Da ist sie wieder! Die Torwartfrage, kurz T-Frage genannt. Es ist das beliebteste Ratespielchen der Fußball-Nation. Die T-Frage war ein sechsmonatiges Dauerthema vor der Europameisterschaft.
Während des Turniers wurde sie immer mal wieder aufgeköchelt, nach kurzer Sommerpause ist sie nun wieder brandaktuell: Die T-Frage oder wer Deutschlands Nummer 1 im Fußballtor wird.
Eigentlich sollte nach der EM Klarheit herrschen, die Torwartdiskussion schien eine Entweder-oder-Frage: entweder Robert Enke von Hannover 96 oder Rene Adler von Bayer Leverkusen – einer der beiden wird die neue Nummer 1 der Nationalmannschaft. Das Wörtchen „neu“ setzte allerdings voraus, dass es eine alte Nummer 1 gibt. Doch Jens Lehmann, seit der WM 2006 Stammtorwart, machte einfach nicht das, was fast alle von ihm erwartet hatten: Er trat nach der EM nicht zurück. Bislang jedenfalls nicht.
In den vergangenen Tagen hat sich Lehmann ein kleines Spielchen daraus gemacht, sich öffentlich alle Optionen offenzuhalten. Er ist 38 Jahre alt, die WM 2010 in Südafrika mit einem 40-Jährigen im Tor scheint unvorstellbar – aber nicht unbedingt für Lehmann. Zuletzt kam ein nicht minder abenteuerliches Gerücht an die Fußballbörse, demzufolge Lehmann anbieten wird, als Nummer 2 bis zur WM 2010 weiterzumachen.
Lehmann, der jahrelang warten musste, um an Oliver Kahn vorbeizuziehen, kehrt freiwillig in die Stellvertreterrolle zurück? So richtig mag man das nicht glauben.
Bundestrainer Joachim Löw hat Handlungsbedarf entdeckt und Lehmann – mittlerweile in Diensten von Löws altem Klub VfB Stuttgart – zum Gespräch gebeten. Bis Ende der Woche macht Löw noch Urlaub, „spätestens vor dem 1. Bundesliga-Spieltag“ am 15. August will er für Klarheit sorgen. Später geht es auch nicht, denn am 20. August steht in Nürnberg das erste Länderspiel nach der EM gegen Belgien an.
Der Hinweis von Löw, dass „letztlich ich die Entscheidung treffen muss“, darf als kleiner Rüffel für Lehmann gewertet werden. Doch alle Türen möchte auch der Bundestrainer seiner bisherigen Nummer 1 noch nicht vor der Nase zuschlagen: „Er war bis zuletzt ein sehr wichtiger Spieler für uns, deshalb werden wir bei unserem Treffen alle Möglichkeiten besprechen.“
Löw weiß spätestens seit dieser Woche, dass die T-Frage eine Eigendynamik entwickelt, die ihm gar nicht behagt. Jeden Tag findet sich ein Experte, der in den Medien erklärt, wer die neue Nummer 1 werden soll, meistens fällt dabei der Name von Rene Adler. Dem 96er Enke ist das nicht entgangen, er spricht von „sogenannten Experten“, von denen sein Name „einfach übergangen wird“ und die „es nicht zu interessieren scheint“, dass er von Löw bei der EM zur Nummer 2 gemacht worden sei.
Um bei der T-Frage, die auch ein Werbespielchen in eigener Sache ist, nicht ins Hintertreffen zu geraten, hat sich der 30-jährige Enke für seine Verhältnisse offensiv positioniert: „Die ganzen Umstände geben mir ein gutes Gefühl. Ich glaube, man steht mir beim DFB sehr positiv gegenüber“, sagte er.
Da wollte Konkurrent Adler wohl nicht zurückstehen und meldete über die „Bild“-Zeitung seinen Anspruch auf die Nummer 1 an – falls Lehmann aufhört. „Wenn Jens sich so entscheidet, wäre ich bereit. Die Nummer 1 für dein Land zu sein – das ist doch das Größte, was ein Spieler erreichen kann. Es wäre die Bestätigung meiner Arbeit der letzten zwei Jahre“, sagte der 23-Jährige.
Das klingt ähnlich moderat wie Enkes Töne. Aber es ist auch eine Kampfansage an Enke. Und ein diskreter Hinweis an den von Adler geschätzten Lehmann, dass es an der Zeit wäre für einen Torwartwechsel.
von Heiko Rehberg (mit sid)
Veröffentlicht am 30.07.2008 20:29 Uhr
Quelle: [url=http://www.paz-online.de/newsroom/sport/art181,649130]Peiner Allgemeine Zeitung[/url]