Helmes-Interview: "Ich fühle mich hier pudelwohl"

  • Patrick Helmes wechselte in der Sommerpause rheinaufwärts zu Bayer Leverkusen. Der Kölner über den immerhohen Erwartungsdruck der FC-Fans, der Rivalität zwischen den beiden Klubs und der Zeit während der Europameisterschaft.


    Herr Helmes, wo wohnen Sie jetzt eigentlich?




    Ich wohne weiterhin in Köln ...




    ... und pendeln in Zukunft immer nach Leverkusen?




    Richtig. Das sind nur 15 Minuten. Da muss ich echt nicht umziehen.




    Sie sind als gebürtiger Kölner vom FC nach Leverkusen gewechselt. Hatten Sie keine Skrupel?




    Nein, hatte ich nicht. Ich möchte mich sportlich weiter entwickeln. Der Vereinswechsel war somit der richtige Schritt für mich.




    Und die Rivalität zwischen den Klubs hat bei Ihrer Entscheidung keine Rolle gespielt?




    Nein, ich denke da in erster Linie an mich. Ich muss berücksichtigen, wo ich mich am besten aufgehoben fühle. Und das ist in diesem Fall in Leverkusen. Und diese anderen Dinge spielen dann keine Rolle mehr bei einer solchen Entscheidung.








    Nach der gescheiterten Vertragsverlängerung in Köln wurde Ihnen Geldgier und Wortbruch vorgeworfen. Wie stehen Sie heute zu diesen Anschuldigungen?




    Das spielt alles keine Rolle mehr. Damals ist viel falsch gelaufen. Nur soviel: Wenn es mir nur um das Geld gehen würde, hätte ich niemals für den FC gespielt.




    Gab es Anfeindungen?




    Auf der Straße bin ich jedenfalls nicht angepöbelt worden. Im Stadion war es damals, nachdem meine Entscheidung bekannt wurde, nicht so angenehm. Das hat aber auch nicht lange angehalten. Mir gegenüber haben sich alle sehr fair verhalten.


    Wieso haben Sie sich ausgerechnet für Leverkusen entschieden, es gab doch noch genügend andere Interessenten?




    Das stimmt. Es gab mehrere Anfragen. Aber ich wollte gerne nach Leverkusen, hier entsteht etwas. Ein neues Stadion wird gebaut und die Mannschaft ist jung und hungrig. Zudem kenne ich einen Großteil der Truppe schon aus der U21 und der A-Nationalmannschaft. Die Mannschaft ist in den letzten Jahren immer gezielt verstärkt worden und konnte sich kontinuierlich einspielen. Als Neuzugang hat man es dann wesentlich einfacher sich zu integrieren. Und nicht zuletzt habe ich mich auch für Leverkusen entschieden, weil ich ein heimatverbundener Typ bin.




    Mit Sinkiewicz, Podolski und jetzt Ihnen hat der FC regelmäßig seine hoffnungsvollsten Talente abgeben müssen. Liegt es an der mangelnden sportlichen Perspektive, dass die Spieler den Klub verlassen?




    Podolski und Sinkiewicz wollten einfach nicht mehr in der zweiten Liga spielen. Wenn man nach vorne kommen will, muss man den nächsten Schritt machen. Wenn sich der Verein in der ersten Liga stabilisieren kann, wird man auch solche Spieler in Zukunft halten können. Da bin ich mir absolut sicher.




    Sie sind als Jugendlicher beim FC aussortiert worden, mit der Begründung, körperlich zu schwach zu sein. Haben Sie in diesem Moment noch an eine Karriere als Profi geglaubt?




    Ich war damals noch sehr jung und hatte noch viel vor mir. Klar, ich wäre damals gern in Köln geblieben. Meine Leistungen waren auch nicht schlecht, ich habe viele Tore geschossen. Aber so wie es dann gelaufen ist, habe ich auch kein Problem damit. Ich habe meine Ausbildung in Siegen gemacht und bin dann nach vier Jahren zurück nach Köln gegangen. Mein privates Umfeld hat immer an mich geglaubt. Das hat mir die nötige Kraft gegeben.




    Hat ihnen die Zeit in Siegen in Ihrer Entwicklung geschadet?




    Im Gegenteil. Ich glaube, sie hat mir sogar genutzt. Wer weiß, wie es gelaufen wäre, wenn ich beim FC geblieben wäre. Von vielen Spielern, die damals geblieben sind, hört man heute nichts mehr. Die spielen maximal Regionalliga. Ich habe in Siegen eine gute A-Jugend Saison gespielt und Ralf Loose (Anm.: damaliger Trainer der Regionalliga-Mannschaft) hat mich in die Seniorenmannschaft geholt. Seitdem läuft es gut für mich.




    Ihr Vater war selber Profi. War es hilfreich, einen Vater zu haben, der sich im Geschäft auskennt?




    Für mich war es immer gut. Allein das Ziel, mehr zu erreichen als der Vater, ist schon Ansporn genug. Seine Kritik hat mir immer geholfen. Meine Beidfüssigkeit habe ich größtenteils ihm zu verdanken. Er hat mich immer wieder darauf hingewiesen. Mein Vater wird immer mein härtester Kritiker bleiben.




    Wie sind nun Ihre ersten Eindrücke von Bayer Leverkusen?




    Ich bin rundum zufrieden. Aber das Gefühl hatte ich auch schon nach den Gesprächen mit Rudi Völler und Wolfgang Holzhäuser. Es ist recht einfach, sich in eine Mannschaft einzufinden, von der man 70 bis 80 Prozent der Spieler schon kennt. Deswegen fühle ich mich auch pudelwohl hier.


    Sie waren in Köln einer der großen Hoffnungsträger für den Wiederaufstieg. In Leverkusen sind Sie nun ein Leistungsträger unter vielen. Welche Situation liegt Ihnen mehr?




    Der Erwartungsdruck in Köln war immer sehr hoch. Wenn man dort spielt, muss man lernen, damit umzugehen. Wir mussten unbedingt aufsteigen, für mich persönlich kam noch mein Wechsel hinzu, und ich habe es überstanden. Ob ich jetzt Druck von außen habe oder nicht, das lasse ich nicht an mich ran. Ich spiele so, wie ich es für richtig halte.




    Hat Bruno Labbadia Ihnen schon erläutert, welche Rolle sie in seinem System spielen werden?




    Wir sprechen viel miteinander. Es ist aber noch nichts festgelegt. Ich versuche gut zu trainieren und hoffe, dass ich dann beim ersten Spiel dabei bin.




    Was haben Sie sich für die kommende Saison vorgenommen?




    Ich will gesund bleiben. Klar kann man sich als Stürmer eine Marke setzen und versuchen diese zu erreichen, aber davon halte ich nichts. Wenn ich eine gute Vorbereitung absolviere und fit bleibe, kommt der Rest von selbst.




    Sie gehörten bis kurz vor der Europameisterschaft noch zum erweiterten Kreis der Nationamannschaft. Zusammen mit Jones und Marin wurden Sie jedoch unmittelbar vor dem Turnier aussortiert. Haben Sie die Spiele der Deutschen trotzdem verfolgt?




    Ja, natürlich. Zusammen mit meinen Eltern und meiner Freundin habe ich fast jedes Spiel in Siegen im Fernsehen gesehen.




    Sie hätten dabei sein können.




    Es war knapp. Aber wer weiß, ob ich überhaupt zum Einsatz gekommen wäre. Obwohl es mit Sicherheit eine lehrreiche Zeit für mich gewesen wäre. So hatte ich mal Zeit für mich und meine Familie. Und das ist auch nicht schlecht. Und in zwei Jahren ist das nächste große Turnier.




    Also beschäftigen Sie sich momentan auch noch mit der Nationalmannschaft?




    Der Verein steht im Vordergrund. Die Nationalmannschaft ist ein Zusatz. Wenn ich in Leverkusen gut spiele, brauche ich mir über meine Karriere beim DFB keine Gedanken machen.


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