Spielchen mit der Schwiegertochter
Skibbe soll abhauen
von Tobias Schächter
Die Entlassung seiner Co-Trainer soll für Michael Skibbe das Signal sein, freiwillig seinen Posten bei Galatasaray Istanbul zu räumen.
Bevor Ümit Davala vergangenen Samstag seine Sachen gepackt hat, gab er seinem ehemaligen Chef Michael Skibbe einen letzten Rat. "Ich habe ihm gesagt, ich wäre traurig, wenn er tatsächlich zurücktreten würde." So wurde Davala am Mittwoch in mehreren türkischen Zeitungen zitiert. Von seiner Entlassung als Co-Trainer von Galatasaray Istanbul habe er aus der Presse erfahren, klagte Davala, von mangelnder Erfahrung sei die Rede gewesen. Doch mit diesen Äußerungen habe sich der Vorstand des ruhmreichen Galatasaray Spor Kulübü nur lächerlich gemacht, ätzte Davala, der einst mit dem Klub den Uefa-Cup gewann und 2002 als türkischer Nationalspieler mit der Milli Takim stolzer WM-Dritter wurde.
Jetzt wurde er stillos aus dem edlen Trainingszentrum Galatasarays im Villenviertel Florya vertrieben, nach nur sechs Spieltagen in der Süper Lig und zusammen mit dem im Sommer mit Skibbe aus Deutschland gekommenen zweiten Assistenten Edwin Boekamp. Michael Skibbe aber ist noch da. Vorgestern posierte er bei einem Sponsorentermin mit ein paar Spielern vor dem neuesten Modell eines tschechischen Autoherstellers. Besonders glücklich wirkte er nicht.
Im Türkischen gibt es ein Sprichwort: "Ich sage es meiner Tochter, damit es meine Schwiegertochter versteht", lautet es. "Der eigentliche Grund für unsere Entlassung ist, dich zum Rücktritt zu bringen", erklärte der in Mannheim geborene Davala aber Skibbe. Man kann es aber auch wie die Krawallpresse schreien: Die Entlassung seiner Assistenten sollte Skibbe deutlich sagen: Hau ab!
Adnan Polat hingegen sieht das nicht so. Der mächtige Präsident Galatasarays und reiche Unternehmer stärkt dem deutschen Trainer in offiziellen Statements den Rücken. Dabei ist das "Spielchen" (Davala) leicht zu durchschauen: Tritt Skibbe von sich aus zurück, spart der Klub die Abfindung. Schmeißt der Verein den Trainer raus, darf sich Skibbe über rund 1 Mio. Euro Abfindung freuen. So hoch soll das Jahresgehalt des ehemaligen DFB-Co-Trainers sein, der im Sommer, nach seiner Entlassung bei Bayer Leverkusen, an den Bosporus kam.
Von Anfang an hatte der 43-Jährige in der Türkei einen schweren Stand. Nachdem Galatasarays 15 Mann starker Vorstand bei DFB-Sportdirektor Matthias Sammer und Didier Deschamps auf Granit biss, war "Michael der Billigste, die anderen waren nicht zu haben", wie ein Vorstandsmitglied am Rande der EM-Partie Portugal gegen die Türkei in Genf verriet.
Auch in den Medien wurde Skibbe nicht mit so offenen Armen empfangen wie Fenerbahces neuer Trainer Luis Aragonés, der gerade mit Spanien Europas Thron bestiegen hatte. Im Ansehen der Istanbuler Presse wirkte Skibbe gegenüber dem Spanier wie ein Lehrling. "Was hat er vorzuweisen, außer dem Rauswurf in Dortmund und Leverkusen?", fragten die Gazetten. Trost für Skibbe ist da auch nicht, dass Aragonés bei Fener ebenso vor dem Rauswurf steht wie er selbst, nach dem schlechtesten Ligastart des Klubs seit 20 Jahren und erst einem Punkt in der Champions League. Wie persönlich die Anzugträger auf der Tribüne des Ali-Sami-Yen-Stadions von Galatasaray Niederlagen nehmen, musste Skibbe erfahren, als seine Mannschaft gegen Steaua Bukarest die Qualifikation für die Champions League verpasste. Dabei, so jammerten beleidigte Vorstandsmitglieder und die Schreiber in den türkischen Zeitungen, habe Galatasaray den teuersten Kader seiner Geschichte. Dass Galatasary von erheblichem Verletzungspech gebeutelt ist, spielt keine Rolle. Am Sonntag empfängt Galatasaray Tabellenführer Trabzonspor. Die Daily Soap am Bosporus geht weiter, Michael Skibbe gibt darin derzeit den einsamen Helden. Die Frage ist: Wie lange noch?
16.10.2008 Financial Times Deutschland