Interview: Daniel Theweleit
Die Werkself Bayer Leverkusen will mit dem umgebautem Stadion zurück nach Europa. Blöd nur für Rudi Völler, Bruno Labbadia und Co., dass in unmittelbarer Nachbarschaft Geißböcke und Fohlen lauern.
Gesperrt oder verwarnt? NICHT ERLAUBT bei Werkself.de
Beinahe wäre es im EM-Taumel untergegangen: Physiotherapeut Dieter Trzolek und Scout Paul Steiner wechselten von Bayer Leverkusen zum 1. FC Köln. Zwei kleine Transfers, hinter denen sich eine interessante Geschichte verbirgt. Aus den Klubs gab es keine Interpretation der Personalien, vielen Fans war jedoch sofort klar, dass es sich hier um einen Angriff auf die Vorherrschaft Bayer Leverkusens am Rhein handelt. Die Foren brodelten, User »De Knoll« ließ im »fc-brett« verlauten: »Wir strafen die Pillen ab, göttlich!!!«, und P-Block erwiderte in einem Leverkusener Blog: »Spätestens jetzt wird mir kotzübel! Natürlich sind es nicht die Leute wie Steiner oder Tscholli, die die Tore schießen, aber ich glaube einige von euch wissen gar nicht, was die Jungs geleistet haben in der Vergangenheit.«
Es sind empfindliche Stellen, an denen Bayer Leverkusen hier getroffen wird. Trzolek ist einer der kunstvollsten Fußballtherapeuten und galt als so etwas wie der gute Geist des Klubs, und Steiner ist das Gehirn hinter der überaus erfolgreichen Leverkusener Transferpolitik der vergangenen Jahre. Doch nicht nur aufgrund dieser Verluste steht Bayer vor einer nicht ganz einfachen Saison. Erst zum zweiten Mal seit dem Spieljahr 95/96 ist der Klub in keinem internationalen Wettbewerb vertreten, die Heimspiele der Rückrunde müssen die Leverkusener aufgrund ihres Stadionumbaus in der Düsseldorfer LTU Arena austragen, und die Zeit der Alleinherrschaft am Rhein ist auch vorbei. Mit dem 1. FC Köln und Borussia Mönchengladbach erhebt sich die lokale Konkurrenz zu einem neuen Versuch, endlich wieder aufzuschließen. »Wir sehen das als Ansporn, die Nummer eins am Rhein zu bleiben«, sagt Meinolf Sprink, der Kommunikationsdirektor von Bayer Leverkusen, zu dessen Aufgaben es zählt, die Marke in der neuen Konstellation zu positionieren. Die Luft wird dünner am Rhein.
»Wir sind jahrelang um das Thema herumgeeiert«
Deshalb sind die Leverkusener froh, schon seit einem Jahr das eigene Profil zu schärfen. Sich von den Nachbarn abzugrenzen, statt zu versuchen, den Rückstand an Titeln und überregionaler Zuneigung aufzuholen. Der Kern der sogenannten »Werkself-Kampagne« besteht darin, sich zur engen Bindung an die Bayer AG zu bekennen, damit haben sie den Marketing-Preis des Sports 2008 gewonnen. »Wir sind jahrelang um das Thema herumgeeiert«, sagt Sprink, »jetzt sind wir die Werkself, die anderen sind die Fohlen und die Geißböcke«.
Der Begriff »Werkself«, der mittlerweile auf zahllosen Kleidungsstücken durch Leverkusen getragen wird, »heißt so viel wie Planungssicherheit, Zuverlässigkeit, Seriösität, Solidität«, erläutert Sprink in einer Loge des Stadions. Im Hintergrund demontiert schweres Gerät die Dachkonstruktion der alten Arena. »Klein, fein, perfekt und persönlich« soll Bayer sein, ergänzt Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser. Damit grenzen sie sich von den Nachbarn ab, denen immer wieder haarsträubende Fehler in der sportlichen Planung unterliefen. Dass diese Attribute vielleicht etwas langweilig wirken, ist den Leverkusenern mittlerweile egal, Aufregung wollen sie mit sportlichen Erfolgen erzeugen und nicht mit spektakulären Trainerwechseln, unnötigen Abstiegen oder Spielern, die sich betrunken in Diskos fotografieren lassen. Das kostet natürlich Geld, und davon ist in Leverkusen nach einigen mageren Jahren wieder mehr vorhanden. »Die Zeit der Konsolidierung ist vorbei«, hat Holzhäuser schon vor einem Jahr erklärt, die Altlasten der mondänen Calmund-Ära sind abgetragen, und der Mutterkonzern hat im Frühjahr 2007 eine wegweisende Entscheidung getroffen.
Die Bayer AG will sich künftig vor allem auf zwei Segmente seines Sportengagements konzentrieren: zum einen auf den Breitensport für die Einwohner Leverkusens und zum anderen auf den Fußball. Deshalb wird das Stadion für 50 Millionen Euro ausgebaut, und deshalb soll auch wieder etwas mehr Geld ins operative Geschäft fließen. »Wenn wir A sagen, dann müssen wir auch B sagen«, meint Sprink. In der Konsequenz heißt das, wenn der Kampf um die internationalen Plätze – wie von vielen erwartet – künftig noch härter und auch teurer wird, dann müsste der Mutterkonzern garantieren, dass Bayer Leverkusen seine gute finanzielle Ausstattung gegenüber der Konkurrenz wahrt. Ähnlich wie VW in Wolfsburg will auch die Bayer AG mit Fußball in die internationalen Schlagzeilen. Wie groß man im Konzern denkt, zeigte der ursprüngliche Entwurf für das neue Stadion. Ein im Weltall sichtbares Bayer-Kreuz sollte sich über das Dach spannen, dieser Teil des Umbaus wurde aber auf unbestimmte Zeit verschoben.