11Freunde: 5 Dinge über Bayer Leverkusen

  • Klammheimlich beendete Carsten Ramelow seine Karriere. Zugleich wurde mit Bruno Labbadia ein medienwirksames Aushängeschild geholt und mit Patrick Helmes ein neuer Rudi Völler. Sogar bald mit Schnauzer.


    1. GANZ ANDERS ALS DER MICHA


    Dieser Bruno Labbadia muss durch die Träume von Rudi Völler getanzt sein. Nach der Entlassung von Michael Skibbe musste Bayers Sportchef einen Nachfolger finden, der ganz anders ist als sein langjähriger Wegbegleiter. Nur so konnte er den Abschuss des diskreten Herrn Skibbe, der von seinen Spielern beliebt und geachtet war, nicht verkaufen können. Skibbe musste schließlich nicht nur gehen, weil er das Saisonziel Europapokal verpasst hatte. Er musste gehen, weil er den Fans und Medien in Leverkusen kaum noch zu vermitteln war. In Leverkusen wollten sie wieder bunte Gameshows statt immer nur Skibbetestbild. Der freundliche Ruhepuls von nebenan schien nicht mehr Aushängeschild tauglich. Labbadia ist es: Ein italodeutscher Dressman, der selbst in Ballonseide gehüllt aussieht, als würde er maßgeschneiderte Boss-Anzüge tragen.


    Ein Vergleich zwischen Pistolero Labbadia und seinem eher schmallippigen Vorgänger Skibbe ist wie ein Schusswechsel mit anschließendem Straßentanzduell zwischen Shaft und dem Alten. Verschiedener können zwei Trainer kaum sein. Skibbe arbeitete zumindest in der Öffentlichkeit im moderaten Flüsterton. Labbadia aber ist laut und lebt von seiner aggressiven Körperlichkeit. Völlers Anti-Skibbe ist aber auch fast schon manisch progressiv. Er kennt nur einen Weg: Nach oben. Für Labbadia ist Bayer Leverkusen, das hat er selbst gesagt, der nächste Schritt in einem klar ausgerichteten Karriereplan. Erst Darmstadt, dann Fürth, jetzt Leverkusen. Labbadia hat seinen persönlichen Durchmarsch in die Bundesliga akribisch geplant. „Bayer Leverkusen ist ein Verein, der auch in mein Profil passt“, verkündete Labbadia nach seiner Verpflichtung gewohnt zurückhaltend.


    Es wird wohl auch dieses gesunde Maß an kontrollierter Selbstüberschätzung sein, das ihn für Leverkusen interessant gemacht hat. Denn mit Bruno Labbadia haben die Verantwortlichen bei Bayer auch so etwas wie ihren ganz eigenen Jürgen Klinsmann verpflichtet.
    Labbadia wirkt in vielem, was er tut, wie der dunkle Zwilling des Bäckergesellen aus Göppingen. Labbadia, der in Fürth als positiv Verrückt galt, ist ein ähnlicher Verbaljongleur.
    Er motiviert über die Sprache. Seit der vergangenen Saison wird ihm zudem die Fähigkeit nachgesagt, Spieler individuell verbessern zu können. Mit Fürth erreichte er trotz des zweitkleinsten Zweitliga-Etats einen erstaunlichen sechsten Platz. Spieler wie der Neu-Stuttgarter Martin Lanig haben unter Labbadia den nächsten Entwicklungsschritt gemacht.


    Wahrscheinlich auch aus Angst vor dem Trainer, der keinen Stillstand duldet. Nicht bei anderen. Und schon gar nicht bei sich. Passend dazu hat er, in gewohntem Duktus, schon das sein nächstes Ziel bestimmt: „Bayer Leverkusen muss immer international spielen.“ Weniger würde er wohl auch selbst nicht ertragen.


    2. BACK TO THE FETISCH


    Zwanzig Jahre lang hat Bayer 04 Leverkusen mit viel Appetit am Zuckerhut geleckt. Ende der 90er saß Rainer Calmund mit einer tischtuchgroßen Serviette über dem Wanst auf seinem Tribünen-Zweisitzer, und sein sattes Lächeln verriet innere Zufriedenheit. Auf dem Bayer-Rasen tanzten südamerikanische Köstlichkeiten aus dem Gourmet-Regal. Und ständig wurde für Nachschub gesorgt. Kein Wunder. In den Wohlstandsjahren unter Calmund hat Bayer Leverkusen den Fischzug durch Brasilien perfektioniert. Seitdem liegt Bayers Scoutingnetz engmaschig über den Favellas und den Stränden von Rio und Sao Paulo, sind die Leverkusener Scouts Stammgäste auf den Tribünen der großen brasilianischen Vereine.

    In einem Spiel, in dem es nur darum ging, am Ende das größte brasilianische Talent zu entdecken, schienen die Leverkusener nahezu unschlagbar. Mit der Konkurrenz aus München und Dortmund etwa spielten Bayers Scouts auf dem Transfermarkt Hase und Igel. Wobei vor allen Dingen Chefscout Norbert Ziegler und seine Helfer in Südamerika dafür sorgten, dass Rainer Calmund grinsend feststellen durfte: Bin schon da. Egal was die anderen versuchten, Bayer hatte am Ende nicht nur die fußballerisch stärkeren sondern auch sozial intelligenteren Brasilianer im Kader, was einen verzweifelten Dortmunder zu der Annahme gelangen ließ, dass es wohl zwei Brasilien geben muss. Eines, in dem Leverkusen scoutet, und eines, in dem die Dortmunder dann zur Resteverwertung einreiten dürfen.


    In Wahrheit ist es aber viel simpler. Die Leverkusener waren tatsächlich einfach immer zuerst da. Auch weil sie, genau genommen, schon zu Beginn zuerst da waren. 1987 holten die Leverkusener den Brasilianer Tita nach Deutschland. Tita wurde der erste erfolgreiche Brasilientransfer in der Geschichte der Bundesliga. Mit dem Schritt nach Brasilien hatte Bayer Neuland betreten. Und war auf eine Goldader gestoßen. Chefscout Ziegler war in dieser Zeit oft der einzige europäische Späher vor Ort. Ein aus heutiger Sicht nahezu unvorstellbarer Zustand paradiesischer Glückseligkeit. So konnte er in meditativer Ruhe die weiteren Transfers begabter Fußballer nach Leverkusen planen. Auf Tita folgte Jorginho. Und in Leverkusen hatten sie eine neue Völkerfreundschaft entdeckt. Aber auch die besondere Fähigkeit aus dem unübersichtlichen Angebot im brasilianischen Fußballwunderland, die Spieler mit Weltstarpotenzial herauszufiltern.

    Und so ist es kein Zufall, dass viele große brasilianische Namen am Anfang ihrer europäischen Karriere das Bayerkreuz auf der Brust getragen haben: Die heutigen Münchner Zé Roberto und Lucio, Emerson, dazu Paulo Sergio oder Juan.

    Doch in den letzten Jahren waren Bayers Scouts in Brasilien anscheinend nicht mehr ganz bei der Sache und haben ungewohnt oft ziemlich daneben gegriffen: Egal ob Franca, Athirson oder auch Roque Junior – die brasilianischen Einkäufe der jüngeren Vergangenheit erreichten nicht mehr die Klasse ihrer Vorgänger. Nachdem Juan zum AS Rom gewechselt war, wurden mit Roque Junior und Athirson die beiden letzten Brasilianer aus der Stadt gejagt. In der brasilianischsten Industriestadt Deutschlands hatte man sich zu einem sauberen Schnitt entschlossen. Und so hatte Bayer Leverkusen nach 21 Jahren das erste Mal keinen Brasilianer mehr im Kader. Leverkusen war nicht mehr Bayer do Brasil, sondern ein einfacher Werksklub. Nur war mit den Brasilianern auch ein Teil der Leverkusener Identität verschwunden. Doch Rudi Völler und Wolfgang Holzhäuser beruhigten den verwirrten Anhang: Bayer Leverkusen hatte das Netz an der Copa Cabana nicht eingeholt. Der Markt hatte nur nichts hergegeben. So einfach war das. Bayer schielte weiter nach Brasilien. Und gönnte sich einfach nur ein reinigendes Jahr der brasilianischen Enthaltsamkeit

    Nun sind die Leverkusener zurück aus dem Samba-Sabbat und haben auch was mitgebracht: Renato Augusto, einen 20jährigen aus Rio, der durchaus in der Lage sein könnte, die Tradition der brasilianischen Leckerlis fortzuführen.

    Renato gilt, neben Mailands Pato, als das größte Talent seiner Alterklasse und wird in seiner Heimat längst als der neue Kaka gefeiert. »Er findet auf dem Platz immer eine Lösung«, heißt es, etwas bescheidener, aus Leverkusen. Doch den Leverkusenern ist die diebische Freude über den Coup durchaus deutlich anzumerken. Und nicht nur deshalb erinnert vieles an diesem Transfer an die früheren Glanzstücke unter Daum und Calmund: Bayer hat mit Renato einen Spieler verpflichtet, den auch die ganz großen Klubs gejagt haben. Doch er hat sich für Leverkusen entschieden, weil Leverkusen zuerst da war. Die Bayer-Scouts haben ihn lange beobachtet, seinen Karriereweg seit der U17 WM in Venezuela vor drei Jahren genauestens im Auge behalten. Als Renato dann auf den Markt kam, waren die Leverkusener in der Lage, sofort zu reagieren. Wieder einmal hatten sie sich einen Standortvorteil erkämpft, denn »eigentlich«, gibt auch Chefscout Norbert Ziegler zu, »eigentlich hatten wir keine Chance.«


    Die Leverkusener durfte endlich wieder Igel spielen und haben beim Rennen um Renato ihren Zuckerhut-Fetisch wieder entdeckt: Nach Renato wurde auch noch Henrique vom FC Barcelona ausgeliehen. Angeblich Brasiliens größtes Abwehrtalent. Ein neuer Lucio oder so. Und im Winter soll mit Thiago noch ein dritter Brasilianer folgen. Zeit, die Lätzchen wieder hervor zu holen.


    3. EIN STILLES VAKUUM


    Jetzt ist er weg. Und kaum einer hat es gemerkt. Carsten Ramelow hat seine Karriere beendet.
    Nach dreizehn Jahren Leverkusen hat der ewige Mittelfeldschweiger ein leises Servus gehaucht, noch ein wunderschön passendes letztes Tor gegen seinen Heimatverein Hertha BSC geschossen. Und dann war er plötzlich einfach nicht mehr da.


    Da kommt noch mehr, ist aber zu lang für die Beiträge hier. Ihr müsst also dem Link folgen ...


    http://www.11freunde.de/bundes…c2334465e089c4f6b8dfc85b9