Leverkusen (RP) Mit Hüftwackeln und Armrudern brachte Bayer Leverkusens Keeper die Elfmeterschützen von Espanyol Barcelona im zweiten Finale aus dem Konzept. Bayer machte das 0:3 aus dem Hinspiel wett und setzte sich schließlich durch. Eine Erinnerung.
In diesen Tagen ist Rüdiger Vollborn ein höchst gefragter Gesprächspartner. Kein Wunder, ist es doch am Sonntag auf den Tag genau 20 Jahre her, dass Bayer 04 im Ulrich-Haberland-Stadion Fußball-Geschichte schrieb. Star der erfolgreichen Aufholjagd gegen Espanyol Barcelona – die Spanier hatten das erste Treffen mit 3:0 gewonnen – war der schüchterne Berliner im Leverkusener Tor.
Vollborn parierte im Elfmeterschießen gegen Zuniga und brachte mit seinen unkonventionellen Bewegungen offensichtlich auch den letzten Schützen Losada derart aus dem Konzept, dass er das Spielgerät über das Tor beförderte.
Der Rat der Therapeutin
„Das war der schönste Tag in meinem Leben“, schwärmt Vollborn – bei Bayer als Torwart-Trainer beschäftigt – bis heute. Anteil an diesem Triumph trugen seiner Meinung nach eine Menge Leute. Sicherlich die Fans, die mächtig Stimmung machten und Zuversicht demonstrierten, natürlich auch die Mannschaftskollegen und Trainer Erich Ribbeck, der zur Halbzeit eine sehr kurze Ansprache hielt.
„Er sagte zu uns, wir sollten für die Fans gewinnen – und vielleicht ginge ja noch etwas, wenn wir ein Tor erzielten“, erinnert sich der Keeper. Eine Dame hat ebenfalls Einfluss auf das Ergebnis des Elfmeterschießens gehabt. Doch ihr Name taucht in keiner Rückblende auf jenen Abend auf.
Es handelt sich um Vollborns Psychotherapeutin. „Mir ihr habe ich darüber gesprochen, wie ich einen Elfer-Schützen aus dem Konzept bringen kann. Sie antwortete, ich müsse dazu etwas Ungewöhnliches tun“, verrät Vollborn. Und an diesen Ratschlag erinnerte er sich – mit Erfolg. Heraus kam jenes Hüftwackeln und Armrudern, bei dem weder Zuniga noch Losada trafen.
Bayer 04 spielte im Final-Rückspiel in folgender Besetzung: Vollborn, Rolff, Seckler, A. Reinhardt, K. Reinhardt, Schreier (46. Waas), Buncol, Falkenmayer, Bum-Kun Cha, Götz, Tita (62. Täuber). Die Tore erzielten Tita (56.), Götz (63.) und Cha (81.). Im Elfmeterschießen scheiterte Falkenmayer, Rolff, Waas und Täuber verwandelten.
Während die Spanier, die zur Halbzeit den mitgereisten Journalisten bereits siegessicher Interviews gaben, vom Platz schlichen, war Vollborn schnell verschwunden in einer Traube jubelnder Kollegen. Die anschließende Feier war dem Keeper dann jedoch deutlich zu kurz: „Um eins waren wir alle zu Hause.“ Schlafen konnte er jedoch noch nicht. Erst sah Vollborn sich das gesamte Spiel auf Video an, dann wieder und wieder das Elfmeterschießen.
Weniger Probleme mit dem Einschlafen hatte Erich Seckler. „Wir hatten schließlich genug Bier getrunken“, gibt der heutige Trainer des Bezirksligisten SSV Berghausen zu, für den der Triumph mit Bayer als „Baumberger Jung“ etwas ganz Besonderes gewesen ist. Auch einige Freunde waren an diesem Maiabend im Ulrich-Haberland-Stadion. Nicht alle blieben bis zum erfolgreichen Abschluss der Partie. „Einige aus meinem Bekanntenkreis sind zur Halbzeit gegangen, weil sie uns diese Wende nicht mehr zugetraut haben“, sagt Seckler.
Mit dem Gedanken an Flucht spielte auch Andreas Paffrath. Der heutige Leverkusener Fanbeauftragte – seinerzeit Mitglied im 1. Fanclub – verabschiedete sich sogar von seinen Kumpels. „Ich wollte wirklich gehen und mir irgendwo ein Bier trinken“, gibt „Paffi“ zu. Doch als er ansetzte, das Stadion zu verlassen, überlegte er es sich anders.
„Ich weiß nicht warum, aber ich war plötzlich fest davon überzeugt, dass wir das packen“, sagt er. Seckler brauchte etwas länger zur Zuversicht. Als Tita in der 56. Minute das 1:0 erzielte, da legte sich auch bei dessen Teamkollegen der Schalter um. „Unglaublich, was ein Tor alles ändern kann“, meint der Trainer des SSV Berghausen. Seine Stimme verrät deutlich, welche Faszination und Bezauberung dieser Abend auch 20 Jahre später noch auf alle Beteiligten ausübt.