Von Lucas Vogelsang
Donnerstag den 22.05.2008 11:51
Tante Käthe will nicht mehr
Ein blass wirkender Trainer hat auch in Leverkusen keine Sonne mehr gesehen: Michael Skibbe wurde gefeuert. Am Ende konnte ihn auch eine der letzten echten Männerfreundschaften der Bundesliga nicht mehr retten.
Die Liebe der grau gelockten Tante auf der Tribüne konnte sich Michael Skibbe immer gewiss sein. So schien es. Doch jetzt hat die nette Tante Käthe plötzlich ernst gemacht. Skibbe ist nicht mehr Trainer bei Bayer Leverkusen. Völler hat seinen langjährigen Weggefährten geopfert, um das Projekt Bayer Leverkusen nicht zu gefährden.
Michael Skibbe war innerhalb weniger Monate vom umjubelten Reformator zum Buhmann mutiert. Am vergangenen Samstag, im letzten Spiel der Saison hatte die Bayer-Kurve ihr Urteil über den Trainer verhängt. Skibbes Mannschaft lag gegen Werder Bremen zurück und war dabei, das schon so sicher geglaubte Ticket nach Europa in letzter Sekunde zu verspielen. Und dann machte Skibbe etwas, das so typisch Skibbe ist: Er bekam Angst, er traute sich nicht richtig. Wie schockgefrostet stand er in seiner Coachingzone. Schließlich brachte für den Stürmer Bulykin dessen griechisches Äquivalent Theofanis Gekas. Unbedingte Offensive sieht anders aus. Das Publikum tobte, schnaubte kollektiv vor Wut.
Auf der Tribüne musste sich Rudi Völler eingestehen, dass dieser Skibbe, sein persönlicher Protegé, eben kein Daum ist. Eine Gewissheit, die ganz subtil irgendwie schon immer durch die BayArena gegeistert war.
Die Medien am Rhein konnten mit Skibbe eh nie viel anfangen. Und die Fans, ähnlich wie damals in Dortmund, duldeten ihn auch nur so lange, wie die Mannschaft sich durch die Liga zauberte. Skibbe, eigentlich mit einem Vertrag bis 2009 ausgestattet, war insgeheim immer ein Wackelkandidat. Ein Fakt, den viele gute Spiele und die schützende Hand Rudi Völlers jedoch weitestgehend übertünchen konnten.
Skibbe und das neue, abgespeckte Leverkusen, ohne Brasilianer, ohne Rainer Calmund und ohne das ganz große Pillengeld, das schien dann ja doch irgendwie zu passen.
Völler und Skibbe hatten ein Konzept, sie bauten ein Team mit Perspektive auf, das besser deutsch sprach als portugiesisch, voll von jungen deutschen Nationalspielern und jungen deutschen Spielern, die noch in die Nationalelf wollten. Dazu ein, zwei Routiniers. Der ewige Schneider und ein altersmilder Barbarez.
Das Vertrauen des Vorstands schien grenzenlos
Skibbe schien in der Hinrunde dieser Saison mit einem Mal die richtige Zauberformel gefunden zu haben, er hatte sich tapfer die Kochmütze aufgesetzt und alle Zutaten im richtigen Verhältnis miteinander gemischt. Und ganz plötzlich ließ dieser Michael Skibbe, der spießige Schatten von Rudi Völler, den attraktivsten Fußball der Liga spielen. Das Vertrauen des Vorstands schien grenzenlos. Kurz vor Lebenszeitvertrag. Doch die frühlingshafte Gute-Laune-Orgie unterm Bayer Kreuz war eben nur eine gut einstudierte Scharade.
Denn Skibbe konnte für einen Verein wie Bayer Leverkusen, der noch immer mit einem närrischen Auge nach ganz oben schielt, nur eine Übergangslösung sein. Jemand, der zuverlässig und ohne laute Unmutsbekundunge, den Grundstein legen sollte für den späteren Erfolg eines medienkompatibleren Nachfolgers des Typus Jürgen Klopp. Skibbe hat sich zwar immer bemüht, ihm das abzusprechen wäre schlichtweg unfair, aber er kann eben auch kaum anders. Er ist kein großer Rhetoriker, und wenn er dann doch das Wort ergreift, wirkt es seltsam einstudiert, als wolle er um jeden Preis gefallen.
Michael Skibbe ist ein Mann für die zweite Reihe. Hinter den Kulissen ist der fleißige Arbeiter und penible Stratege für jeden Verein eine Bereicherung. Nur ganz vorne, direkt an der Front, im Schützengraben mit Medien und Fans, steht er eben zu oft einfach nur im Weg. Denn Skibbe spielt, realistisch betrachtet, in einer Liga mit Michael Henke, der sich nach einem kurzen Ausflug als Cheftrainer beim 1. FC Kaiserslautern, sofort wieder reumütig hinter Ottmar Hitzfeld eingeordnet hat. Im Kreis der großen deutschen Trainer ist er auch nach zehn Jahren nicht angekommen.
Und so hat Skibbe bei Bayer in den zweieinhalb Jahren und besonders in dieser Saison dann auch deutlich über seine Verhältnisse gelebt. Zeitweilig sah es ja sogar fast so aus, als würde er jetzt nach zehn Jahren als Trainer endlich die Rolle des ewigen zweiten Mannes abstreifen können. Doch das Kostüm passte ihm dann doch einfach zu gut.
Skibbe ist eben kein Gesicht für die Titelseite, kein zuverlässiger Schlagzeilenlieferant. Nie würde er seine Spieler über Scherben laufen lassen oder mit einem Megafon auf den Tribünenzaun klettern. Humba, humba, täterä. Ohne Skibbe. Das einzige, worüber sich der Trainer Skibbe definieren lässt, ist immer seine Arbeit gewesen. Das ist in vielen Situationen sein großes Plus, doch in den entscheidenden Momenten macht es ihn angreifbar, weil die nackten Zahlen auf seiner Seite sein müssen, damit man ihm sein prüdes Auftreten nachsehen kann.
Doch eben die haben in den letzten Wochen nicht mehr gestimmt. Skibbe hat trotzdem immer weiter gearbeitet. Er hat sich tapfer der Presse und vor die Mannschaft gestellt. Verändert hat er nichts. Deshalb hat er auch Gekas für Bulykin gebracht. Und sich damit am Ende selbst ausgewechselt.