Trainer-Diskussion bei Bayer 04

  • Leverkusen (dpa) - Die Fans von Bayer 04 Leverkusen haben den Schuldigen für den sportlichen Sturzflug ausgemacht. Mit «Raus»-Rufen ließen sie nach dem kläglichen 1:2 gegen Hertha BSC ihren Frust an Chefcoach Michael Skibbe aus.


    «Wir haben zwei Drittel der Saison tollen Fußball zelebriert und die Fans verwöhnt. Schade, dass die Leute das so schnell vergessen», meinte Bayer-Sportdirektor Rudi Völler. «Es ist der Fluch der guten Tat. Vielleicht haben wir vorher einen Tick über unserem Niveau gespielt.»


    Trotz der sechs Niederlagen in den letzten acht Spielen, der aufgebrachten Anhänger und des drohenden Verlustes von Millionen-Einnahmen aus dem Europacup gibt Bayer-Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser dem Trainer Rückendeckung: «Der öffentliche Druck interessiert uns nicht. Wir lassen uns keine Diskussion aufzwingen.» Raum für Interpretation ließ dagegen Völler mit seiner Antwort auf die Frage nach einem Schulterschluss mit Skibbe: «Wir werden mit dem Trainer über alles reden.»


    Schließlich müssen die einst hochgelobten Bayern-Jäger, die an 19 von 32 Spieltagen der Bundesliga auf einem UEFA-Pokal-Platz standen, nun fürchten, noch Rang sechs und das UI-Cup-Ticket zu verlieren. «Es ist ein bitterer Moment», klagte Völler. «Wir haben noch eine kleine Chance in den UEFA-Pokal zu kommen oder das Minimalziel UI-Cup zu schaffen, doch die Gefahr droht, dass wir rausfliegen.» Nach der hilflosen Darbietung fehlt selbst dem Berufsoptimisten der Glaube an die Wende zum Guten: «Man hat nicht das Gefühl, dass wir es noch hinbekommen.» Der VfB Stuttgart ist schon drei Zähler weg und der VfL Wolfsburg punktgleich dicht hinter Bayer.


    Skibbe, seit Oktober 2005 in Leverkusen, äußerte Verständnis für den gegen ihn gerichteten Zorn der Anhänger. «Es ist das Recht der Fans, ihren Unmut auszudrücken. Da stelle ich mich, ich bin in der Verantwortung», sagte der 42-Jährige, für den der Durchhänger seiner Mannschaft kein Drama ist: «Ich sehe daran keine besondere Tragik, sondern nur, dass eine Entwicklung abrupt gestoppt wurde. Die Mannschaft hat Potenzial.»


    Als ungerecht empfindet es Bayer-Schlussmann René Adler, dass sein Coach an den Pranger gestellt wird. «Immer wird der Trainer verantwortlich gemacht, doch er hat hervorragende Arbeit geleistet. Wir werden als Team und mit dem Trainer da durch kommen.» Ursache für den Wandel vom Qualitäts- zum Angsthasen-Fußball sei neben physischem Substanzverlust vor allem die mentale Erschöpfung: «Viele haben im Kopf eine Blockade und damit kann man keinen selbstbewussten und erfolgreichen Fußball spielen.»


    Dass die Nerven in der Werkself blank liegen, zeigten die mit der Roten Karte geahndete Tätlichkeit von Torjäger Stefan Kießling an Gojko Kacar (61.) und Adlers Foul sieben Minuten später, das Sofian Chahed per Elfmeter zum 2:0 nutzte. Die Hertha-Führung hatte Marko Pantelic (26.) erzielt, Bayers Anschlusstor Lukas Sinkiewicz (90.).


    Vor den letzten beiden Partien bei Fast-Absteiger Hansa Rostock und gegen Werder Bremen will Skibbe seinen Spielern «Mut und Vertrauen» zusprechen. «Wir hoffen, da endlich wieder die gute Leistung hinzubekommen», sagte Skibbe, der mit seinem Team einen Tag früher ins Trainingslager an die Ostsee fährt. «Wir starten jetzt keinen Aktionismus, aber machen alles, dass sich die Spieler konzentriert vorbereiten können.»


    © sueddeutsche.de - erschienen am 08.05.2008 um 10:14 Uhr



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