...hab mal einen Artikel über das Gaffel-Haus gefunden, das ist doch glaube ich jenes, wo immer die Club-Abende bei Herthaspielen sind, oder irre ich mich da?
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Berliner Zeitung von heute
Vielen Berlinern hört man schon am Dialekt an, dass sie irgendwo anders in Deutschland aufgewachsen sind. Sie leben jetzt in Berlin und haben ihre Heimat dennoch nicht vergessen. Menschen aus Deutschland erzählen, warum sie hierherkamen, was sie lieben und was sie vermissen. Serie: Teil 3
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Das Kölsch fließt. Liebevoll legt Sydney Pfannstiel die rechte Hand auf den Zapfhahn, kippt das Glas nach vorn und hält es unter den Strom. "Der weiße Schaum", fachsimpelt der 36-jährige Wirt, "entsteht durch die Aufprallgeschwindigkeit vom Kölsch ins Glas." Dann zaubert er das Krönchen auf das Bier, setzt es auf den Tresen. Die Berliner können sich den Spruch mit dem Reagenzglas nicht verkneifen. Weil das Glas gerade mal 200 Milliliter fasst. Sie finden es einfach winzig, dieses Kölsch.
Seit drei Jahren ist der Kölner Brauhausbesitzer vom Gaffel Haus am Gendarmenmarkt und pflegt damit ein Stück Heimat. Klar gibt's Kölsch, die Blutwurst kommt vom Hoflieferanten der Ehrengarde, das Schwarzbrot aus einer alteingesessenen Kölner Bäckerei, Orden vom Karnevalsverein hängen an der Wand. An die Spötteleien der Berliner hat sich Pfannstiel mittlerweile gewöhnt. Und auch daran, dass er nun hauptberuflich Brauhausbesitzer ist. Denn eigentlich kam er für die Politik nach Berlin.
Vor sechs Jahren wollte er das Rheinland ganz hinter sich lassen. 30 Jahre war er damals alt und suchte nach einem Job. Er kam gerade von einer längeren Australien-Reise zurück und seine Heimatstadt erschien ihm "klein, schmutzig und hässlich", wie er sagt. "Da wusste ich, du musst raus." Weil er sich in Köln in CDU-Kreisen bewegte und der Klüngel funktionierte, bot ihm die Junge Union den Job des Sprechers an. In Berlin. Der Wahlkampf 2002 stand bevor und man suchte einen, der gut reden konnte. Und das konnte Pfannstiel schon immer. Man braucht ihm keine Fragen zu stellen, er redet ohne Punkt und Komma, er hat das lange trainiert. Als Entertainer und Büttenredner. Vorzeigbar war er auch. Er sieht noch immer ein bisschen aus wie ein Surfer mit den gegelten Locken und dem tief gebräunten Gesicht. Er sagte sofort ja. Berlin ist Hauptstadt, dachte er. Dort muss doch das Leben pulsieren. Wenn er sich selbst verändern wollte, was lag also näher, als in eine Stadt zu ziehen, die sich ebenfalls ständig verändert.
Der erste Tag war gleich ganz nach Pfannstiels Geschmack. "Herrlich", sagte er, als ihm die Autovermietung einen Mercedes der C-Klasse übergab. Kleinwagen waren aus. Er schaltete das Navigationsgerät an, fuhr erst mal über den Kudamm und dann Richtung Mitte. Während der Wohnungsbesichtigung am Hackeschen Markt wurde der Wagen abgeschleppt. Pfannstiel hatte auf einem Behindertenparkplatz geparkt. Der Taxifahrer tröstete ihn, "allet wird jut". Und da war wieder Hoffnung. "Alles wird jot", sagt man auch in Köln.
Bekannte hatten Pfannstiel empfohlen, nach Mitte zu ziehen. Da seien viele Zugezogene, man würde sich nicht allein fühlen. Denn Berliner, so lästerte die Familie, seien schwer zu knacken und die Westberliner besonders.