VON DIRK MESCH, 07.05.08, 22:09h, AKTUALISIERT 08.05.08, 22:45h
LEVERKUSEN. Der Ball ruhte geschätzte 60 Sekunden, wütende Pfiffe und „Skibbe-raus-Rufe“ bildeten nach der soeben besiegelten Leverkusener 1:2-Niederlage gegen Hertha BSC eine höchst aggressive Klangkulisse in der rumorenden BayArena. Da erreichte der Mann im rot-schwarzen Trikot Rudi Völlers Platz auf der Ehrentribüne: „Das wird hoffentlich Konsequenzen haben“, giftete er Leverkusens Sportdirektor an. „Das tut einem als Fan in der Seele weh.“
Die maßlose Enttäuschung über eine erneut weggeworfene Chance im Rennen um die Uefa-Cup-Ränge ließ den empörten Herrn mit Vereinsbrille selbst vor der doch eigentlich unter Artenschutz stehenden Club-Ikone nicht Halt machen. Aber Völler nahm die Kopfwäsche devot hin: „Mir tut es auch weh“, antwortete der Fußball-Weltmeister nur, süß-sauer lächelnd. Um eher an sich selbst gewandt anzufügen: „Das gehört halt auch zu meinem Job.“
Kein schöner, derzeit. Wohin man auch blickte und hörte an diesem lauen Frühlingsabend, überall schwoll den „Werkscluberern“ der Kamm. Schon zur Halbzeit hatte beim Stand von 0:1 nach einem Pantelic-Treffer (26.) vor allem Michael Skibbe mächtig was zu hören bekommen. Nach der sechsten Pleite aus den letzten acht Spielen, die sogar Platz sechs und damit die Teilnahme am UI-Cup massiv gefährdet, war der Trainer dann endgültig zur Zielscheibe geworden.
„Das muss der
Michael abkönnen“
Doch auch Skibbe akzeptierte den rüden Umgangston: „Es ist das Recht der Fans, ihren Unmut auszudrücken. Ich bin es, der in erster Linie für unsere Leistungen gerade stehen muss.“ Und die sind mittlerweile bedenklich. Weshalb auch Völler die Proteste des Fan-Volks als „normal“ titulierte und dem Adressaten ein dickes Fell empfahl: „Das muss der Michael abkönnen.“ Auf eine Trainerdiskussion wollte sich Bayers starker Mann vor dem morgigen Gastspiel in Rostock und dem Saisonfinale zu Hause gegen Bremen nicht einlassen. Gleichwohl erklärte Völler: „Wir werden nach der Saison mit dem Trainer über alles reden.“
Das muss nicht, kann aber Ungutes bedeuten für den Coach, der seine Männer derzeit „am Rande der Belastbarkeit“ sieht. Selbst für Völler „sieht es momentan nicht danach aus, dass wir es schaffen können“ - gemeint ist der neuerliche Sprung ins internationale Geschäft. Mit einem derart angeschlagenen Personal wohl kaum. Torhüter René Adler sieht vor allem „ein Kopfproblem. Viele Spieler erleben die erste Krise ihrer Karriere. Man kann nicht gerade sagen, dass wir vor Selbstvertrauen strotzen.“ Da gerät selbst der Auftritt beim designierten Absteiger Rostock zum Charaktertest. „Aber Charakter hat die Mannschaft“, attestierte Völler. Adler schlug in dieselbe Kerbe: „Mir soll keiner erzählen, dass von der Nummer 1 bis zur Nummer 25 nicht alle kämpfen.“
Einer tat das nachweislich immer: Stefan Kießling. Dessen Saison aber ist wegen seiner Roten Karte nach einer Tätlichkeit gegen den Berliner Gojko Kacar (61.) beendet. Der Stürmer wurde gestern vom DFB-Sportgericht für zwei Spiele gesperrt. Kießlings Ausfall brachte Bayer gegen die Hertha endgültig aus dem Gleichgewicht - und möglicherweise fatale Langzeitfolgen in Form von Europacup-Abstinenz mit sich. Wohl auch deshalb trat er bei seinem Abgang eine Werbebande ein.
Quelle: http://www.rundschau-online.de…tikel/1210111255453.shtml