ERSTELLT 08.05.08, 08:26h
Leverkusen - Plötzlich kommt noch einmal Leben in die BayArena. Die offizielle Spielzeit ist vorbei, ein Schuss von Dmitry Bulykin fliegt scharf aufs Gehäuse des Berliner Torhüters Jaroslav Drobny. Die Fans schreien schon "Tor!!!", da zuckte die Faust des Tschechen heraus und hindert den Ball am Überschreiten der Torlinie. Kurz danach ist alles vorbei. Bayer 04 Leverkusen unterliegt Hertha BSC Berlin 1:2. Es ist die sechste Niederlage in den letzten acht Spielen. Selbst Platz sechs, die UI-Qualifikation, hängt am seidenen Faden. Der Klub ist auf dem besten Weg, alles zu verspielen, was bereits geschafft schien in dieser Saison, die lange Zeit so trügerisch schön aussah.
"Die Fans pfeifen zu Recht", sagte Torhüter René Adler völlig bedient, "wir spielen nicht gut und lassen auch den letzten Funken Leidenschaft vermissen." Die massiven Missfallenskundgebungen gegen seinen Trainer versteht er aber nicht. "Das ist eine Frechheit, sollen sie doch uns als Mannschaft auspfeifen, aber Michael Skibbe leistet gute Arbeit." Sportchef Rudi Völler stellt sich ebenfalls vor den Kritisierten: "Wir erleben gerade den Fluch der guten Tat, wir haben die Menschen lange begeistert, jetzt sind wir müde und bezahlen dafür."
Die Distanz der Fans zum sportlich Verantwortlichen hat Tradition in Michael Skibbes Amtszeit. Aber so brutal wie am Mittwochabend war das Misstrauensvotum noch nie. "Skibbe raus, Skibbe raus!!!", schrien die Anhänger schon nach dem 0:1, vor der Halbzeit, während der zweiten Halbzeit und nach dem Schlusspfiff. Seit der Niederlage bei Bayern München am 25. Spieltag hat die Werkself in der Bundesliga nicht mehr überzeugt. Alles, was bis dahin funktionierte und Bayer 04 zu einer Art Geheimfavorit für den Titel machte, ist in der Zwischenzeit kaputt gegangen. "Dafür muss dann eben der Trainer als erster gerade stehen", sagte Michael Skibbe tapfer, "und ich stelle mich dieser Verantwortung."
Hertha BSC Berlin, längst gestrandet im Niemandsland der Liga, legte von der ersten Minute eine Entschlossenheit und Spritzigkeit an den Tag, vor der die Teilnahmslosigkeit des Leverkusener Teams erschreckend wirkte. Ein paar Chancen nach Ecken war alles, was Skibbes Mannschaft zustande brachte, ehe in der 26. Minute das Unheil begann. Castro verlor an der Strafraumkante einen Zweikampf gegen Raffel, Torjäger Marko Pantelic hatte sich an der 16-Meter-Linie frei gestohlen und schoss den Ball schlau ins lange Eck.
Es wäre auch an einem Tag ohne spielerische Mittel noch genug Zeit gewesen für ein Team mit Leidenschaft und Kampfeswillen, aber Bayer 04 ließ einfach alles vermissen. Skibbe stellte zur Halbzeit um, brachte Dum und Bulykin für Schwegler und Gekas. Barnetta wechselte die Position und spielte jetzt im defensiven Mittelfeld. Es folgte ein winziges Strohfeuer ohne nennenswerte Chancen. Und nach rund einer Stunde kam dann der Zusammenbruch. Stefan Kießling teilte einen Ellbogencheck in Richtung des Serben Gojko Kacar aus. Die Folge war ein Feldverweis von Schiedsrichter Kinhöfer. Fünf Minuten später brach der schnelle Pole Lukasz Piszczek in den Leverkusener Strafraum ein, René Adler holte ihn von den Beinen. Elfmeter. Sofian Chahed verwandelte sicher.
Was wie die Entscheidung schien, geriet noch einmal kurz ins Wanken, als Lukas Sinkiewicz in der 90. Minute nach einer Ecke per Kopf das 1:2 erzielte. Aber es war dann doch ein bisschen zu wenig und ein bisschen zu spät um den Bayer-Sturzflug aufzuhalten.