ERSTELLT 03.07.08, 20:45h
Seit gut einer Woche ist Bruno Labbadia als neuer Cheftrainer von Bayer Leverkusen im Amt. Ulrich Klein und Dirk Mesch sprachen mit dem Ex-Nationalspieler über die EM, seine Ideen und Ziele.
Herr Labbadia, die EURO 2008 hat sehr gute Kritiken bekommen. Welche Eindrücke sind denn bei Ihnen hängen geblieben?
In der Tat war die EM ein Turnier mit vielen guten Spielen, das einen verdienten Europameister gefunden hat. Die Spanier haben ihr Ding konsequent durchgezogen und sich noch nicht mal davon beeindrucken lassen, dass sie während des Turniers durch die Verletzung ihres Torjägers Villa das System umstellen mussten. Die Deutschen hatten sicherlich ihre Schwankungen. Aber es spricht für sie, dass sie dennoch das Endspiel erreicht haben.
Auf Vereinsebene sieht es nicht so gut aus. Wie kann man dem entgegen treten, auch und besonders als Bundesligatrainer?
Das ist natürlich nicht einfach. Es ist doch so, dass die Finanzkraft im heutigen Fußball eine enorme Rolle spielt. Das gilt inzwischen für Russland, aber natürlich auch für England oder Spanien. Wenn wir uns nach neuen Spielern umschauen, werden Preise genannt, bei denen man nur noch den Kopf schütteln kann.
Was also ist zu tun?
Wir können diesen finanziellen Nachteil nur kompensieren, indem wir in den Vereinen sehr konzeptionell, sehr methodisch und sehr intensiv arbeiten. Dazu kommt eine Individualisierung. Man muss versuchen, neben dem normalen Training die Spieler auch außerhalb des Spielfeldes zu fördern. Wenn die Jungs hier auf dem Gelände den Tag verbringen, hat das nichts damit zu tun, sie zu kasernieren. Vielmehr wollen wir sie auch zwischen den Einheiten formen, wir haben schließlich wir ein unheimlich junges Team.
Eine Anlehnung an die Bayern. Die haben ja jetzt ein Leistungszentrum mit Ruhezonen, Espresso-Terrasse und Buddhastatuen, in dem die Spieler den ganzen Tag verbringen sollen?
Ganz allgemein, entscheidend ist doch nicht, wie das Ganze aufgebläht aussieht. Entscheidend ist, dass man die Möglichkeiten, die einem zur Verfügung stehen, zu 100 Prozent ausschöpft. Ein konzeptionelles, intensives Arbeiten wird sich dann immer auszahlen - wenn man es auf längere Sicht macht.
Konkret bedeutet das?
Ich sage es mal so: Auf dem Trainingsplatz ist es die Hauptaufgabe, im mannschaftstaktischen Bereich zusammenzuarbeiten. Es heißt generell zwar oft: Nur das Kollektiv zählt. Aber ich verfolge da einen anderen Ansatz. Ich sage: Das Ego ist der größte Antrieb. Und das wollen wir fördern. Hinterher muss man dann alles zusammenfügen.
Das geht mit jedem Spieler?
Natürlich gibt es Grenzen. Ich kann mit einem Spieler arbeiten wollen, ich kann ihn außerhalb des Platzes auch dazu anhalten, die deutsche Sprache zu lernen. Aber wenn er nicht will, kommt man als Trainer an Grenzen. Prinzipiell habe ich gar nichts dagegen, auch mal einen Spieler mit schwierigem Charakter zu holen. Aber man sollte als Trainer nie denken, man bekommt jeden hin. Wenn es mit einem nicht geht, muss man halt Konsequenzen ziehen.
Zu Ihnen persönlich: Wie groß ist der Schritt für Sie in die erste Liga als Trainer?
Für meine Arbeit macht es keinen Unterschied, ob ich in Darmstadt in der Oberliga, in Fürth oder in Leverkusen arbeite. Ich habe ein klares Konzept und ein klares Ziel.
Das heißt?
Unser Team würde ich zwischen Platz vier und acht einordnen. Also muss diese Tabellenregion für Bayer auch erreichbar sein.
Allerdings müssen sie mit verschärften Bedingungen klar kommen. Stichwort Stadionumbau, Trainingsbedingungen, Heimspiele in der Rückrunde in Düsseldorf . . .
Darüber will ich gar nicht mehr groß nachdenken oder diskutieren. Wir werden diese Dinge genau noch einmal ansprechen. Danach werde ich die Mannschaft nur noch auf unser Ziel einschwören und ihr immer wieder klar machen, dass nach schwierigen Zeiten ein schönes neues Zuhause, sprich Stadion, auf sie wartet.