Lockerheit ist Verpflichtung
VON UDO BONNEKOH
(RP) Leverkusens Trainer Michael Skibbe spielt mit dem Gedanken, den 18-jährigen Marcel Risse heute in Rostock in die erste Formation zu berufen, weil der Youngster für die Unbekümmertheit steht. Der Coach fordert zu Mut zum Risiko auf.
Sie kamen lachend und scherzend herüber von den Kabinen und näherten sich wiegenden Schrittes dem Platz hinter der Haberland-Halle, wo sie in praller Mittagssonne ihr Abschlusstraining absolvierten vorm Flug nach Rostock.
Und wer nicht genau wüsste um die aktuelle sportliche Lage bei Bayer, hätte bei Ansicht von Trainer Michael Skibbe und seinem Kapitän Simon Rolfes glatt auf die Idee kommen können, es stehe zum Besten um die Leverkusener vor ihrer heutigen Partie beim potenziellen Bundesliga-Absteiger Hansa an der Ostsee.
"Die Mannschaft gut ein- und aufstellen", sagt Skibbe auf die Frage nach seiner Rezeptur, um bei den Seinen die akute Blockade in Köpfen und Beinen zu lösen. Denn die ist ja da, wie alle Zuschauer spätestens beim 1:2 gegen Berlin haben verfolgen können.
"Wenn du eine solche Serie hinter dir hast wie wir, strotzt du nicht gerade vor Selbstvertrauen", erläutert Torwart René Adler, der als einziger Leverkusener nicht beladen zu sein scheint mit einem Tornister voller Wackersteine.
Was er in Einzelgesprächen mit den Spielern oder in kleinen Zirkeln schon besprochen hat oder noch bereden will zur psychischen Ertüchtigung, gibt Bayers Trainer nicht preis. "Das gehört nicht in die Öffentlichkeit, das bleibt in unseren vier Wänden", betont er.
Eine Skibbesche Methode zur Therapie von kollektiver Trübsal freilich lässt sich dennoch erkennen: Der Fußballlehrer erklärt die Lockerheit quasi zur Verpflichtung. "Wir dürfen beim Spiel nicht in Hektik oder Angst verfallen. Jeder muss wieder den Mut zum Risiko haben", sagt er. Und womöglich geht er mit der Courage sogar voran in der in jüngster Vergangenheit viel veränderten Formation.
"Es kann gut sein, dass Marcel Risse sogar von Beginn an spielt", sagt der Coach. Risse ist ein 18-jähriger A-Junior, der gegen Hertha eine knappe Viertelstunde an der rechten Außenseite tätig war, frei von mentaler Bürde. Und der zweite Youngster, der Bayers Kader komplettiert, ist Jens Hegeler, der Verwendung finden kann in Abwehr und Mittelfeld.
Bernd Schneider operiert, Karim Haggui außer Gefecht mit seiner Leistengeschichte, Stefan Kießling gesperrt, Paul Freier nicht einsatzbereit wegen eines lädierten Fußes, da wird die Stamm-Belegschaft so dünn, dass selbst der schon vor einiger Zeit zum Stand-by-Profi erklärte Carsten Ramelow noch mal zu Ehren kommen sollte.
Das Knie aber macht dem Blonden wieder zu schaffen und hindert ihn an der Mitreise. Auf einen Mann indes kann und will Skibbe überhaupt nicht verzichten. "Der Sergej Barbarez ist einer der wenigen Verbliebenen, die führen können, und das wird er auch in Rostock tun. Da bin ich mir sicher", bekräftigt der Trainer, der selbstverständlich auch auf Simon Rolfes setzt, den in seinem Bemühen unangreifbaren.
Irgendwann klagt Skibbe noch mal über den kleinen Kader und darüber, dass "wir nach dem Bayern-Spiel alle Klasse verloren haben".