„Dann willst du natürlich mehr“

  • „Dann willst du natürlich mehr“


    ERSTELLT 01.08.08, 19:35h


    Bayer 04 Leverkusens Torwart René Adler über seinen Klub und die Nachfolge von Jens Lehmann. Der 23-Jährige bekennt sich zu seinem Verein: „Die Ziele sind nahezu deckungsgleich“.


    KÖLNER STADT-ANZEIGER: Herr Adler, was machen Sie am 20. August?


    RENÉ ADLER: Was ist denn das für 'ne Frage?
    Nun ja, an diesem Tag bestreitet die deutsche Fußball-Nationalmannschaft in Nürnberg ein Länderspiel gegen Belgien . . .
    ADLER: Das weiß ich.
    Und wer steht im Tor?
    ADLER: Das weiß ich nicht. Wirklich nicht. Ich muss diesem ganzen Gerede jetzt mal einen Riegel vorschieben. Der Bundestrainer trifft sich dieser Tage mit Jens Lehmann, dann besprechen die beiden, wie's weitergeht. Bis dahin beteilige ich mich an keinen Spekulationen.
    Was erwarten Sie - wie wird sich Lehmann entscheiden, hört er freiwillig auf, oder muss ihm Löw womöglich den Rücktritt aus der Nationalelf erst nahelegen?


    ADLER: Noch mal: All dieses Wenn und Aber ist doch spekulativ. Was ich aber bei dieser Gelegenheit gerne mal klarstellen würde: Ich stelle keine Forderungen und erhebe keine Ansprüche über die Medien - das ist nicht meine Art. Ich war bei der Europameisterschaft erstmals im Kader der Nationalmannschaft, das war ein Super-Erlebnis, ich möchte weiter dazugehören.
    Löw hat unlängst angedeutet, es werde nach vielen Jahren der festen Hierarchien in der Torwartfrage nun erst mal ein heftiger Konkurrenzkampf ausgerufen. Wer außer Ihnen wird dabei mitmischen?
    ADLER: Ich will jetzt keine Namen aufzählen, am Ende vergesse ich aus Versehen noch jemanden. Es wird ein sehr harter, aber auch interessanter Konkurrenzkampf werden, es gibt einige Anwärter auf die Position im Tor.
    Welchen Einfluss haben die Tage vor und während der EM im Kreis der Nationalmannschaft auf Sie persönlich genommen?


    ADLER: Damit ist schon ein kleiner Traum von mir wahr geworden, die Atmosphäre war einfach unglaublich, das hat meine Motivation noch mal angestachelt. Wenn du da einmal reingeschnuppert hast, dann willst du natürlich mehr.
    Was hat Sie dort am meisten beeindruckt?


    ADLER: Wie sensationell ich als Neuling aufgenommen wurde, welch homogener Umgang herrscht in Mannschaft und Trainerstab, wie sich jeder - fernab persönlicher Eitelkeiten - in seiner Rolle einbringt. Man sollte mit dem Begriff Freundschaft ja vorsichtig umgehen, aber ich habe dort auf Anhieb einige richtig gute Kumpels gefunden.
    Gehört Jens Lehmann dazu?


    ADLER: Er hat sich jedenfalls als großartiger Kollege erwiesen, bei dem man sich als junger Torhüter eine Menge abgucken kann - diese totale Einstellung zum Beruf, diese enorme mentale Stärke, all das . . .
    Torhüter und Linksaußen haben ja nicht alle Tassen im Schrank, hat man früher gesagt. Was ist eigentlich Ihre Macke?


    ADLER: Den Spruch kenn ich, auch ich habe sicherlich meine Macken, aber auf Anhieb fällt mir jetzt keine typische Eigenart ein, da müssten Sie meine Kollegen fragen. Ich bin extrem ehrgeizig, wissbegierig, lernfähig und zielstrebig.
    Sonst hätten Sie wohl kaum mit gerade mal 15 Ihr Elternhaus in Leipzig verlassen, um zu Bayer zu wechseln. Sie haben dann vier Jahre lang bei ihrem Entdecker und Förderer Rüdiger Vollborn (früher Leverkusener Bundesliga-Torhüter und mittlerweile Bayer-Torwartcoach, d. Red.) gewohnt.


    ADLER: Das stimmt. Rüdiger hat mich enorm weitergebracht. Zunächst lief auch vieles glatt, ich habe fast alle U-Auswahlmannschaften des DFB durchlaufen, mit dem Verein immer wieder um die deutsche Meisterschaft gespielt.
    Aber irgendwann mussten Sie auf eigenen Füßen stehen und Rückschläge hinnehmen.


    ADLER: Nach dem Abi bin ich in meine erste eigene Wohnung gezogen - war ja auch auch höchste Zeit, ich musste endlich selbständig werden, nachdem ich vorher doch überall ziemlich verwöhnt worden bin. Tja, und dann kam eine lange Zwangspause (bedingt durch einen erst verspätet diagnostizierten Rippenbruch, d. Red.). Einerseits rede ich heute nicht mehr gerne drüber, andererseits haben diese sieben Monate - aus der Ferne betrachtet - meiner Persönlichkeitsentwicklung wahrscheinlich mehr genutzt, als wenn alles weiter wie am Schnürchen gelaufen wäre.
    Nach der U-20-WM 2005 soll's sogar Angebote von Manchester United oder Arsenal London gegeben haben . . .
    ADLER: Richtig. Aber damals war ich doch überhaupt noch nicht reif dafür. Ich bin nach Leverkusen gekommen mit dem Ziel, Bundesliga zu spielen. In diesem Verein habe ich dafür die besten Chancen gesehen, und im Nachhinein betrachtet, war doch alles genau richtig so. Inzwischen habe ich knapp 50 Bundesligaspiele, den Sprung in den Kader der Nationalmannschaft geschafft.
    Und den Vertrag mit Bayer 04 unlängst bis 2012 verlängert.
    Adler: Es passt ja auch alles gut zusammen, meine persönlichen Pläne sind mit denen des Vereins nahezu deckungsgleich. Irgendwie ist Bayer nach all den Jahren für mich eine Herzensangelegenheit. Es passiert hier einiges, es entwickelt sich was, mit dieser jungen Mannschaft, mit dem neuen Stadion, man erkennt: Hier wird was auf die Beine gestellt, da will ich dabei sein.


    Das Gespräch führte Christoph Pluschke


    Quelle: