„TV total Autoball-EM 2008“ Teil I
Der Ball ist wund
ERSTELLT 07.06.08, 09:43h, AKTUALISIERT 07.06.08, 09:46h
Nicht vor Ort und trotzdem live dabei: Martin Weber guckt die „TV total Autoball Europameisterschaft 2008“. Zahlreiche Autos müssen bei dem fünfstündigen Raab-Event dran glauben. Am Ende dann der große Triumph: Deutschland ist Europameister!
Nicht vor Ort und trotzdem live dabei: Martin Weber guckt die „TV total Autoball Europameisterschaft 2008“. Im Vorfeld dieser Veranstaltung kann man zum wiederholten Mal das feststellen, was man immer feststellen kann, wenn es um den Ehrgeizling in Stefan Raab geht: Der Mann schafft es wie kein Zweiter im deutschen Farbfernsehen, kleine Duelle, die man irgendwo zwischen Kindergeburtstag und Bundesjugendspielen einsortieren kann, zu großen Shows aufzublasen. Im vergangenen November trug es sich zu, dass im Kontext von „Schlag den Raab“ ein Wettkampf mit diesen Koordinaten stattfand: ein Spielfeld, zwei Autos, ein übergroßer Ball. Es galt, mit flotter Schalttechnik, fixen Wendemanövern und forscher Fahrkunst den Ball ins gegnerische Netz zu bugsieren. Was Herr Raab natürlich schaffte; er gewann haushoch gegen seine Kontrahentin. Und siehe da: Nur etwas mehr als ein halbes Jahr später geht das Spiel von einst als eigenständiges Event auf Sendung – bei den öffentlich-rechtlichen Sendern wäre so etwas ein Ding der Unmöglichkeit; es dauert eben seine Zeit, bis ein potenzielles neues Format bis zu 16 Gremien und schätzungsweise 43 Rundfunkratssitzungen durchlaufen hat. „Gut Ding’ braucht lang’ Weil“ gilt bei Herrn Raab natürlich nicht, und deshalb treten heute Abend acht Fahrer aus acht Nationen gegeneinander an. Kupplung treten, Gang rein, und zackig Gas geben ¬– it smells like Superbenzin-Spirit; gleich geht’s los…
20.12 Uhr Mal sehen, wer wem eine Beule ins Auto fährt; es setzen sich hinters Steuer: Herr Raab (Deutschland); Thomas Muster, Ex-Tennisprofi (Österreich); Bülent Ceylan, Comedian (Türkei); Sergej Barbarez, bis zum Ende der Spielzeit 2007/08 Bundesligaprofi bei Bayer 04 Leverkusen (Bosnien-Herzegowina); Joey Kelly, ehedem musikalischer Lumpenkönig im Kontext der Kelly Family, heute Extrem-Sportler (Irland); Patrick Nuo, Gelegenheits-Model und Gelegenheits-Sänger (Schweiz); Dariusz Michalczewski, Ex-Boxprofi (Polen) und Giovanni Zarrella, Ex-Tanzesel bei Bro’Sis, heute Casting-Opfer und Aushilfsmoderator beim DSF.
20.15 Uhr Lichtspektakel, Fanfarengetute, horrido und hurra die Gams!: ProSieben inszeniert das Ganze wie immer nach allen Regeln der Privatfernsehenkunst. Es moderiert: Oliver Welke. Es musiziert: das Musikkorps der Bundeswehr aus Siegburg.
20.19 Uhr Einzug der Motor-Gladiatoren; noch müssen sie nicht selbst hinters Steuer. Buhrufe für Italien. Recht so: Das Halbfinale der Fußball-WM 2006 ist nicht vergessen. Und Rache ist und bleibt, genau: Blutwurst. Und damit müsste sich der gelernte Metzger Raab doch bestens auskennen. 20.23 Uhr „Ich gebe heute Abend alles für mein Land“, verspricht Herr Raab. „Autoball is coming home“, analysiert Herr Welke, „wir haben die beiden Lieblingsdisziplinen der Deutschen zusammengebracht: Autofahren und Fußball.“
20.26 Uhr Spielfeld-Reporter Matthias Opdenhövel sieht nicht ganz unparteiisch aus, er trägt eine Trainingsjacke in den deutschen Nationalfarben. Die Maße des Spielgeräts: zwei Meter im Durchmesser, 15 Kilo schwer. Die Maße der sendereigenen BerufsBlondine Sonya Kraus: egal. Viel wichtiger ist die Farbe ihrer Stiefel. Für die Treter musste doch nicht etwa Kermit sein Leben lassen?! Ob Froschleder oder nicht: die Stiefel sind schon sehr Kermit-farben.
20.31 Uhr Erstes Spiel der Gruppe A: Italien gehen Irland. Herr Opdenhövel fällt vorab eine nicht ganz uninteressante Frage ein: „Wie macht ihr Italiener das mit einer Schwalbe im Auto?“ Die Spielzeit: fünf Minuten, die Tore sind so breit wie ein Fußballtor (7,32 Meter), die Höhe: vier Meter.
20.35 Uhr Eigentor Italien. Dann: Blech-Küsserei, Karambolage de luxe. Mit der Konsequenz, dass das erste Spielgerät den Geist aufgibt, die Luft ist raus. Wird bestimmt noch öfter passieren im Laufe des Abends. Jede Wette, dass immer mal wieder gilt: Der Ball ist wund.
20.39 Uhr Herr Kelly fährt Herrn Zarrella den ersten Blötsch in die Seite. Zwischenstand: 2:1 für Irland. Hernach die erste Reparatur des Abends, die Stoßstange von Herrn Kelly wird extrem unkonventionell repariert: Wofür Gaffa Tape doch alles gut ist.
20.42 Uhr Herr Kelly sperrt ohne Ball. Im Auto. Sind wir hier beim Stockcar-Rennen? Herr Zarrella schiebt Herrn Kelly vor sich her wie ein Gartenzwerg seine Schubkarre. Herrlich, wie ambitioniert die Spielerfahrer bis dato das ganze große Nichts angehen; Rudelbildung beim Autoball!!! Ex-FIFA-Schiedsrichter Aust hat das Spiel im Griff und pfeift. Beziehungsweise: lässt hupen. Ergebnis: 2:1 für Irland.
20.56 Uhr Was für eine Paarung, die Spielansetzung ist gelungen: 48 Stunden, bevor Ballack und Poldi in Klagenfurt kicken, spielt Deutschland in der Kölnarena schon mal gegen Polen. „Wie ist es, zum ersten Mal legal in einem fremden Auto zu sitzen, Darius?“, fragt Herr Opdenhövel Raabs Gegner.
21.00 Uhr Lupfer Raab, 1:0 für Deutschland. Wäre auch am Sonntag ein prima Ergebnis. Olli Neuville, übernehmen Sie!
21.02 Uhr Und da ist er wieder, der Ehrgeizling Raab. Er drischt den Ball mit Vollgas ins Tor. Und brettert mit dem Auto gleich hinterher. Ob man im Tor parken darf? Vorbildhaft: Wenn Mertesacker und Metzelder übermorgen auch so verteidigen wie Herr Raab heute, ist die Sache geritzt.
21.04 Uhr Herr Raab legt los wie die Autoballfeuerwehr. Zwischenstand 4:0.
21.06 Uhr Der Ehrentreffer für Polen. Herr Michalczewski verkürzt auf 1:4. Dann wieder Raab, mit einem Doppelschlag. 6:1. Die 13000 Zuschauer in der Kölnarena sind erstmals enthusiasmiert. Klarer Turnierfavorit, der Herr Raab. Oder etwa nicht?
21.11 Uhr Ein brisantes Duell, das es auch bei der richtigen EM geben wird: Schweiz gegen die Türkei. Herr Nuo ist erst seit einem Jahr im Besitz der Fahrerlaubnis. Geht trotzdem blitzschnell in Führung. Nach einem Crash verliert das Spielmobil von Herrn Ceylan Kühlwasser, das Ersatzfahrzeug muss her. Und das Spielfeld erst einmal mit Sand wieder bespielbar gemacht werden.
21.24 Uhr Fortsetzung des Spiels Schweiz gegen Türkei. Herr Raab und Herr Welke üben sich erfolgreich in Phrasendrescherei: „Es gibt keine kleinen Autoball-Nationen mehr.“
21.27 Uhr Doppelschlag. Die Türkei führt 2:1. Ausgleich Schweiz. Dann funkt auch das Gaffa Tape an Herrn Nuos Wagen SOS; ein Bagger entfernt das Schweizer Spielmobil von der Wettkampffläche. Kühlwasser-Festival allerorten.
21.31 Uhr Spielwertung, vor allem mangels Autos: 2:2. Herr Ceylan hat bereits Auto Nummer zwei geschrottet. Ob ein Autohändler aus dem Großraum Köln noch einen Kleinwagen spendiert?
21.36 Uhr Nächstes Spiel: Österreich gegen Bosnien-Herzegowina. Herr Barbarez netzt mit der Stoßstange ein. Ob „Es-gibt-nur-ein’-Rudi-Völler“ doch noch mal über eine Vertragsverlängerung bei Bayer 04 Leverkusen nachdenkt?
21.38 Uhr Eigentor von Herrn Muster. So wird das nix, ihr Ösis. Cordoba? Pah!!!
21.41 Uhr 1:2 Österreich. Plattfuß in der Kölnarena, Herr Barbarez hat vorne rechts keine Luft mehr im Reifen. Ausgleich Österreich. Dann: Handspiel Österreich. Das Spiel ist aus, aus, aus!!! „Leistungsgerechtes Unentschieden“, sagt Reporter Buschmann. Auf dass das Phrasensparschwein voll wird.
21.46 Uhr Mal abgesehen von der doch sehr lästigen Band Revolverheld, kommt nunmehr ein weiterer einfältiger EM-Song. Erster Musicact des Abends: Shaggy mit „Feel The Rush“, dem offiziellen EM-Liedchen. Hach, was sehnt man sich nach Baddiel, Skinner und den Lightning Seeds mit „Three Lions“! War – IST – das eine Fußballhymne!
22.03 Uhr Irland gegen die Schweiz. Fahr-Novize Nuo schlägt sich bis jetzt beachtlich.
22.06 Uhr 1:0 Irland. Plattfuß bei der Schweiz. Das Ganze hat jetzt einige Längen. Plattfuß. Kühlwasser. Gaffa Tape. Und alles noch einmal von vorn.
22.10 Uhr Irland gewinnt 4:1, Herr Kelly fährt ins Halbfinale. Für die Schweiz gilt: Wer bremst, verliert.
22.14 Uhr Polen gegen Österreich. Langweiliges Spiel, maue Stimmung vor Ort in der Kölnarena. 2:0 für Österreich.
22.22 Uhr Die Dr. Müller-Wohlfahrts unter den Autoschraubern haben hinter den Kulissen ganze Arbeit geleistet: Bülent Ceylan hat tatsächlich wieder ein fahrtüchtiges Auto. Trotzdem: Italien führt rubbeldiekatz 2:0.
22.26 Uhr Ob Herr Ceylan besser fahren würde, wenn er einen 3er-BMW unter dem Hintern hätte? Oder ist das jetzt zu viel des Klischees? Zwischenstand: 4:1 für Italien.
22.31 Uhr Kantersieg für Italien, 7:1.
22.39 Uhr Bisher hierher eher ein suboptimales „Event“ der Marke Raab. Man möchte die Semi-Prominenz einfach mehr leiden sehen, etwa so wie beim Turmspringen. Oder wie bei der Wok-WM. Okay: Raab ist ehrgeizig wie immer. Aber im Blechkäfig und unterm Sturzhelm blamiert sich der Rest der Teilnehmer irgendwie nicht zünftig genug – jedenfalls nicht in Sinne des Privatfernsehens. 22.43 Uhr Die sendereigen Vermarktungskette rasselt: Elton dilettiert als Fußballsänger. Mit dem Titel „Allemann“, und zusammen mit der Band „Peilomat“ (was für Provinz-Heinis!) – die hat mal erfolglos am „Bundesvision Song Contest“ teilgenommen.
22.49 Uhr Deutschland gegen Bosnien-Herzegowina. Raab rammt Barbarez im Rückwärtsgang, Nutzt alles nix. 1:0 für Bosnien-Herzegowina.
22.52 Uhr Ausgleich und sofort erneute Führung für Bosnien-Herzegowina. Was erlaube Raab?
22.55 Uhr Was für ein Favoritensturz! Herr Barbarez gewinnt durch geschickt gesetzte Bremsspuren und verschlepptes Konterspiel mit 3:1. Wann hat Raab das letzte Mal ein Spiel mit Motorbeteiligung verloren? Hat er überhaupt schon mal ein solches abgegeben? Macht Raab jetzt auf Spontan-Grieche, stottert sein Ottomotor?