Der englischen Premier League droht der Kollaps
Trotz gigantischer Fernsehverträge und milliardenschwerer Geldgeber ist der englische Fußball nicht immun gegen das weltweite Finanzchaos. Die 20 Vereine der Premier League stehen mit insgesamt 3,5 Milliarden Euro in der Kreide. Die Abhängigkeit von einzelnen Eignern könnte einige Klubs in den Ruin treiben.
08 Oktober 2008
Die wegweisende Erkenntnis umfasste lediglich acht Worte. Ein Satz nur, der das ganze Dilemma des englischen Fußballs offenbarte. David Triesman, Vorsitzender des nationalen Verbandes FA, hatte gerade über den beträchtlichen Schuldenstand der Premier-League-Vereine referiert und die Auswirkungen des globalen finanziellen Kollapses auf die Welt der Kicker skizziert. Und nun sprach er mit bebender Stimme ins Mikrofon: „Euer Schicksal liegt nicht mehr in Eurer Hand."
Das klang nach bekanntem Pathos und passte sogar irgendwie ins Selbstverständnis. Denn lange hatten sie sich in der Premier League ja auf einer Insel der Glückseligen gewähnt. Sie hatten sich geöffnet für meist ausländische Investoren, teure Stars mit fremdem Geld verpflichtet und immer schönere Stadien mit immer teureren Sitzplätzen für die zahlende Kundschaft auf den Markt geworfen. Doch nun droht das rasch gewachsene Gebilde zu kollabieren, und noch ist längst nicht klar, mit welchen Folgen „der englische Patient" nach der Entlassung aus dem Spital zu rechnen hat.
Seine Vormachtstellung in Europa könnte er ebenso verlieren wie seinen Anreiz für Investoren. Denn das Geschäft mit dem englischen Vereinsfußball ist nur selten rentabel. Mehr noch: Die Abhängigkeit von einzelnen Eignern könnte einige Klubs sehenden Auges in den Ruin treiben. West Ham United etwa sucht dringend nach einem neuen Geldgeber, nachdem der alte Sponsor Bjorgolfur Gudmundsson in arge finanzielle Schwierigkeiten geraten ist.
Die Landsbanki, Islands zweitgrößtes Kreditinstitut, an dem der smarte Geschäftsmann die Mehrheit gehalten hatte und dessen Präsident er bis Dienstag war, ist ein Opfer der Finanzkrise geworden und beschäftigt inzwischen die Konkursverwalter. Kaum anzunehmen, dass sich Gudmundsson sein bislang auf 130 Millionen Euro geschätztes Investment beim Londoner Klub künftig weiter leisten wird.
West Ham steht symbolisch für die Krise
„Gudmundsson wird sein Geld nicht aus dem Verein ziehen, aber diese Ereignisse hemmen unsere Möglichkeiten für weitere Investitionen in diesem Jahr", sagte der Vizepräsident der „Hammers", Asgeir Fridgeirsson, der Londoner Tageszeitung „The Times".
West Ham steht symbolisch für die Krise des englischen Klubfußballs, der trotz gigantischer Fernsehverträge und milliardenschwerer Geldgeber nicht immun ist gegen das weltweite Finanzchaos. Den anderen Vereinen geht es allerdings kaum besser. Allein die vier Spitzenvereine Manchester United, FC Chelsea, FC Liverpool und FC Arsenal verzeichnen zusammen 2,3 Milliarden Euro Schulden. Insgesamt stehen die 20 Vereine der Premier League mit 3,5 Milliarden Euro in der Kreide.
Dabei ist die gigantische Zahl noch nicht einmal das größte Übel. „Das Hauptproblem liegt darin, dass die Personen hinter den Schulden in ernsthaften Problemen stecken", sagte Triesman. „Die Schulden der Vereine verteilen sich durch die internationalen Investoren über die ganze Welt."
Ausschluss von europäischen Wettbewerben?
Die Angst vor dem drohenden Zusammenbruch einiger Vereine auf der Insel hat inzwischen auch den kontinentalen Verband Uefa erreicht. Hochverschuldete Klubs müssten mit dem Ausschluss von europäischen Wettbewerben rechnen, sagte Generalsekretär David Taylor am Mittwoch. Derartige Sanktionen seien möglich, wenn sich die Vereine nicht ernsthaft mit ihren „beträchtlichen Schulden" beschäftigten. Die Klubs würden ihr Überleben riskieren und sich in finanziell prekäre Situationen bringen. „Wir sind dabei, die finanziellen Richtlinien für alle zu verschärfen."
Derlei Vorgehen, etwa durch ein einheitliches Lizenzierungsverfahren für alle Profiklubs in Europa, fordern Vertreter der Bundesliga seit langem. Nur dann könne ein seriös geführter Fußballklub ohne Fremdinvestor konkurrenzfähig bleiben, sagt etwa Bayern Münchens Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge. Dabei geht es zumindest schon im britischen Fußball um weit mehr: „Wir müssen zu größerer finanzieller Stabilität zurückfinden, besonders dann, wenn viele Banken in Schwierigkeiten geraten", mahnte Taylor. „Regierungen werden vielleicht Banken stützen, aber sie werden nicht Fußballklubs unter die Arme greifen."