München - Es ist das vernichtendste Urteil für einen Mann. So etwas wie die ultimative Herabsetzung.
"Du bist nett."
Man kennt es vom x-beliebigen Kumpel aus dem Freundeskreis. Er führt seine Angebetete ins schicke Restaurant, wäscht ihr Auto oder trägt die Wasserkisten in ihre Altbau-Wohnung im siebten Stock.
Doch was er am Ende hört, ist ein entschuldigendes "Du bist nett. Aber..."
Alle Saison-Ziele verpasst
Michael Skibbe ist auch nett. Er wirkt freundlich, aufgeschlossen, integer. Rundum: Ein dufter Typ.
"Michael, du bist nett. Aber..." Aber: Skibbe hat mit Bayer Leverkusen nach dem 0:1 gegen Werder Bremen den UEFA-Cup verpasst. Durch den Absturz auf Rang sieben sogar den UI-Cup.
"Michael, du bist nett. Aber du hast alle Saison-Ziele verpasst."
Das vernichtendste Urteil für einen Fußball-Trainer. So etwas wie die ultimative Herabsetzung.
Einbruch im März
Nach durchwachsenem Saisonstart stand Leverkusen seit dem zwölften Spieltag unter den Top sechs. Zeitweise schien selbst die Champions-League-Qualifikation möglich, in dieser Phase war die BayArena ein Hot Spot für Fans des ästhetischen Offensiv-Fußballs.
"Bayer, du bist echt sexy."
Doch wie so oft in der Post-Calmund-Ära ging Bayer urplötzlich die Leichtigkeit des Seins verloren. Irgendwann mal, so Mitte März, implodierte das vormals so ansehnliche Gebilde. Neben dem UEFA-Cup-Aus im Viertelfinale gegen St. Petersburg setzte es in den letzten zehn Ligaspielen sieben Niederlagen.
Holzhäuser tief enttäuscht
"Die Enttäuschung sitzt tief. Man muss erst einmal verarbeiten, dass wir nach vielen Jahren erstmals nicht international dabei sind", sagt Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser. "Man sollte ein, zwei Tage darüber schlafen und dann eine akribische Analyse erstellen, woran es gelegen hat, dass wir in der Rückrunde derart stark abgefallen sind."
Übersetzt: "Michael, du bist nett. Aber wir müssen klären, warum wir alle Saison-Ziele verpasst haben."
"Skibbe raus!"
Seit langem bewegt sich Skibbes Symphatiewert bei den Leverkusener Fans im Minusbereich. Gegen Bremen gab es die üblichen "Skibbe raus!"-Rufe, als der Coach in der 66. Minute trotz eines unzureichenden 0:0-Zwischenstands ausgerechnet Dimitriy Bulykin, den einzigen Stürmer auf dem Platz, für Theofanis Gekas, den einzigen Stürmer auf der Bank, auswechselte.
"Ich habe schon Verständnis für die 'Skibbe raus'-Rufe", so Holzhäuser, der aber auch sagt: "Skibbe leistet gute Arbeit. Mit dem Thema Trainer beschäftigen wir uns nicht."
Nach wie vor genießt Skibbe dank seiner Freundschaft zu Sportdirektor Rudi Völler eine Art Amnestie in Leverkusen. Spielt Leverkusen schlecht, liegt es am jungen Kader. Oder an den klammen Kassen. Oder am jungen Kader. Oder an den klammen Kassen.
Klopp und Labbadia als Kandidaten
Aber nach Platz sieben wäre im Sommer womöglich die Zeit gekommen, um auf die Reset-Taste zu drücken. Sprich: Den Trainer auszutauschen. Vielleicht mit Fürths Bruno Labbadia. Oder Jürgen Klopp, der mit seiner offensiven Spielphilosophie wie geschaffen scheint für Leverkusen.
Denn: Das Team ist schlicht zu gut, um nur Siebter zu werden. Skibbe gelang es einfach nicht, die Mannschaft insofern zu festigen, dass sie einigermaßen konstant durch eine Saison kommt.
"Bayer, du bist nett. Aber du bist nicht erfolgreich."
Magath wußte es schon die ganze Zeit
Sexy ist mittlerweile der andere Werksklub, der VfL Wolfsburg. Nachdem die Klubspitze mit der Verpflichtung von Trainer/Sportdirektor/Geschäftsführer Felix Magath vor der Saison den erwähnten Reset-Knopf tätigte, hat der Verein den mittelmäßigen Mief vergangener Tage abgelegt.
Durch das 4:2 in Dortmund sprangen die Wölfe auf Platz fünf und damit in den UEFA-Cup, aber was vielleicht am wichtigsten ist: Mit dem Erfolg veränderte sich sukzessive das Selbstverständnis des Vereins.
"Ich habe der Mannschaft schon in der Winterpause gesagt, dass wir noch da oben reinrutschen können", sagt Magath. "Man kann sich manchmal auch nicht gegen den Erfolg wehren."
Caipirinha und Bier
Nur das mit der Feierei zum Ausstand der überaus erfolgreichen Spielzeit hatte Magath nicht so recht eingeplant: "Wir haben nichts vorbereitet, aber wir werden schon genügend Gelegenheiten finden zu feiern."
Korrektur: Es wurde etwas vorbereitet. Von Marcelinho, der zu Ehren seines 33. Geburtstags und der besten Bundesliga-Platzierung in der Geschichte des VfL ankündigte: "Heute Abend wird noch schön gefeiert. Es gibt Caipirinha und ein paar Bier!"
Vielleicht trägt ja der nette Michael die Getränke in die Wohnung...