Bruno Labbadia im Interview
von Bastian Rudde
Bayer Leverkusen passe in sein Konzept und er selber in das des Bundesligisten. Das hat Bruno Labbadia bei seinem Amtsantritt als neuer Bundesliga-Trainer gesagt. Was der der 42-Jährige damit genau gemeint hat, erklärt er im Interview mit ZDFonline.
ZDFonline: Warum passt Leverkusen in Ihr Konzept?
Bruno Labbadia: Ich glaube, dass der Fußball, der hier immer gespielt wurde, genau der ist, den ich mit meinen bisherigen Vereinen auch aufgezogen habe. Nämlich ein gepflegter Tempofußball.
ZDFonline: Dem Magazin "11Freunde" haben Sie verraten, Ihr aktueller Klub müsse ihrem Gefühl nach der "größte Verein der Welt" sein. Ist das bisher so in Leverkusen?
Labbadia: Dabei geht es einfach nur um mein Selbstverständnis. Als Trainer gilt das noch mehr als früher. Ich kann mich unglaublich in meine Aufgaben verbeißen. Das erzeugt eine sehr intensive Beziehung zum Verein. Deswegen habe ich in Fürth auch gesagt, ich empfände es so, als ob ich den FC Barcelona trainieren würde.
ZDFonline: In Fürth und Darmstadt haben Sie mit geringen finanziellen Mitteln vergleichsweise viel erreicht. In Leverkusen herrschen andere Verhältnisse¿
Labbadia: Moment, da vertun sie sich. Der Verein hat seinen Etat seit 2002 extrem heruntergefahren, in dieser Zeit haben andere Klubs aufgestockt. Wir konnten uns jetzt mit Renato Augusto einen Transfer leisten, der teurer war als für uns üblich. Andere Vereine können von dieser Sorte Spieler drei holen. Dass heißt: Auch hier muss ich ähnliche Arbeit leisten, wenn auch auf einem anderen Niveau. Wir wollen uns mit einer sehr jungen Mannschaft, die großes Potential hat, entwickeln. Dafür bin ich hierher geholt worden - weil Bayer Leverkusen davon ausgeht, dass ich dafür der Richtige bin.
ZDFonline: Macht es Ihnen Druck, den internationalen Wettbewerb erreichen zu müssen?
Labbadia: Ich mache mir selber den größten Druck. Aber ich wollte ja zu einem Verein, der vorne mitspielt, und wusste, dass ich den Ansprüchen hier in Leverkusen gerecht werden muss.
ZDFonline: Im DFB-Pokal müssen Sie am 10. August bei Rot-Weiss Oberhausen antreten. In der Meisterschaft wartet dann Borussia Dortmund. Wie wichtig ist es Ihnen als Neuling, im ersten Bundesliga-Spiel drei Punkte zu holen?
Labbadia: Ein guter Start ist immer enorm wichtig. Ich habe dann mit der Mannschaft acht Wochen auf dieses Spiel hingearbeitet. Ich habe den Jungs mal gesagt: ¿Wir könnten eine ganze Woche nackt rumlaufen. Das interessiert dann keinen mehr.' So wichtig sind Ergebnisse. Aber ich denke, wenn man konzentriert arbeitet, zahlt sich das irgendwann auch aus. Es sollte in der Bundesliga halt nur nicht zu lange dauern. Dass drei Punkte im ersten Spiel für mich als Neuling noch wichtiger sind als für andere Trainer, denke ich aber nicht.
ZDFonline: In der letzten hat Bayer den sicher geglaubten UEFA-Pokal-Platz doch noch verspielt. Sitzt diese Negativ-Erfahrung bei den Spielern noch fest?
Labbadia: Also momentan habe ich nicht das Gefühl. Aber ich glaube, so etwas käme eh erst dann zum Vorschein, wenn es wieder eine ähnliche Situation geben würde. Ich persönlich versuche den Spielern klarzumachen, dass das, was gestern war, heute nicht mehr interessant ist - Negatives wie Positives.
ZDFonline: Wie reagieren Sie, wenn auf dem Platz nicht das umgesetzt wird, was Sie im Training üben?
Labbadia: Prinzipiell denke ich, dass man als Trainer nicht ständig die Beherrschung verlieren sollte, weil man dann nicht den Blick fürs Wesentliche wahrt. Mein Anspruch ist es, Ergebnis zu erzielen und dazu am liebsten schönen Fußball spielen. Das ist das Perfekte. Wenn ich merke, dass ein Spieler fahrlässig wird oder mit seinem Potenzial nachlässig umgeht, werde ich in diesem Sinne deutliche Worte finden.
ZDFonline: Sportdirektor Rudi Völler spricht bei Ihnen von einer Mischung aus Akribie und Emotionalität.
Labbadia: Ich möchte zweierlei auf dem Platz haben: die deutsche Mentalität und das italienische Lebensgefühl. Denn es gibt zwei Bereiche. In der Defensive muss jeder gegen den Ball arbeiten, wirklich jeder. Stichworte sind Disziplin und Ordnung. Nur so kann eine Mannschaft überhaupt bestehen. Und dann gibt es die Offensive. Da will ich Kreativität. Ein Spieler, der ständig agiert und dabei mal einen Fehler macht, ist mir lieber als einer, der sich nie zeigt, dafür aber keinen Fehler macht.
ZDFonline: Hat sich Ihr Umgang mit Spielern im Laufe der Zeit verändert?
Labbadia: Nein. Mir war immer klar, wie ich eine Mannschaft führen möchte. Es geht immer um das Wechselspiel zwischen Abstand und Nähe. Abstand, weil ich kein Kumpeltyp bin und mit den Jungs keinen trinken gehen möchte. Ich will auch nicht von ihnen geduzt werden, weil ich meinen Trainer auch nie duzen wollte. Und Nähe, weil ein Spieler das Gefühl haben soll, dass er mir alles sagen kann. Egal, ob ich ihn gerade beim Training kritisiert habe.
ZDFonline: Ihr letztes Tor als Spieler liegt fünf Jahre zurück. Nicken Sie manchmal noch mit ein?
Labbadia: Nein, weil ich überhaupt nicht mehr als Spieler denke, nur noch als Trainer. Meine Überlegung ist, was ich tun muss, damit der Spieler die Chance beim nächsten Mal verwertet. Außerdem darf man nicht vergessen, wie viele Dinger man selber als Spieler verballert hat.
ZDFonline: Als Spieler haben Sie oft den Verein gewechselt. Soll das als Trainer anders werden?
Labbadia: Wenn ich hier rausschaue auf den Umbau (zeigt auf die BayArena, die momentan erweitert wird, d. Red.), wäre es natürlich schön, wenn ich die Entwicklung von Bayer Leverkusen während der nächsten Jahre mittragen könnte. Ich muss einfach das Gefühl haben, dass es gerade das Allergrößte ist, an dem ich arbeite. Und so lange das so ist, ist alles in Ordnung. Über Jahre hinweg ist das heutzutage im Trainergeschäft allerdings schwer planbar.
Infobox:
Bruno Labbadia
- geboren am 8. Februar 1966 in Darmstadt als Sohn italienischer Eltern, die vor über 50 Jahren aus dem zwischen Rom und Neapel gelegenen Dorf Lenola nach Deutschland kamen
- nahm mit 18 Jahren die deutsche Staatsbürgerschaft an
- jüngstes von insgesamt neun Geschwistern
- verheiratet, eine Tochter (21) und einen Sohn (10)
- spricht Deutsch und Italienisch fließend, sein Englisch-Kenntnisse bezeichnet er als "Schul-Englisch und ausbaufähig"
-------------------------------------------------------------------------------
Labbadias Karriere als Spieler
- 1984-1987: SV Darmstadt 98, 105 Spiele/43 Tore
- 1987-1988: Hamburger SV, 41 Spiele/11 Tore
- 1988-1991: 1. FC Kaiserslautern, 67 Spiele/20 Tore
- 1991-1994: Bayern München, 82 Spiele/28 Tore
- 1994-1995: 1. FC Köln, 41 Spiele/15 Tore
- 1995-1998: Werder Bremen, 63 Spiele, 18 Tore
- 1998-2001: Arminia Bielefeld, 98 Spiele/50 Tore
- 2001-2003: Karlsruher SC, 60 Spiele/18 Tore
- Gesamt, 1. Bundesliga: 328 Spiele/103 Tore
- Gesamt, 2. Bundesliga: 229 Spiele/100 Tore
- A-Nationalmannschaft: 2 Spiele/1 Tor
Quelle: ZDF-Online