Karriere als Sportler
VON SUSANNE ROHLFING, 06.06.08, 21:03h
Viele Kinder träumen von einer Karriere als Fußballstar. Der elfjährige Benjamin Henrichs spielt seit vier Jahren in der Jugend von Bayer 04 Leverkusen. Ein Talentspäher wurde auf ihn aufmerksam.
Benjamin Henrichs will Fußballprofi werden. Wie so viele Jungs. Der Elfjährige findet seinen Traum nicht besonders verwegen. „Jetzt bin ich doch schon mal hier“, sagt er. Hier im Fahrwasser eines Erstligisten. Bei Bayer Leverkusen, als Mitglied einer hochprofessionell organisierten Jugendabteilung. Seit vier Jahren trainiert Henrichs auf dem perfekt gestutzten, knackig grünen Rasen am Jugendzentrum Kurtekotten. Das steigert das Selbstvertrauen. Einen Notfallplan hat der hübsche Junge mit der imposanten Rastalocken-Mähne trotzdem. Falls doch etwas schiefgehe? „Dann werde ich Schriftsteller.“
Benjamin Henrichs und seine elf Kollegen aus der U 11 werden von drei Trainern betreut. Aufwärmen können sich die Kinder allein. Konzentriert und erstaunlich diszipliniert traben und hüpfen sie auf und ab. Das Techniktraining im Anschluss ist Luxus pur: Jeweils ein Coach kümmert sich um nur vier Kinder. Burak Yildirim, 30 Jahre alt und seit zwölf Jahren Trainer bei Bayer, ist einer dieser Übungsleiter, wie man sie sich wünscht: freundlich und streng zugleich.
„Das Füßchen schlabbert dir ja richtig weg, mach den Fuß fest“, ruft er dazwischen. Oder: „Hui, da haben wir aber wieder Watte im Schuh.“ Er hat Glück mit dieser U 11. „Das ist eine qualitativ wirklich gute, sehr talentierte Mannschaft“, sagt er. Die „schlimmsten Gespräche“, wie Yildirim es nennt, wenn er einem Kind und seinen Eltern mitteilen muss, dass der Junge keine Zukunft bei Bayer haben wird, sind kaum nötig. Manchmal sind sie es aber eben doch. Das ist der Haken an all der Professionalität.
Bayer Leverkusen investiert große Summen in seine Jugendarbeit, um Helden großzuziehen wie René Adler oder Gonzalo Castro, die jüngsten Eigengewächse des Bundesligisten. In der Jugend entdeckt zu werden ist allerdings kein Freifahrtschein zum Erfolg. Den Sprung in den Profifußball schaffen nur wenige. „Wenn einer pro Jahrgang in unsere Profimannschaft rückt, ist das viel“, sagt Yildirim. Vier bis fünf schafften es in den bezahlten Fußball ab der Regionalliga.
Und dafür der ganze Aufwand? „Natürlich lohnt sich das“, sagt Jürgen Gelsdorf, Leiter der Jugendabteilung bei Bayer Leverkusen. „Castro und Adler haben heute einen Marktwert von 20 bis 40 Millionen Euro.“ Geld, das nicht ausgegeben werden muss, um Spieler einzukaufen. Geld, das verdient wird, wenn Castro und Adler gehen.
„Die kleinen Erdnuckel wollen ja einfach nur Fußball spielen“, sagt Yildirim, „und sie wachsen einem sehr schnell ans Herz.“ Aber das Dasein im Schatten der Profis ist nicht nur Spaß. Der elfjährige Simon Schulze hat knapp zwei Jahre in der Jugendabteilung eines Bundesligisten in der Region gespielt. Seinen Namen und den Klub möchte die Mutter nicht nennen. „Er träumt ja immer noch davon, Fußballprofi zu werden, er wird es wieder versuchen“, sagt sie.
Wenn er etwas älter ist. Wenn Leistungsdruck und Trainingsstress ihm nicht mehr so viel anhaben können. „Die Kleinen werden ziemlich hin und her gescheucht“, sagt die Mutter. Dreimal Training, Turniere am Wochenende, Übernachtungen bei fremden Gasteltern. „Da wird keine Rücksicht auf andere Dinge genommen.“ Auf die Kommunionsstunden oder die Hausaufgaben. Aber ab wann sollte ein Kind sein Glück bei den Profiklubs versuchen? Sollte es sein gewohntes Umfeld, die Freunde, den Heimatverein verlassen, sobald ein Talentsucher auf der Matte steht? Ab wann ist ein Kind stark genug, sich den harten Gesetzen des Leistungssports zu unterwerfen?
Burak Yildirim hat keine Antwort. Als Trainer übernehme er das Formen der Kinder natürlich gern so früh wie möglich. Aber eine Garantie für bessere Chancen auf einen Durchbruch sei das nicht. Gonzalo Castro sei erst mit zwölf zu Bayer gekommen, René Adler mit 15. Wenn die Kinder schon sehr früh zu einem Profiklub wechseln, greife das sehr ins Familienleben ein, erklärt Yildirim. Auch Jürgen Gelsdorf hat keine Empfehlung. Das sei von Kind zu Kind unterschiedlich. „Manche treffen bei uns keinen Ball mehr, weil sie sich nicht wohl fühlen.“
Benjamin Henrichs fühlt sich wohl. „Er ist total begeistert“, sagt seine Mutter Phyllis Henrichs. Benjamin spielte für den GSV Porz, als ein Leverkusener Talentsucher bei einem Turnier auf ihn aufmerksam wurde. „Der Anruf kam um 22.30 Uhr“, erzählt die Mutter. Wir haben uns gedacht: „Wenn er Spaß hat, soll er das ruhig machen.“ Inzwischen sei ein Wochenende ohne Fußball „wie Urlaub“ für die Familie. Aber manchmal sagt „Benni“ diese Sätze, die die Mutter rühren. Als die Leverkusener Profis am Ende der Saison so schlecht spielten zum Beispiel: „Mama, es wird Zeit, dass ich erwachsen werde, damit ich da mitspielen kann.“ Oder als er bei einem Turnier ein wunderschönes Tor schoss: „Mama, das war nur für dich.“
Dann ist Phyllis Henrichs sicher, richtig entschieden zu haben. Sie sagt: „Selbst wenn er nicht irgendwann Profi wird, er lernt so viel in dieser Zeit.“