrügen, statt sie einzudämmen. Thomé: „Der DFB hat unser Leverkusener Bewährungskonzept für Ersttäter dabei fast eins zu eins übernommen. Darauf sind wir natürlich sehr stolz.“ Das Konzept, in Leverkusen seit sieben Jahren im Einsatz, sieht eine Halbierung der Strafe vor, wenn sich der Täter von der Szene distanziert, sich in der Fanarbeit und gegebenenfalls auch in einer sozialen Einrichtung engagiert. „Gerade für jugendliche Ersttäter im Alter von 13 bis 17 Jahren“ sei eine solche Chance sinnvoll und erfolgversprechend, versichert Thomé. In Leverkusen gibt es derzeit 25 Fans, denen ein Stadionverbot auferlegt ist. Thomé: „14 Verbote davon sind ausgesprochen worden, nachdem sich einige vor einem Jahr von Dortmunder Fans vor der Bay-Arena haben provozieren lassen.“ Diese Verbote seien auch „absolut berechtigt“.


    Thomé setzt für seine Arbeit auch stets auf einen „Selbstreinigungsprozess in der Szene“. Erst kürzlich, beim Heimspiel der Bayer-Kicker gegen Schalke 04, hätten sich, berichtet Thomé, 40 Schalker Fans mit bundesweitem Stadionverbot und rund ein Dutzend Leverkusener Fans mit Stadionverbot vor der BayArena verabredet. Und nicht etwa, um Lärm zu schlagen. Thomé: „Die haben sich in der Kneipe gegenüber das Spiel im Fernsehen angeschaut. Ohne Probleme.“


    Problematisch sei es eher in den neuen Bundesländern, räumt Stefan Thomé ein, wo Arbeitslosigkeit und eine starke rechte Szene Fans von Vereinen aus unteren Ligen Hintergrund für Gewalttätigkeit seien. Und „Problemfans“ gebe es natürlich überall, auch in Leverkusen, aber: „Wenn es Probleme gibt, muss man miteinander reden.“


    Leverkusener Anzeiger

    Man sollte sich die Ruhe und Nervenstärke eines Stuhles zulegen. Der muss auch mit jedem Arsch klar kommen!